Gegenwärtige Praxis der Beweissicherung bei Betäubungsmittelverdacht

Wir fragen den Senat:

1. Wie wird zurzeit die Beweismittelsicherung beim Verdacht, ein Tatverdächtiger habe Betäubungsmittel verschluckt, vorgenommen?

2. Welche Zuständigkeiten und Aufgaben erhalten in diesem Rahmen die Staatsanwaltschaft, die Polizei, die Justizvollzugsanstalt Bremen (JVA) und der Ärztliche Beweissicherungsdienst der Polizei?

3. Gibt es bezüglich des Einsatzes der Drogentoilette in der JVA eine Dienstanweisung? Wenn ja, welchen Inhalts?

4. Sind Verträge mit privaten Dienstleistern im Zusammenhang mit dem Einsatz der Drogentoilette abgeschlossen worden? Wenn ja, welchen Inhalts? Welche Kosten sind damit verbunden? Wer zahlt sie aus welcher Haushaltsstelle?

5. Wer betreibt seit dem 1. Januar 2005 den Ärztlichen Beweissicherungsdienst?

6. Welche Vertragsinhalte wurden vereinbart, und wer führt die dort vereinbarten Tätigkeiten aus?

7. Welche Veränderungen des Vertrags mit dem Ärztlichen Beweissicherungsdienst wurden durch die neue Methode der Beweissicherung notwendig? Wenn ja, welche Dienstanweisung ist einschlägig?

8. (Polizei) zum Justizressort verlagert? In welchem Umfang?

9. Welche Erfahrungen gibt es bislang mit der veränderten Praxis?

Dr. Matthias Güldner, Jan Köhler, Karoline Linnert und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Dazu Antwort des Senats vom 10. Mai 2005

1. Wie wird zurzeit die Beweismittelsicherung beim Verdacht, ein Tatverdächtiger habe Betäubungsmittel verschluckt, vorgenommen?

Die Beweismittelsicherung erfolgt durch Exkorporation, deren Durchführung in den Antworten der folgenden Fragen umfassend dargestellt ist.

2. Welche Zuständigkeiten und Aufgaben erhalten in diesem Rahmen die Staatsanwaltschaft, die Polizei, die Justizvollzugsanstalt Bremen (JVA) und der Ärztliche Beweissicherungsdienst der Polizei?

Das bei Exkorporationen einzuhaltende Verfahren haben der Senator für Justiz und Verfassung und der Senator für Inneres und Sport in einer Arbeitsgruppe entwickelt, an der der Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales, das Institut für Rechtsmedizin, die Generalstaatsanwältin, der Leitende Oberstaatsanwalt, der Leiter der Justizvollzugsanstalt Bremen, der Polizeipräsident und der Bereitschaftsdienst für ärztliche Beweissicherung Bremen beteiligt waren. Den Ablauf haben der Senator für Justiz und Verfassung und der Senator für Inneres und Sport in einem gemeinsamen Erlass vom 1. März 2005 wie folgt geregelt:

In Verdachtsfällen obliegt der Polizei der erste Zugriff auf den Tatverdächtigen. insbesondere über den Verdacht, dass sich in seinem Körper Behältnisse mit Betäubungsmitteln befinden, die als Beweismittel sichergestellt werden müssen. Die Exkorporation von verschluckten Gegenständen ist mit Hilfe von Brech- oder Abführmitteln oder durch natürliches Ausscheiden möglich. Besonders wirksam und schnell lässt sich die Exkorporation mit Hilfe eines Brechmittels durchführen. Da die Verweildauer der verschluckten Gegenstände im Magen nur etwa zwei Stunden beträgt, führt die Polizei den Beschuldigten auf kürzestem Wege dem Polizeigewahrsam zu.

Dort wird der Beschuldigte unverzüglich dem Bereitschaftsdienst für ärztliche Beweissicherung vorgestellt. Dieser erhebt eine Anamnese und untersucht den Tatverdächtigen. Die Ergebnisse werden dokumentiert. Dort wird auch die ärztliche Beurteilung der Arrestfähigkeit, der Transportfähigkeit und der Vernehmungsfähigkeit festgehalten und bescheinigt. Die Ärztin oder der Arzt klärt den Tatverdächtigen über die Gefahren eines Verbleibens der Betäubungsmittel im Körper auf.

Liegen keine Kontraindikationen vor, wird dem Tatverdächtigen das Brechmittel Ipecacuanha-Sirup zur freiwilligen Einnahme angeboten. Die Beschleunigung der Exkorporation mit Hilfe eines freiwillig eingenommenen Abführmittels findet statt, wenn sich die verschluckten Gegenstände bereits im Darm befinden. Bei Bedarf wird der Tatverdächtige in einem geeigneten Haftraum des Polizeigewahrsams untergebracht. Während der Wartezeit wird er medizinisch überwacht.

Durch die leitende Polizeiärztin, die die Fachaufsicht für das Verfahren übernommen hat, wurden, über die bisher geltenden medizinischen Standards für Exkorporationen in Diensträumen der Polizei Bremen hinausgehende, medizinische Standards für die Durchführung von freiwilligen Exkorporationen entwickelt und der Polizei Bremen mit Schreiben vom 22. April 2005 mitgeteilt.

Bis auf Weiteres werden diese Standards, die u. a. vorsehen, die Exkorporation durch einen Arzt im Rettungsdienst bzw. einen Arzt mit ausreichenden Kenntnissen in der Rettungsmedizin durchzuführen oder für die Dauer der Exkorporation einen Notarzt und zwei Rettungssanitäter bereitzuhalten, angewandt.

Diese Anforderungen sind derzeit Gegenstand weiterer Beratungen zwischen der Polizei Bremen, dem Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales, dem Bereitschaftsdienst für ärztliche Beweissicherung Bremen, der leitenden Polizeiärztin und dem Senator für Inneres und Sport, deren abschließendes Ergebnis noch nicht vorliegt.

Die Sicherstellung der Beweismittel obliegt der Polizei. Eine zwangsweise Verabreichung eines Brech- oder Abführmittels hat zu unterbleiben. bzw. des Abführmittels ab, kommt nur eine Exkorporation via naturalis in Betracht. Wegen des weiteren Vorgehens setzt die Polizei sich mit der Staatsanwaltschaft in Verbindung. Die Staatsanwaltschaft hat einen Bereitschaftsdienst eingerichtet, dessen Zuständigkeit sich auf Anordnungen und Anträge in Ausführung des Gemeinsamen Erlasses des Senators für Justiz und Verfassung und des Senators für Inneres und Sport vom 1. März 2005 bezieht. Je nach den Umständen des Einzelfalls führt die Staatsanwaltschaft entweder die richterliche Anordnung einer körperlichen Untersuchung des Tatverdächtigen nach § 81 a herbei, oder sie beantragt den Erlass eines Haftbefehls wegen Verdunkelungsgefahr.

In beiden Fällen wird der Tatverdächtige in einem für die Zwecke der Exkorporation via naturalis geeigneten Haftraum im ärztlichen Bereich der Justizvollzugsanstalt Bremen untergebracht. Dort wird der Tatverdächtige durch einen beauftragten Sanitätsdienst überwacht. Außerdem wird dem Tatverdächtigen angeboten, sich durch medizinisches Gerät überwachen zu lassen.

Für die Sicherstellung und die anschließende Untersuchung der ausgeschiedenen Beweismittel sorgt die Polizei.

3. Gibt es bezüglich des Einsatzes der Drogentoilette in der JVA eine Dienstanweisung? Wenn ja, welchen Inhalts?

Den näheren Ablauf des Verfahrens ­ soweit die Justizvollzugsanstalt Bremen betroffen ist ­ hat der Leiter der Justizvollzugsanstalt Bremen in einer Anstaltsverfügung auf der Grundlage der gemeinsamen Verfügung des Senators für Justiz und Verfassung und des Senators für Inneres und Sport vom 1. März 2005 ausgestaltet. Diese Dienstanweisung enthält im Wesentlichen folgende Regelungen:

Die Schichtleitung beziehungsweise der Nachtdienst informieren unverzüglich die Abteilung für kranke Gefangene und den beauftragten externen Sanitätsdienst (vgl. hierzu die Antwort auf die Frage 4.), sobald die Polizei der werden die Aufnahmemodalitäten geregelt (richterlicher Beschluss und Aufnahmeersuchen; Dokumentation der ärztlichen Anamnese, der Untersuchungen und der Feststellung der Arrestfähigkeit durch den Bereitschaftsdienst für ärztliche Beweissicherung Bremen nebst ärztlichen Anordnungen; Dokumentation der erfolgten Belehrungen; medizinischer Überwachungsbogen). Die Verfügung enthält schließlich Regelungen hinsichtlich der medizinischen Überwachung des Beschuldigten (Anlegung der medizinischen Überwachungsgeräte bei Einverständnis des Beschuldigten; anderenfalls Dokumentation der Ablehnung des Einverständnisses), über die Benachrichtigung des bezüglich der Dokumentation der Aufnahme und Entlassung des Beschuldigten durch die Vollzugsgeschäftsstelle.

4. Sind Verträge mit privaten Dienstleistern im Zusammenhang mit dem Einsatz der Drogentoilette abgeschlossen worden? Wenn ja, welchen Inhalts? Welche Kosten sind damit verbunden? Wer zahlt sie aus welcher Haushaltsstelle?

Die Justizvollzugsanstalt Bremen hat mit einem privaten Rettungsdienst einen Vertrag zur medizinischen Überwachung derjenigen Tatverdächtigen abgeschlossen, bei denen aufgrund eines Beschlusses nach § 81 a oder aufgrund eines Untersuchungshaftbefehls die Ausscheidung mutmaßlich verschluckter Drogen via naturalis abgewartet werden muss.

Der Einsatz des privaten Rettungsdienstes erfolgt auf Abruf. Dessen Mitarbeiter Bremen. Die eingesetzten Mitarbeiter müssen ausgebildete Rettungsassistentinnen oder Rettungsassistenten sein.

Der private Rettungsdienst erhält eine monatliche Bereitstellungspauschale von 90 Euro. Die Tätigkeit der Rettungsassistenten wird mit 35 Euro je angefangener Stunde abgerechnet, dazu kommt eine Anfahrtspauschale von 15 Euro. Die aufgeführten Kosten werden aus der Haushaltsstelle 0120 531 42-5 (Gesundheitliche Versorgung der Gefangenen) des Senators für Justiz und Verfassung beglichen.

Darüber hinaus wurde für die Separierung der Exkremente/die Durchsuchung nach Betäubungsmitteln von der Polizei Bremen ein Vertrag mit einem privaten Rohrreinigungsunternehmen abgeschlossen. Die Kosten für die Wäsche, Anfahrt, Verbrauchsmaterialien und Verwaltung liegen in der Zeit von Montag bis Freitag (7.30 bis 17.00 Uhr) bei 173 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer. In den anderen Zeiten sind 233 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer zu entrichten.