Frühförderungsverordnung und deren Umsetzung

Vorbemerkung des Fragestellers:

Als Folge der vom Bund erlassenen Verordnung zur Früherkennung und Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder (Frühförderungsverordnung ­ FrühV) vom 24. Juni 2003 hat das Saarland im April 2006 die Landesrahmenempfehlung Frühförderung unterschrieben und somit den ersten Schritt zur Umsetzung der Rechtsverordnung zur Früherkennung gemacht.

Wie ist der derzeitige Stand der Umsetzung der Frühförderungsverordnung im Saarland?

Zu Frage 1: Mit den Krankenkassen, der Liga der Freien Wohlfahrtspflege, der Landesarbeitsgemeinschaft der Träger der Frühförderstellen im Saarland, den Frühförderstellen und dem sozialpädiatrischen Zentrum ist eine Landesrahmenempfehlung (LRE) erarbeitet worden, die die Anforderungen an interdisziplinäre Frühförderstellen und sozialpädiatrische Zentren regelt und das Zugangsverfahren sowie die Leistungserbringung vereinheitlicht und neu ausgestaltet.

Die durch die Arbeit der interdisziplinären Frühförderstellen entstehenden Kosten werden in einem eigenen Rahmenvertrag nach § 79 Abs. 1 SGB XII geregelt. Dieser Rahmenvertrag befindet sich zurzeit im Umlaufverfahren zur Unterzeichnung.

Auf der Grundlage des Rahmenvertrages werden alsdann entsprechende Leistungsvereinbarungen mit den Frühförderstellen abgeschlossen.

Die 12 interdisziplinären Frühförderstellen im Lande sind gebeten, auf der Grundlage der Landesrahmenempfehlung eine Konzeption für ihre Einrichtung vorzulegen und haben dies zum Teil getan.

Die Finanzierung der Kosten des sozialpädiatrischen Zentrums regelt ein Vertrag, der zwischen den Krankenkassen und dem Träger des sozialpädiatrischen Zentrums verhandelt wird.

Welche organisatorischen Vorteile bzw. Nachteile sieht die Landesregierung in der neuen Regelung gegenüber der bisherigen Praxis und wie bewertet die Landesregierung die Unterschiede?

Entgegen der bisherigen Praxis soll nach der FrühV durch die Anbindung der Heilmittelerbringer an Frühförderzentren eine Zwischeninstanz eingeschaltet werden. Welchen Vorteil sieht die Landesregierung darin und wie schätzt sie die dadurch entstehenden Kosten ein?

Zu den Fragen 2 und 3: Leistungen der heilpädagogischen Rehabilitation wurden in der Vergangenheit von den Frühförderstellen erbracht. Leistungen der medizinischen Rehabilitation sind von den Krankenkassen erbracht worden. Durch die verschiedenen Zuständigkeiten ergaben sich erhebliche Probleme. So war den Frühförderstellen unbekannt, welche medizinisch-therapeutischen Maßnahmen die bei ihnen betreuten Kinder erhielten. Die Krankenkassen hingegen hatten keine Informationen über etwaige heilpädagogische und sozialpädagogische Maßnahmen, die die Frühförderstellen an den Kindern leisteten.

Die neue Regelung stellt sicher, dass die notwendigen Leistungen verzahnt werden.

Die Ausgestaltung der Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder als „Komplexleistung" in den Fällen, in denen unterschiedliche Disziplinen eingeschaltet sind, ist das Kernstück der Reform.

Da die Aussichten für die Erfolge einer Therapie und Förderung im frühen Bereich am besten sind, ist ein problemloser Zugang zu den erforderlichen Leistungen notwendig.

Schwierigkeiten, die sich aus den bislang verschiedenen Zuständigkeiten ergeben, werden dadurch behoben, dass die Leistungen aus einer Hand erbracht werden. Dabei sind die Leistungen der medizinischen Rehabilitation und der heilpädagogischen Rehabilitation eng miteinander verzahnt. Es wird durch verschiedene strukturelle Maßnahmen eine Vernetzung erreicht. Die neuen Regelungen stellen durch die Einbindung von Fachleuten aller Disziplinen sicher, dass den behinderten oder von Behinderung bedrohten Kindern zielgenau die besten Maßnahmen zukommen. Damit wird eine Arbeit hoher Qualität von den 12 saarländischen interdisziplinären Frühförderstellen und dem sozialpädiatrischen Zentrum angeboten werden.

Aus § 9 der Frühförderungsverordnung ergibt sich, dass die Aufteilung der Entgelte pauschaliert werden kann und zwar dergestalt, dass Entgelte, die die interdisziplinären Frühförderstellen betreffen, zu 80 Prozent von dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe und zu 20 Prozent von den Krankenkassen zu tragen sind. Von den Entgelten für die sozialpädiatrischen Zentren tragen die Krankenkassen 80 Prozent, die überörtlichen Träger der Sozialhilfe 20 Prozent der Kosten. Da der Umfang der Fallzahlen noch nicht bekannt ist, kann noch nicht gesagt werden, ob Mehrkosten entstehen. Es werden in den ersten zwei Jahren genaue Erfassungen vorgenommen, um danach ggf. zu einer Revision der Anteile zu kommen.

Welchen Vorteil sieht die Landesregierung darin, dass die Erstbeurteilung des Kindes durch einen in der Regel das Kind nicht betreuenden Arzt stattfindet?

Zu Frage 4: Die interdisziplinäre Eingangsdiagnostik als Bestandteil der Komplexleistung, die unter ärztlicher Verantwortung einer Vertragsärztin oder eines Vertragsarztes der Frühförderstelle veranlasst wird (§ 11c LRE) unterteilt sich, je nach Bedarf, in ärztliche Diagnostik, medizinisch-therapeutische Diagnostik, psychologische Diagnostik (§ 8 Abs. 2 LRE). Dabei sind, wie der Name schon sagt, in der Diagnostik die verschiedensten Fachdisziplinen eingebunden. Somit wird sichergestellt, dass den unterschiedlichen denkbaren Notwendigkeiten der Therapien Genüge getan wird. Der Bericht des betreuenden Arztes wird in jedem Fall in die Beurteilung der interdisziplinären Eingangsdiagnostik miteinbezogen. Wie bisher kann der behandelnde Kinderarzt Frühförderung anregen. Soweit eine Komplexleistung nicht erforderlich ist, muss er wie bisher, das Heilmittel verschreiben.

Wie beurteilt die Landesregierung inhaltlich und wirtschaftlich die Tatsache, dass nach der FrühV bereits zu Beginn eines Frühförderungsverfahrens bei Erstellung eines Therapie- und Förderungsplans die erforderliche Zahl der erforderlichen Heilmittel festgelegt werden soll?

Wo sieht die Landesregierung in der in Frage 5 beschriebenen Regelung einen Vorteil gegenüber der derzeitigen Regelung, wobei nach erbrachter Teiltherapieleistung (in der Regel 10 bis 20

Sitzungen) von einem Facharzt die Notwendigkeit einer weiterführenden Betreuung überprüft wird und so auch unnötige therapeutische Interventionen vermieden werden können

Zu den Fragen 5 und 6:

Das Ergebnis der interdisziplinären Diagnostik wird im Falle der Notwendigkeit einer Komplexleistung an einen unter ärztlicher Verantwortung stehenden Fachausschuss weitergeleitet. In diesem Ausschuss sind die Disziplinen der Frühförderstelle und Vertreter des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe vertreten. Dem medizinischen Dienst der Krankenkassen und den Trägern der Jugendhilfe wird die Möglichkeit gegeben, an den Sitzungen des Fachausschusses teilzunehmen. Die Eltern sind zu den Sitzungen des Fachausschusses einzuladen. Der behandelnde Arzt ist nach Möglichkeit einzubeziehen, auf jeden Fall aber zu informieren.

Der Fachausschuss wertet die Ergebnisse der interdisziplinären Diagnostik aus und schlägt die notwendigen Fördermaßnahmen vor.

Auf dieser Basis wird ein Förder- und Behandlungsplan erstellt, der zugleich auch Angaben darüber enthält, durch welche Einrichtung die Komplexleistung durchgeführt werden soll. Der zuständige Leistungsträger erhält diese Empfehlungen und entscheidet letztendlich über die Leistung.

Nicht nur die interdisziplinäre Diagnostik ist als Eingangs-, Verlaufs- und Ablaufsdiagnostik angelegt (§ 8 Abs. 2); auch während der Durchführung der Komplexleistung ist je nach Erfordernis der Behandlungs- und Förderplan fortzuschreiben oder die Förderung, Behandlung zu beenden. Die Neuerstellung des Förder- und Behandlungsplanes ist mindestens alle 12 Monate erforderlich.

Da über Problemfälle ständige Konferenzen stattfinden, ist sichergestellt, dass der Erfolg der angewandten Therapien in angemessener Zeit überprüft und bei bestehender Notwendigkeit verändert oder beendet wird. Somit werden unnötige therapeutische Interventionen vermieden.

Sieht die Landesregierung es durch die FrühV gewährleistet, dass auch zukünftig die Frühförderung flächendeckend und wohnortnah erbracht werden kann?

Zu Frage 7: Ja.

Wie beurteilt die Landesregierung in diesem Zusammenhang die Problematik, dass Frühförderzentren in der Regel in der Kreisstadt angesiedelt werden?

Zu Frage 8: Beschwerden über die örtliche Lage der 12 Frühförderstellen im Lande sind bislang nicht bekannt geworden. Im Übrigen geschieht die Arbeit der Frühförderstellen überwiegend in mobiler Form als Hausfrühförderung.

Wie beurteilt die Landesregierung in diesem Zusammenhang die Problematik, dass die Wahl der Eltern für einen Therapeuten für ihr Kind eingeschränkt ist, da der behandelnde Therapeut im Vertragsverhältnis zum regionalen Frühförderzentrum stehen muss?

Zu Frage 9: Auch bisher konnten die Eltern die Therapeutinnen, Therapeuten, die in den Frühförderstellen entsprechende Leistungen durchführten, dort nicht auswählen. Insofern hat sich die Situation auch jetzt nicht grundlegend verändert. Vielmehr ist gewährleistet, dass eine Zusammenarbeit und eine Vernetzung der medizinischen und sozialpädagogischen Therapien vorliegen. Da die Förder- und Behandlungspläne entsprechend überprüft und angepasst werden, ist die Wahrscheinlichkeit, dass den behinderten oder von Behinderung bedrohten Kindern die für sie besten Maßnahmen angeboten werden deutlich gestiegen.