Durchschnittliche Verfahrensdauer bei Gerichten

Vorbemerkung des Fragestellers: „Die Justizministerien der Länder erstellen jedes Jahr Statistiken über die Geschäftsentwicklungen bei Gerichten und Staatsanwaltschaften, woraus sowohl die Anzahl als auch die Dauer der Verfahren hervorgehen."

Wie hoch ist die durchschnittliche Verfahrensdauer im gesamten Bundesgebiet sowie in den einzelnen Bundesländern, aufgeschlüsselt nach Gerichtsarten, Staatsanwaltschaften, Verfahrensarten und Jahren seit 2004?

Zu Frage 1: Die Zahlen zu den Verfahrensdauern bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften seit dem Jahr 2004 sind ­ soweit verfügbar ­ aus der als Anlage beigefügten Übersicht zu entnehmen.

Welche Ursachen sieht die Landesregierung für die statistisch ermittelten Verfahrensdauern im Einzelnen, insbesondere dort, wo die Verfahrensdauer im Saarland über dem Bundesschnitt liegt?

Zu Frage 2: Die Verfahrensdauer im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit der Saarländischen Justiz ist ­ wie auch schon zum Zeitpunkt der Antwort der Landesregierung vom 12.10.2005 (LT-Drs. 13/621) ­ uneinheitlich.

Bei den amtsgerichtlichen Zivilsachen liegt die Verfahrensdauer 20 Tage über dem Bundesdurchschnitt. Eindeutige Ursachen sind nicht zu erkennen.

Die Verfahrensdauer bei den amtsgerichtlichen Familiensachen liegt weiterhin deutlich unter dem Bundesschnitt.

Die Verfahrensdauer der amtsgerichtlichen Strafsachen lag im Jahr 2004 in etwa im Bundesschnitt und in den Jahren 2005 und 2006 über dem Bundesschnitt. Maßgeblich für die Überschreitung des Bundesschnitts sind vor allem die längeren Verfahrensdauern beim Amtsgericht Saarbrücken, die sich auf den Landesdurchschnitt auswirken.

Ursachen für die längere Verfahrensdauer beim Amtsgericht Saarbrücken sind die Konzentration aller Jugendschöffengerichtssachen, der Betäubungsmittelsachen sowie die weitgehende Konzentration der Haftsachen. Zudem wird die weit überwiegende Zahl der langwierigen Wirtschaftsstrafsachen beim Amtsgericht Saarbrücken angeklagt. Landesweit dürften die Gründe insbesondere darin liegen, dass die Urteilsquote im Saarland deutlich über dem Bundesschnitt lag, im Jahr 2006 beispielsweise bei den Jugendrichter- und Jugendschöffensachen bundesweit am höchsten, bei den Strafrichtersachen an zweiter Stelle. Zudem liegt die Urteilsaufhebungs- bzw. Urteilsänderungsquote der in die Berufung gelangten amtsgerichtlichen Strafsachen deutlich unterhalb des Bundesschnitts (Bund: 65,02 %, Saarland: 49,79 %), was für eine höhere Qualität der Entscheidungen spricht.

In den amtsgerichtlichen Bußgeldsachen konnte die im Jahr 2004 noch über dem Bundesschnitt liegende Verfahrensdauer deutlich verkürzt werden, so dass sie im Jahr 2005 bundesweit auf dem niedrigsten Stand lag. Auch im Jahr 2006 konnte im Ländervergleich die zweitkürzeste Verfahrensdauer erreicht werden.

Hervorzuheben ist, dass gerade das Amtsgericht Saarbrücken sich dem bundesweiten Vergleich stellt. Es nimmt an dem sog. „Vergleichsring Große Amtsgerichte" teil, in dem mit den Amtsgerichten Bremen, Hannover, Potsdam, Berlin/Charlottenburg, Berlin/Tiergarten und Berlin/Tempelhof u. A. auch Ursachen für längerer Erledigungszeiten untersucht werden.

Dass die Verfahrensdauer in den erstinstanzlichen Zivilsachen bei dem Landgericht in den Jahren 2004 bis 2007 sich dem Bundesdurchschnitt annäherte, aber noch immer über dem Bundesschnitt lag, dürfte vor allem auf eine im Bundesvergleich qualitativ besonders hochwertige Verfahrensbearbeitung zurückzuführen sein. Denn die Urteilsaufhebungsquote im Saarland liegt bei den vom Landgericht entschiedenen Fällen jeweils deutlich unter dem Bundesschnitt (Saarland: 2004: 35,5% [Rang 2]; 2005: 37,0% [Rang 1]; 2006: 36,2% [Rang 2] demgegenüber Bund 2004: 51,0%; 2005: 52,7%; 2006: 53,2%). Daneben spielt auch die geringere Quote sonstiger Erledigungen und eine dementsprechend höhere Urteils- und Vergleichsquote eine Rolle.

In den landgerichtlichen Strafsachen lag die Verfahrensdauer dagegen in den Jahren 2004 bis 2006 (mit Ausnahme der Berufungen in Strafsachen im Jahre 2005) deutlich unter dem Bundesschnitt. Das Landgericht belegte dabei im Bundesvergleich jeweils den ersten oder zweiten Rang.

Die Verfahrensdauer der Berufungen in Zivil- und Familiensachen beim Oberlandesgericht lag in den Jahren 2004 bis 2006 über dem Bundesschnitt, ebenso die Verfahrensdauer der Rechtsbeschwerden und Revisionen in Strafsachen in den Jahren 2005 und 2006. Im Jahr 2007 konnte die Verfahrensdauer der Rechtsbeschwerden und Revisionen in Strafsachen allerdings wieder auf das Niveau des Jahres 2004 und damit unter den Bundesdurchschnitt gesenkt werden. Die Gründe für die teilweise über dem Bundesdurchschnitt liegenden Verfahrensdauern dürften in einer besonders gründlichen Sach- und Rechtsprüfung durch die Senate des Oberlandesgerichts liegen und damit Ausfluss der richterlichen Unabhängigkeit sein.

So wird nach Auskunft des Präsidenten des Saarländischen Oberlandesgerichts in den zivil- und familienrechtlichen Berufungsverfahren von der Möglichkeit einer Zurückweisung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO im Vergleich zu anderen Oberlandesgerichten nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht (Saarland: 2004: 1,0%; 2005: 4,3%; 2006: 6,8%; demgegenüber Bund: 2004: 11,0%; 2005: 12,1%; 2006: 14,0%), um zu verhindern, dass den Parteien über Gebühr das rechtliche Gehör und die Möglichkeit einer Überprüfung in einer weiteren Instanz abgeschnitten wird. Bezüglich der Strafsachen ist darauf zu verweisen, dass die Verfahrensdauer aufgrund der geringen Fallzahlen in diesem Bereich schon bei geringfügigen Veränderungen vergleichsweise hohen Abweichungen unterliegt. In der Sache ist die höhere Verfahrensdauer der Jahre 2005 und 2006 mit der längeren Erkrankung eines Richters zu erklären.

In der Fachgerichtsbarkeit lagen die Verfahrensdauern der Jahre 2004 bis 2006 zumeist unter oder zumindest im Bereich des Bundesdurchschnitts.

Die Entwicklung der Verfahrensdauer im Bereich der Arbeitsgerichtsbarkeit ist unauffällig. Die Zahlen des Landesarbeitsgerichts liegen jeweils unter dem Bundesschnitt.

Die Arbeitsgerichte lagen im Jahr 2005 exakt im Bundesschnitt, in den Jahren 2004 und 2006 geringfügig über dem Bundesschnitt. Die geringfügige Überschreitung des Bundesschnitts in den Jahren 2004 und 2006 ist nach Auskunft des Präsidenten des Landesarbeitsgerichts auf längere krankheitsbedingte Ausfälle von Richtern zurückzuführen.

Das Verwaltungsgericht konnte in den Jahren 2004 bis 2006 in allen Geschäftsbereichen fast ausnahmslos deutlich kürzere Verfahrensdauern als der Bundesdurchschnitt verzeichnen. Die lediglich im Jahr 2005 geringfügig überdurchschnittliche Verfahrensdauer bei den Hauptverfahren in Asylsachen stellt einen Ausreißer dar.

Auch das Oberverwaltungsgericht hat in der überwiegenden Zahl der Geschäftsbereiche deutlich unter dem Bundesschnitt liegende Verfahrensdauern vorzuweisen.

Lediglich die Asylsenate lagen über dem Bundesschnitt, wobei allerdings die Verfahrensdauer von 2004 bis 2006 deutlich gesenkt werden konnte (von 9,4 auf 6,8 Monate). Das Oberverwaltungsgericht hat im Bereich des Asylrechts nur kleine Eingangszahlen. Der Grundaufwand indes ist hoch. Die Bedingungen des Herkunftslandes (politisches System, religiöse Ausrichtung, soziale Strukturen, wirtschaftliche Lage) müssen ermittelt werden, unabhängig davon, ob das Ermittlungsergebnis für eines oder eine Vielzahl gerichtlicher Verfahren benötigt wird.

Das Sozialgericht lag bei der Verfahrensdauer lediglich in den Jahren 2005 und 2006 leicht über dem Bundesschnitt. Im Jahr 2007 konnte die Verfahrensdauer demgegenüber wieder gesenkt werden und lag sogar weit unter dem Schnitt des Jahres 2004.

Die Ursachen für die etwas höheren Verfahrensdauern im Jahr 2005 und 2006 dürften in ungewöhnlich langen Ausfällen von 2 Richtern (insgesamt 76 Arbeitstage, also fast 4 Monate) sowie in spezifischen verfahrensrechtlichen Besonderheiten liegen.

Die bei dem Landessozialgericht festzustellenden längeren Verfahrensdauern sind damit zu erklären, dass in den Jahren 2004 bis 2006 zahlreiche Altverfahren erledigt worden sind, die erst nach Abschluss in die Statistik eingehen und sodann die durchschnittliche Verfahrensdauer ansteigen lassen.