Gesetz zur Reform der saarländischen Verwaltungsstrukturen ­ Verwaltungsstrukturreformgesetz (VSRG)

A. Problem und Ziel:

Durch die Gebiets- und Verwaltungsreform von 1974 und das am 1. Januar 1997 in Kraft getretene Gesetz zur Kommunalisierung unterer Landesbehörden wurden im Saarland die Grundlagen für die heutigen Gebiets- und Verwaltungsstrukturen geschaffen. Bedingt durch den erkannten weiteren Reformbedarf beauftragte das Ministerium für Inneres, Familie, Frauen und Sport (MIFFS) am 3. November 2003 in Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden das internationale Institut für Staats- und Europawissenschaften, Prof. Dr. Joachim Jens Hesse, ISE, ein Gutachten zur Überprüfung der kommunalen Verwaltungsstrukturen im Saarland zu erstellen (nachfolgend: Hesse-Gutachten).

Die kommunale Gebiets- und Verwaltungsreform von 1974 sollte vor dem erklärten Ziel der Landesregierung, die Handlungsfähigkeit der Kommunen und des Landes trotz der sich zuspitzenden Finanzkrise zu erhalten, auf den Prüfstand gestellt werden. Erwartet wurden unabhängige, auf einer umfassenden und nachvollziehbaren Aufgabenkritik beruhende Empfehlungen für eine Verwaltungsreform im Saarland.

Gegenstand der Bewertung und Analyse war, festzustellen, ob die bestehenden administrativen und territorialen Strukturen geeignet seien, die ihnen obliegenden Aufgaben und die an sie gestellten Anforderungen jetzt und zukünftig unter der Bedingung einer effizienteren Umsetzung wahrnehmen zu können. Methodisch sollte die Analyse auf einer umfassenden Aufgabenkritik basieren und, falls das Ergebnis dieser Aufgabenkritik hierfür Anlass gäbe, in einer Anschlussuntersuchung die Notwendigkeit verstärkter interkommunaler Zusammenarbeit und/oder einer Änderung des territorialen Zuschnitts auf kommunaler Ebene untersuchen und so einen konstruktiven Optimierungsprozess initiieren.

Der vorgelegte Gesetzentwurf dient dazu, die Maßnahmen, die unter Federführung des MIFFS in enger Abstimmung mit den Fachressorts auf Grundlage des Gutachtens entwickelt wurden umzusetzen. Hierbei werden folgende Schwerpunkte gesetzt:

Erhöhung von Effizienz des Staats- und Verwaltungshandelns sowie sonstiger öffentlicher Tätigkeiten, Umsetzung des sog. „modifizierten Staatsmodells, mittels dessen einerseits unter besonderer Berücksichtigung der Erfüllung staatlicher Aufgaben Know-how und Kompetenzen beim Land gebündelt werden und andererseits eine stärkere Bürgernähe bewirkt wird. Hieraus resultiert eine Verschlankung der Gemeindeverbandsebene im Aufgabensektor, wobei die verfassungsrechtliche Garantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG beachtet wird. Bewirkt wird dies durch eine Hochzonung bislang von den Kreisen und dem Stadtverband wahrgenommener Auftragsangelegenheiten zurück auf die staatliche Ebene, Neuordnung der Region Saarbrücken durch Umgestaltung des Stadtverbandes in den Regionalverband Saarbrücken, Errichtung eines Landesverwaltungsamtes.

Ziel all dieser Maßnahmen ist die langfristige und nachhaltige Schaffung einer Effizienzrendite von 20 %. Ausgangspunkt und Basis aller Neuregelungen von Zuständigkeiten und Kompetenzen im kommunalen Sektor ist die defizitäre Haushaltslage der meisten gemeindeverbandsangehörigen Gemeinden und der diese reflektierenden Rechtsprechung des OVG, die es verbietet, freiwillige Aufgaben über die Kreisumlage zu finanzieren, wenn dadurch auch nur eine kreis-/stadtverbandsangehörige Gemeinde in ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit gefährdet würde.

Eine Konsequenz der somit gebotenen Entlastung der Gemeindeverbandsumlage ist die Hoch- bzw. Herabzonung von zur Zeit auf Gemeindeverbandsebene angesiedelten Aufgaben.

Eine weitere Konsequenz ist eine Änderung der Aufgabenzuständigkeit der Gemeindeverbände („im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereichs", Art. 28 Abs. 2 GG): Im Hinblick auf die gebotene Flexibilität der Gemeindeverbände bei der Erledigung von Selbstverwaltungsaufgaben („atmende Verwaltung") lässt der Gesetzentwurf den Grundsatz der Allzuständigkeit der Kreise und des künftigen Regionalverbandes für die überörtlichen Aufgaben grundsätzlich unberührt. Die Wahrnehmung örtlicher Aufgaben als Ausdruck der den Gemeindeverbänden allgemein beigemessenen Ausgleichs- und Ergänzungsfunktion darf jedoch nur noch im Rahmen einer institutionalisierten Zusammenarbeit mit den angehörigen Gemeinden wahrgenommen werden. Dabei wird die Kostenbeteiligung des Gemeindeverbandes insgesamt auf eine Quote von maximal 40 % (bei Beteiligung aller Gemeinden, bei Beteiligung nur einzelner lediglich 20 %) reduziert, im künftigen Regionalverband und in den Gemeindeverbänden kann in Ausnahmefällen eine Kostenübernahme bis zu 100 % zulässig sein.

Die Vorgabe der Rechtsprechung des OVG Saarlouis wird u. a. auch dadurch berücksichtigt, dass die Erledigung freiwilliger Aufgaben teilweise unter den Vorbehalt der Haushaltslage der verbandsangehörigen Gemeinden gestellt wird. Danach dürfen die Kreise und der Regionalverband freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben nur erfüllen, wenn bei keiner kreis- oder verbandsangehörigen Gemeinde die dauernde Leistungsfähigkeit gefährdet oder gar beeinträchtigt ist. Von dieser Beschränkung ausgenommen sind die Bereiche Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV), Tourismusförderung und Ehrenamtsbörse. Eine Ausnahme gilt weiterhin für die Fälle der o. g. kommunalen Zusammenarbeit zwischen Gemeindeverbänden und Gemeinden.

Flankiert werden die mit dem Verwaltungsstrukturreformgesetz verfolgten Ziele durch eine Reform des Kommunalwahlrechts: Die Gesetzesinitiative von CDU- und SPDFraktion hat zum Ziel, die Direktwahlen der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, der Landrätinnen und Landräte sowie der künftigen Regionalverbandsdirektorin bzw. des Regionalverbandsdirektors mit den allgemeinen Kommunalwahlen zu bündeln, um so eine höhere Wahlbeteiligung zu erreichen und synergetisch eine stärkere demokratische Legitimation der Gewählten zu begründen. Ein weiteres Ziel sind finanzielle Einsparungen bei den Wahlkosten der kommunalen Gebietskörperschaften. Im Zuge der Wahlrechtsreform wird die Amtszeit der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, der Landrätinnen und Landräte sowie der Regionalverbandsdirektorin bzw. des Regionalverbandsdirektors in Anlehnung an die 5-jährige Wahlperiode der Kommunalwahlen 10 Jahre betragen.

Nicht Gegenstand des Verwaltungsstrukturreformgesetzes, gleichwohl aber Bestandteil des Hesse-Gutachtens und des Reformvorhabens insgesamt, sind die Ansätze zur Förderung interkommunaler Kooperationen und - bei ausdrücklicher Berücksichtigung der bundesrechtlichen Zielvorgaben - zur Nutzung von Handlungsspielräumen in der Sozial- und Jugendhilfe, die parallel verfolgt werden.

Die Umsetzung von Vorschlägen zur Fortentwicklung des kommunalen Finanzausgleich unter Berücksichtigung des ifo-Gutachtens bleibt einem eigenen Gesetzgebungsverfahren vorbehalten.

B. Lösung Verabschiedung des Gesetzes zur Reform der saarländischen Verwaltungsstrukturen ­ Verwaltungsstrukturreformgesetz (VSRG).

C. Alternativen Keine, da zu einer Neuordnung der Verwaltungsstrukturen im Saarland keine Alternative besteht. Soweit untergesetzliche Maßnahmen angezeigt und zulässig sind, werden diese umgesetzt. Die vorstehend beschriebenen Reformziele allerdings sind nur durch Parlamentsgesetz umsetzbar. Weitere Modernisierungsansätze, die allerdings keine Alternativen zu den gesetzlich zu treffenden Festlegungen darstellen können, betreffen die Überprüfung der Aufgaben selbst im Sinne eines strategischen Controllings („Machen wir die richtigen Dinge?").

D. Finanzielle Auswirkungen.

1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand:

Wirkungen der Reform:

Die finanzielle Entlastung von Land, Gemeindeverbänden und Gemeinden, d.h. eine Verbesserung des Saldos aus Ausgaben und Einnahmen (nachfolgend: „Einsparungen") ist erklärtes Reformziel. Auch für nachfolgende Generationen sollen bezahlbare Leistungen bereitgestellt werden können. Da die staatlichen und kommunalen Aufgaben selbst, insbesondere ihre materiellrechtlichen Grundlagen, grundsätzlich unverändert bleiben, ergeben sich die Einsparungen grundsätzlich durch Effizienz- und Effektivitätssteigerungen auf Grund struktureller Veränderungen und durch die Herbeiführung der Übereinstimmung von Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung.