Sozialhilfe

Landtag des Saarlandes - 13. Wahlperiode - 49 Darüber hinaus werden jungen Untersuchungsgefangenen mindestens vier Stunden Besuch im Monat gewährt und ihnen wöchentlich mindestens zwei Stunden sportliche Betätigung ermöglicht.

d) Die Untersuchungsgefangenen sind nicht zur Arbeit verpflichtet. Jedoch soll ihnen nach Möglichkeit Arbeit oder sonstige Beschäftigung angeboten oder bei entsprechender Eignung Gelegenheit zum Erwerb oder zur Verbesserung schulischer und beruflicher Kenntnisse gegeben werden. Für die Ausübung einer Arbeit oder sonstigen Beschäftigungsmaßnahme erhalten die Untersuchungsgefangenen dieselbe Vergütung wie Strafgefangene. Dies ist sachgerecht und soll die Untersuchungsgefangenen motivieren.

e) Bedürftigen Untersuchungsgefangenen wird auf Antrag ein Taschengeld gewährt, wenn ihnen weder Arbeit noch die Teilnahme an einer Beschäftigungsmaßnahme angeboten werden kann. Die Gewährung eines Taschengeldes entspricht einer praktischen Notwendigkeit, da bedürftige Untersuchungsgefangene in der Regel von den zuständigen Sozialämtern in der oft relativ kurzen Zeit der Inhaftierung keine entsprechenden Sozialleistungen erhalten. Die zeitnahe Auszahlung des Taschengeldes an Untersuchungsgefangene soll zu einer Stabilisierung führen und dem Abgleiten in die Subkultur entgegenwirken.

6. Das Gesetz steht mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes in Einklang. Völkerrechtliche Vorgaben und internationale Standards mit Menschenrechtsbezug wie der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 1966 und die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 sind beachtet worden.

Darüber hinaus erfüllt das Gesetz die Forderungen des Übereinkommens der Vereinten Nationen (VN) über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989 und des VN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984. Auch hat sich das Gesetz an den VN-Regeln über die Mindestgrundsätze für die Behandlung der Gefangenen von 1955, zur Jugendgerichtsbarkeit vom 29. November 1985 und zum Schutze von Jugendlichen, denen ihre Freiheit entzogen ist, vom 14. Dezember 1990 orientiert. Schließlich sind die Empfehlungen des Europarats zum Freiheitsentzug, wie etwa die Empfehlung Rec (2006)2 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten über die Europäischen Strafvollzugsgrundsätze vom 11. Januar 2006 sowie der 9. Allgemeine Bericht des Anti-Folter Komitees (CPT) von 1998 zu Jugendlichen unter Freiheitsentzug beachtet worden. Darüber hinaus fand auch die Empfehlung des Ministerkomitees des Europarates zur Untersuchungshaft Rec (2006)13 vom 27. September 2006 Berücksichtigung bei der Erstellung dieses Gesetzes.

III. Kosten

Um den Anforderungen an einen zeitgemäßen und humanen Untersuchungshaftvollzug gerecht zu werden und eine Schlechterstellung von Untersuchungs- gegenüber Strafgefangenen zu verhindern, sind finanzielle Mehraufwendungen unumgänglich.

Personal- bzw. Sachkosten entstehen in geringem Umfang aufgrund der folgenden Regelungen:

· Angleichung des Arbeitsentgelts und der Ausbildungsbeihilfe

· Gewährung von Taschengeld bei Bedürftigkeit

· Erhöhung der Besuchszeit auf mindestens zwei Stunden im Monat für erwachsene Untersuchungsgefangene

B. Im Einzelnen:

Zum Abschnitt 1 (Allgemeine Bestimmungen)

Zu § 1 (Anwendungsbereich)

Nach Absatz 1 regelt das Gesetz den Vollzug der Untersuchungshaft, die auf einem Haftgrund der §§ 112, 112a StPO beruht. Untersuchungshaft kann sowohl gegen jugendliche und heranwachsende als auch gegen erwachsene Personen angeordnet werden.

Absatz 2 enthält eine Aufzählung der Haftarten, auf die das Gesetz entsprechende Anwendung findet. Es sind Haftarten, die ebenfalls der Durchführung eines geordneten Verfahrens dienen. Keine Anwendung findet das Gesetz auf die Abschiebungshaft, da es den Ländern insoweit bereits an der Regelungskompetenz fehlt.

Absatz 3 regelt den Vollzug der einstweiligen Unterbringung. Die Bestimmung verweist auf das Saarländische Unterbringungsgesetz nebst Verwaltungsvorschriften und entspricht der derzeitigen Rechtslage (Nr. 90 Abs. 2 Untersuchungshaftvollzugsordnung).

Zu § 2 (Aufgabe des Untersuchungshaftvollzugs)

Die Bestimmung beschreibt die Aufgabe des Untersuchungshaftvollzugs, durch sichere Unterbringung der Untersuchungsgefangenen die Durchführung eines geordneten Strafverfahrens zu gewährleisten und der Gefahr weiterer Straftaten zu begegnen. Der Untersuchungshaftvollzug hat eine lediglich dienende Funktion. Einen Behandlungsauftrag wie der Strafvollzug hat der Untersuchungshaftvollzug aufgrund der Unschuldsvermutung nicht. Allerdings soll der Untersuchungshaftvollzug an jungen Untersuchungsgefangenen erzieherisch ausgestaltet werden.

Zu § 3 (Zuständigkeit und Zusammenarbeit) Absatz 1 Satz 1 weist der Anstalt für den gesamten Bereich des Untersuchungshaftvollzugs, d. h. für alle Entscheidungen, die die Ausgestaltung des Untersuchungshaftvollzugs und die Anordnung von Maßnahmen aus Gründen der Sicherheit und Ordnung der Anstalt betreffen, eine eigene Zuständigkeit zu. Nach diesem Gesetz hat das Gericht anders als bisher nach § 119 Abs. 6 StPO keine Zuständigkeit mehr für vollzugliche Belange. Insoweit wird der bisher nach Artikel 125a Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes fortgeltende § 119 StPO durch Landesrecht ersetzt. Diese Kompetenzverteilung führt zu einer Vereinfachung und Beschleunigung vollzuglicher Entscheidungen, da die Anstalt als die sachnähere Behörde die Entscheidung unmittelbar treffen kann.

Zugleich werden die Gerichte von Entscheidungen entlastet, die für das Strafverfahren selbst ohne Bedeutung sind.

Anstalt im Sinne dieses Gesetzes ist jede Justizvollzugsanstalt, in der Untersuchungshaft vollzogen wird. Dies wird dem Umstand gerecht, dass keine eigenständigen Untersuchungshaftvollzugsanstalten existieren.

Absatz 1 Satz 2 verpflichtet die Anstalt, mit Gericht und Staatsanwaltschaft eng zusammenzuarbeiten. Die Bestimmung beinhaltet ein umfassendes Kooperationsgebot.

Absatz 2 stellt sicher, dass Anordnungen nach der Strafprozessordnung, die regelmäßig vom Gericht, im Eilverfahren jedoch auch von der Staatsanwaltschaft oder der Anstalt getroffen werden, von der Anstalt beachtet und umgesetzt werden. Diese werden vom Gesetz zusammenfassend als „verfahrenssichernde Anordnungen" definiert. Die für die Umsetzung erforderlichen Ermächtigungsgrundlagen finden sich in einschlägigen Einzelbestimmungen des Gesetzes und in der Generalklausel des § 4 Abs. 2.

Zu § 4 (Stellung der Untersuchungsgefangenen)

Der bereits in Artikel 6 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention normierte Grundsatz der Unschuldsvermutung ist Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips und prägt entscheidend die gesamte Gestaltung des Untersuchungshaftvollzugs. Er wird deshalb in Absatz 1 besonders hervorgehoben und den nachfolgenden Bestimmungen ausdrücklich vorangestellt.

Absatz 2 stellt die Generalklausel für Beschränkungen dar, für die das Gesetz keine besondere Regelung vorsieht. Für Eingriffe aufgrund der Generalklausel sieht das Gesetz erhöhte Anforderungen vor. Sie unterliegen einer besonders strengen Prüfung der Mittel-Zweck-Relation.

Zu § 5 (Vollzugsgestaltung) Absatz 1 Satz 1 bestimmt, dass das Leben im Vollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen so weit wie möglich anzugleichen ist (so genannter Angleichungsgrundsatz). Einschränkungen, die den Untersuchungsgefangenen auferlegt werden, müssen durch die Aufgabe des Untersuchungshaftvollzugs oder die Erfordernisse eines geordneten Zusammenlebens in der Anstalt begründet werden.

Soweit der Angleichung Grenzen gesetzt sind, kommt es darauf an, den schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs entgegenzuwirken (Absatz 1 Satz 2, so genannter Gegensteuerungsgrundsatz). Beim Vollzug der Untersuchungshaft kommt dem besondere Bedeutung zu, da die Inhaftierung die Untersuchungsgefangenen meist unvorbereitet aus ihrem Lebensumfeld herausreißt, was häufig eine psychische und soziale Ausnahmesituation zur Folge hat. Für den Staat ergibt sich daraus eine besondere Fürsorgepflicht gegenüber den Untersuchungsgefangenen.

Ergänzende Bestimmungen für die Gestaltung des Vollzugs an jungen Untersuchungsgefangenen finden sich insbesondere in § 67. Absatz 2 legt fest, dass unter Beachtung von Artikel 3 Abs. 2 und 3 des Grundgesetzes Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Untersuchungsgefangenen berücksichtigt werden.

Zu § 6 (Soziale Hilfe) Absatz 1 geht davon aus, dass die Untersuchungsgefangenen grundsätzlich ihre Angelegenheiten eigenverantwortlich regeln. Die Anstalt ist jedoch verpflichtet, die Untersuchungsgefangenen bei der Lösung ihrer Probleme zu unterstützen. Diese Verpflichtung ist Ausprägung des Sozialstaatsprinzips. Die Untersuchungsgefangenen sollen bei der Entwicklung von Eigeninitiative und der Übernahme von Verantwortung gefördert werden. Dies bedeutet Hilfe zur Selbsthilfe, um nachteilige Auswirkungen der Inhaftierung zu mildern und den Übergang in die Freiheit nach der Entlassung zu erleichtern.