Jugendamt

Landtag des Saarlandes - 13. Wahlperiode - 55 Zum Abschnitt 3 (Unterbringung und Versorgung der Untersuchungsgefangenen)

Zu § 11 (Trennungsgrundsätze) Absatz 1 Satz 1 sieht in Anknüpfung an die bisher geltende Regelung eine Trennung der Untersuchungsgefangenen von Gefangenen anderer Haftarten, insbesondere von Strafgefangenen, vor.

Ausnahmen von dem Trennungsgrundsatz sind nach Satz 2 zulässig mit Zustimmung der Untersuchungsgefangenen (Nummer 1), zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung (Nummer 2) oder aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt (Nummer 3). Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 berücksichtigen, dass unabhängig von der Zustimmung der Untersuchungsgefangenen eine strikte Trennung von Untersuchungsgefangenen und Strafgefangenen in der Praxis nicht ausnahmslos möglich ist.

Satz 3 eröffnet die Möglichkeit, den im Vollzug der Untersuchungshaft in einzelnen Bereichen (beispielsweise im Frauenvollzug) auftretenden Schwierigkeiten hinsichtlich einer Vereinzelung der Untersuchungsgefangenen und der Bereitstellung ausreichender vollzuglicher Angebote durch eine Lockerung des Trennungsgebots Rechnung zu tragen, sofern nicht eine verfahrenssichernde Anordnung entgegensteht. Ein Anspruch von Untersuchungsgefangenen auf eine solche Maßnahme ergibt sich aus dieser Bestimmung nicht. In jedem Fall erfolgt der Vollzug der Untersuchungshaft nach diesem Gesetz.

Absatz 2 hat die Trennung von jungen Untersuchungsgefangenen von den übrigen Untersuchungsgefangenen und Gefangenen anderer Haftarten zum Gegenstand. Er berücksichtigt, dass eine strenge Trennung im Sinne des Absatzes 1 auch für junge Untersuchungsgefangene Nachteile mit sich bringen kann. Vor dem Hintergrund, dass oft in kleinen Abteilungen für junge Untersuchungsgefangene ein den Anforderungen des § 67 Abs. 2 gerecht werdendes Angebot an entwicklungsfördernden Maßnahmen nicht gewährleistet werden kann, eröffnet Absatz 2 die Möglichkeit einer von Absatz 1 abweichenden Unterbringung. Dies darf allerdings nicht dazu führen, dass jugendspezifischen Bedürfnissen keine Beachtung mehr geschenkt wird. Die entwicklungsfördernde Vollzugsgestaltung muss gewährleistet sein und die jungen Untersuchungsgefangenen dürfen keinen schädlichen Einflüssen ausgesetzt werden.

Absatz 4 ermöglicht Untersuchungsgefangenen den Zugang zum Arbeits- und Bildungsangebot der Anstalt sowie zu geeigneten Behandlungs- oder Freizeitmaßnahmen. Das auf der Unschuldsvermutung beruhende Trennungsgebot nach Absatz 1 Satz 1 und die Trennungsgebote nach Absatz 2 Satz 1 und Absatz 3 sollen nicht dazu führen, dass Untersuchungsgefangenen allein aufgrund ihres Status oder ihres Geschlechts ein nur sehr eingeschränktes Angebot zur Verfügung steht. Eine ausdrückliche Zustimmung der Untersuchungsgefangenen ist entbehrlich, weil sie zur Teilnahme an solchen Maßnahmen ohnehin nicht verpflichtet sind.

Zu § 12 (Unterbringung während der Arbeit, Bildung und Freizeit)

Die Bestimmung regelt die Unterbringung der Untersuchungsgefangenen außerhalb der Ruhezeit.

Arbeit und Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung finden in den Anstalten regelmäßig in Gemeinschaft statt (Absatz 1).

Auch in der Freizeit (Absatz 2) ist es wichtig, dass sich Untersuchungsgefangene in der Regel gemeinsam mit anderen aufhalten können, um ihrem natürlichen Bedürfnis nach Kontakt zu anderen Menschen auch während dieser Zeit nachzukommen. Andererseits ist bei der Ausgestaltung des Aufschlusses zu berücksichtigen, dass subkulturellen Entwicklungen entgegengewirkt werden soll.

Absatz 3 ermöglicht eine Einschränkung der gemeinschaftlichen Unterbringung, wenn dies im Einzelfall zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung oder im Interesse eines geordneten Zusammenlebens in der Anstalt erforderlich ist. Dabei ist zu beachten, dass die Einschränkung der gemeinsamen Unterbringung nach dieser Bestimmung nicht dazu führen darf, dass betroffene Untersuchungsgefangene von jeglichen Kontakten zu Mitgefangenen ausgeschlossen werden. Anordnungen der „Absonderung von anderen Gefangenen" oder der „Einzelhaft" kommen nur unter den besonderen Voraussetzungen von § 49 Abs. 2 Nr. 3 bzw. von § 50 in Betracht.

Zu § 13 (Unterbringung während der Ruhezeit) Absatz 1 Satz 1 schreibt regelmäßig die Einzelunterbringung während der Ruhezeit vor. Dies dient dem Schutz der Privat- und Intimsphäre und dem Schutz vor wechselseitigen Übergriffen.

Satz 2 gestattet eine gemeinsame Unterbringung, wenn die Untersuchungsgefangenen zustimmen. Die Anstalt hat im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung darauf zu achten, dass von der gemeinsamen Unterbringung keine schädlichen Auswirkungen auf die Untersuchungsgefangenen ausgehen. Außerdem wird sie bei der Auswahl der für eine gemeinsame Unterbringung geeigneten Untersuchungsgefangenen erhebliche Sorgfalt aufzuwenden haben.

Die Ausnahmeregelung in Satz 3 lässt insbesondere die Unterbringung in Krankenabteilungen und Vollzugskrankenhäusern zu, weil dort eine gemeinschaftliche Unterbringung nicht von einer Zustimmung der Untersuchungsgefangenen abhängig gemacht werden kann. Sie erfasst aber auch die Fälle, in denen beispielsweise suizidgefährdete Untersuchungsgefangene zu ihrem Schutz gemeinsam mit anderen (nicht gefährdeten) Gefangenen in einem Haftraum untergebracht werden. Wegen der hiermit gegebenenfalls verbundenen Belastungen für die anderen Gefangenen ist deren Zustimmung erforderlich.

Gelegentliche Belegungsspitzen können über Absatz 2 aufgefangen werden.

Zu § 14 (Unterbringung von Müttern mit Kindern)

Die Bestimmung schafft die rechtliche Möglichkeit, Säuglinge und Kleinkinder gemeinsam mit ihrer inhaftierten Mutter unterzubringen. Es besteht kein Rechtsanspruch auf die Bereitstellung derartiger Haftplätze. Im Hinblick auf die besonderen Anforderungen an die baulichen und auch personellen Voraussetzungen für die Unterbringung dieser Kinder im Vollzug und die zu besorgenden Auswirkungen auf sie wird deren Aufnahme einen seltenen Ausnahmefall darstellen.

Weibliche Untersuchungsgefangene, die durch die Inhaftierung von ihren Säuglingen oder Kleinkindern getrennt werden, sind zum Teil besonders haftempfindlich. Auch ihre Kinder leiden in der Regel unter dem Verlust der Bindung oder der fehlenden Nähe zu ihrer Mutter. Deshalb ermöglicht die Bestimmung die gemeinsame Unterbringung von Müttern mit ihren Kindern. Eine vergleichbare Situation besteht im Verhältnis inhaftierter Väter zu ihren Kindern nicht.

Vor der Unterbringung der Kinder ist das Jugendamt zu beteiligen, das unter anderem zu beurteilen haben wird, ob die gemeinsame Unterbringung dem Kindeswohl entspricht. Die Beteiligung wird durch die verwaltungsübliche Form der Anhörung sichergestellt. Auch während der Unterbringung ist das Jugendamt zu beteiligen, soweit das Kindeswohl dies gebietet (vgl. § 8a des Achten Buchs Sozialgesetzbuch).

Zu § 15 (Persönlicher Gewahrsam, Kostenbeteiligung)

Die Bestimmung bindet die Überlassung von Sachen an die Zustimmung der Anstalt, trifft jedoch keine Aussage darüber, ob und wann die Untersuchungsgefangenen etwas besitzen dürfen. Die materiellen Voraussetzungen enthält das Gesetz erst in den folgenden Bestimmungen darüber, dass den Untersuchungsgefangenen Sachen zur Ausstattung des Haftraums (§ 16), als private Kleidung (§ 17), als zusätzliche Nahrungsmittel (§ 18), als Annehmlichkeiten (§ 19), zur Information (§§ 27, 28) und zum religiösen Gebrauch (§ 29) gestattet werden können. Diese Bestimmungen ermöglichen es den Untersuchungsgefangenen, ihre Lebensführung im Vollzug der Untersuchungshaft in einem gewissen Rahmen nach persönlichen Vorstellungen auszurichten.

Soweit Absatz 2 Satz 3 die Gutschrift eingebrachten Geldes regelt, gilt dies für Eurobeträge. Geld in anderen Währungen wird zur Habe genommen.

Absatz 5 enthält eine generelle Widerrufsregelung. Sie gilt für jede nach Absatz 1 erteilte Zustimmung, erfasst also auch nach den vorgenannten speziellen Bestimmungen überlassene Sachen (mit Ausnahme des in § 29 Abs. 2 Satz 2 privilegierten Besitzes grundlegender religiöser Schriften). Danach kann die Zustimmung entweder zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung oder zur Aufrechterhaltung der Sicherheit in jedem Fall widerrufen werden, zur Abwendung einer Störung der Anstaltsordnung hingegen nur, wenn erhebliche Gründe vorliegen. Sind Gründe von solchem Gewicht gegeben, werden die im Rahmen der Ermessensentscheidung nach Absatz 5 zu berücksichtigenden Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes nur in seltenen Fällen einem Widerruf entgegenstehen.

In Absatz 6 wird die Möglichkeit der Beteiligung der Untersuchungsgefangenen an den Betriebskosten der in ihrem Gewahrsam befindlichen Geräte geregelt. Die Bestimmung ist als Kann-Regelung ausgestaltet und soll die Möglichkeit einer Kostenbeteiligung in den Fällen eröffnen, in denen die Kosten das Maß dessen übersteigen, was zu einer angemessenen Grundversorgung erforderlich ist. Die Kosten können pauschaliert festgesetzt werden. Die Bestimmung dient dazu, bei den Untersuchungsgefangenen ein Kostenbewusstsein im Umgang mit den in ihrem Gewahrsam befindlichen Geräten zu schaffen. Die Möglichkeit der Kostenbeteiligung trägt damit auch dem Angleichungsgrundsatz Rechnung.

Zu § 16 (Ausstattung des Haftraums)

Die Möglichkeit, den Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Sachen ausstatten zu dürfen (Satz 1), ist für die Untersuchungsgefangenen von grundlegender Bedeutung.

Nach Satz 2 sind zunächst verfahrenssichernde Anordnungen als Ausschlusstatbestand zu berücksichtigen. Weiterhin sind Sachen ausgeschlossen, die den Haftraum unübersichtlich machen. Die Unübersichtlichkeit kann sich aus der Beschaffenheit oder Größe der einzelnen Sachen, aber auch aus deren Häufung ergeben. Sachen, die nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand kontrolliert werden können, sind ebenfalls ausgeschlossen. Die Belange des Brandschutzes sind zu wahren.