Im Zentrum der Förderung stehen Existenzgründer

Landtag des Saarlandes - 14. Wahlperiode - 172 (zu Tn 29) Die Frage, ob der Tatbestand der Existenzgründung bzw. -festigung vorliegt, ist nach hiesiger Einschätzung nicht isoliert aus Sicht der Gesellschaft (Unternehmen), sondern auch aus Sicht des Gesellschafters zu würdigen. Unabhängig der Tatsache, wie lange ein Unternehmen bereits am Markt tätig ist, kann es sich mithin auch bei der Übernahme eines bestehenden Unternehmens oder beim Erwerb einer Beteiligung um eine Existenzgründung handeln, sofern dies für die Person des Gesellschafters (Gründers) das erstmalige Gründen einer selbständigen Existenz darstellt. Auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) qualifiziert neben der Neugründung u. a. auch die Ausgründung, die Übernahme, die Beteiligung, Franchising, Kooperationen, MBO/MBI, etc. als „Gründungsarten" und weist sogar im Zuge einer kürzlich gestarteten Initiative „Gründerland Deutschland" explizit darauf hin, dass „... für viele Gründungswillige... die Übernahme eines Unternehmens eine gute Alternative zur Neugründung [ist]...", da jährlich etwa 8% der Unternehmen, bei denen eine Nachfolge ansteht, aufgegeben werden müssen und hierdurch wichtige Arbeitsplätze verloren gingen.

Die dargestellte Auslegung überzeugt auch bezüglich Sinn und Zweck des Förderprogramms.

Im Zentrum der Förderung stehen Existenzgründer. Diese übernehmen auch bei Übernahme eines etablierten Unternehmens erstmalig eine unternehmerische Verantwortung. Auch wenn die Übernahme bereits bestehender Unternehmensstrukturen für den Existenzgründer einfacher und mit weniger Risiko verbunden zu sein scheint, ergibt sich speziell aus der Praxis ein deutlich differenzierteres Bild. Die Übernahme von bestehenden Strukturen und Mitarbeitern, sowie die damit verbundene ­ oftmals notwendige ­ Umsetzung struktureller Veränderungen führen bisweilen zu ablehnenden Reaktionen seitens der Kunden, der Wettbewerber sowie insbesondere der finanzierenden Banken.

Die Förderung mit Beteiligungskapital erfolgt damit auch vor dem Hintergrund, dass Geschäftsbanken auch Unternehmen mit neuem Gesellschafterkreis Kredite in aller Regel nur sehr zögerlich bereit stellen.

Aus vorstehenden Gründen erscheint grundsätzlich das gesamte Spektrum an Gründungsarten in gleichem Maße förderungswürdig.

(zu Tn 29) In den beanstandeten Fällen hat die Beteiligungsgesellschaft auf die Sicht des maßgeblichen Gesellschafters abgestellt, für den es sich trotz der Übernahme bestehender Strukturen (z.B. Unternehmensübernahme durch den Sohn des Inhabers, MBO-Prozess, etc.) jeweils um eine Existenzgründung handelte.

b) 1:1-Relation

Gemäß den Beteiligungsrichtlinien soll die Beteiligungshöhe die Eigenmittel nicht übersteigen.

Bei dieser sogenannten 1:1-Relation handelt es sich aus Sicht des Rechnungshofes um eine verwaltungs-rechtliche „Soll-Vorschrift", die in der Regel verpflichtenden Charakter habe. Auch sieht der Rechnungshof in der Eigenmitteldefinition der Richtlinien keinen großen Beurteilungsspielraum; vielmehr ließen sich nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Regelung neben dem bilanziellen Eigenkapital nur in hohem Maße eigenkapitalähnliche Finanzmittel den Eigenmitteln zuordnen. Dieser Sichtweise folgend merkt der Rechnungshof an, dass im Rahmen der Einzelfallprüfung mehrere Beteiligungen die 1:1-Relation nicht erfüllt hätten.

Dieser restriktiven Auslegung tritt das Ministerium für Wirtschaft und Wissenschaft in seiner Eigenschaft als Richtliniengeber entgegen.

Die gerade aus der Finanzierungspraxis bekannte Vielfalt an möglichen Fallkonstellationen macht es notwendig, den Rechtsanwendern einen gewissen Beurteilungsspielraum einzugestehen und rechtliche Vorgaben nicht allzu rigide auszugestalten. Aus diesem Grund sehen die Richtlinien vor, dass die stillen Beteiligungen der Beteiligungsgesellschaft die Eigenmittel des Beteiligungsunternehmens zwar nicht übersteigen sollen.

Da sich die in Rede stehende SollFormulierung aber auf der Tatbestandsebene befindet und der unbestimmte Rechtsbegriff „Eigenmittel" in der Richtlinie bewusst offen definiert ist, ist dem Rechtsanwender ein gewisser Beurteilungsspielraum eröffnet.

Hätte der Richtliniengeber eine restriktivere Handhabung des Grundsatzes präferiert, hätte er den Begriff dürfen („... darf die Beteiligungshöhe die Eigenmittel nicht übersteigen.") wählen müssen.

Eine noch schwächere Formulierung als die gewählte Soll-Vorschrift, die Ermessen einräumende Kann-Vorschrift, hätte in diesem Zusammenhang jedoch keinen Sinn gemacht („... kann die Beteiligungshöhe die Eigenmittel nicht übersteigen.").

Die Eigenmitteldefinition der Richtlinien vom 15. März 2001 lautet: „Als Eigenmittel zählen dem Unternehmen längerfristig zur Verfügung stehende Mittel, insbesondere eingezahltes Eigenkapital..., Gesellschafterdarlehen mit Belassungserklärung sowie eigenkapitalähnliche Mittel aus öffentlichen Finanzierungshilfen."

Diese beispielhafte Aufzählung ist bewusst knapp gehalten und aufgrund der Verwendung des Wortes „insbesondere" gerade nicht als (abschließende) Enumeration zu verstehen. Wenn aber zu den Eigenmitteln ­ neben dem bilanziellem Eigenkapital ­ auch eigenkapitalähnliche Mittel aus öffentlichen Finanzierungshilfen, bestimmte Gesellschafterdarlehen und darüber hinaus sogar allgemein dem Unternehmen längerfristig zur Verfügung stehende Mittel gezählt werden können, dann darf nach hiesiger Auffassung erst recht auch das Spektrum des sog. wirtschaftlichen Eigenkapitals (z.B. bestimmte stille Beteiligungen von Seiten der Gesellschafter oder von dritter Seite) den richtliniengemäßen Eigenmitteln zugeordnet werden.

Grundsätzlich lassen diese Formulierungen zu, dass im Einzelfall eine annähernde Erfüllung der 1:1-Relation akzeptiert werden kann, wenn im Gegenzug z. B. die konkrete vertragsrechtliche Ausgestaltung der Beteiligung Gewähr dafür bietet, dass die 1:1-Relation ersatzweise mittels anderer Beiträge der Gesellschafter in naher Zukunft zu erwarten ist.

Folglich machte die Beteiligungsgesellschaft in den gerügten Einzelfällen in nicht zu beanstandender Weise von ihrem Beurteilungsspielraum Gebrauch.