Zweiter Bildungsweg

Der Senat wird aufgefordert, dem Abgeordnetenhaus einen Bericht zur „Perspektive des Zweiten Bildungsweges in Berlin" bis zum 30. September 1995 vorzulegen, der unter anderem folgende Gesichtspunkte berücksichtigt:

I. Analyse des ZBW in Berlin seit 1990 mit

1. Teilnehmerzahlen (z. B. differenziert nach angestrebten Bildungsabschlüssen ­ weiblichen, männlichen, ausländischen Teilnehmerinnen und Teilnehmern ­, Abbrecherquoten und Einschätzung der Gründe dafür)

2. Darstellung der räumlichen Kapazität und deren Ausschöpfung

3. der Entwicklung der personellen Ausstattung.

II. Perspektive des ZBW in Berlin, die unter anderem berücksichtigt

1. die bedarfsgerechte Ausstattung des ZBW auf Grund der Warteliste

2. die damit zusammenhängende voraussichtliche räumliche Entwicklung

3. den voraussichtlichen Bedarf an Wohnheimplätzen

4. den voraussichtlichen Bedarf im Ostteil der Stadt auf Grund nicht erlangter Schulabschlüsse

5. den Bedarf von Berlinerinnen und Berlinern mit ausländischen Pässen

6. die Prüfung, auf die E-Phase bei Absolventen mit Fachhochschulreife zu verzichten

7. die Vorbereitungsphase und Arbeitsgemeinschaften.

III. Finanzielle Situation der Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Hinblick auf die Bafög-Gewährung.

Der Begriff „Zweiter Bildungsweg" ist nicht gesetzlich verankert, er ist ein Begriff des allgemeinen Sprachgebrauchs.

Im Land Berlin werden mit dem Begriff Zweiter Bildungsweg folgende Einrichtungen zusammengefaßt:

A. Tages- und Abendlehrgänge zum Nachholen des Hauptschulund Realschulabschlusses an Hauptschulen, Realschulen und Volkshochschulen

B. Einrichtungen zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife: Kollegs und Abendgymnasien

C. Einrichtungen zum Erwerb der Fachhochschulreife.

Eine Beantwortung und Einschätzung der zu berücksichtigenden Punkte war bis zum 30. September 1995 nicht zu leisten wegen umfangreicher Nachfragen bei den zuständigen Stellen des Landesschulamtes.

Das Abgeordnetenhaus wurde daher gebeten, in eine Fristverlängerung bis zum 1. März 1996 einzuwilligen.

Hierzu wird abschließend berichtet: Folgende Einrichtungen des Zweiten Bildungsweges arbeiten im Lande Berlin: A 1 Einrichtungen zum Erwerb des Hauptschulabschlusses

1. Hans-Bredow-Oberschule (Hauptschule), Ofener Straße 6, 13349 Berlin

2. Pommern-Oberschule (Hauptschule), Sybelstraße Nr. 20/21, 10629 Berlin

3. Werner-Stephan-Oberschule (Hauptschule), Alt-Tempelhof 53­57, 12103 Berlin

4. Volkshochschule Kreuzberg, Friedrichstraße 210, 10969 Berlin

5. Volkshochschule Spandau, Reformationsplatz 2, 13597

Berlin

6. Volkshochschule Schöneberg, Barbarossaplatz 5, 10781

Berlin

7. Volkshochschule Köpenick, Plönzeile 7, 12459 Berlin

8. Volkshochschule Weißensee, Gustav-Adolf-Straße 60, 13086 Berlin A 2 Einrichtungen zum Erwerb des erweiterten Hauptschulabschlusses und des Realschulabschlusses

1. Winkelried-Oberschule (Realschule), Ofener Straße 6, 13349 Berlin

2. Max-Liebermann-Oberschule (Realschule), Schillerstraße 124, 10625 Berlin

3. Zuckmayer-Oberschule (Realschule), Kopfstraße 55, 12053 Berlin

4. Volkshochschule Spandau, Reformationsplatz 2, 13597

Berlin

5. Paul-Löbe-Volkshochschule Wilmersdorf, Fehrbelliner Platz 4, 10707 Berlin

6. Victor-Gollancz-Volkshochschule Steglitz, Schloßstraße 37, 12163 Berlin

7. Volkshochschule Köpenick, Plönzeile 7, 12459 Berlin

8. Volkshochschule Weißensee, Gustav-Adolf-Straße 60, 13086 Berlin B Einrichtungen zum Erwerb der Hochschulreife

1. Abendgymnasium, Pasteurstraße 7/9/11, 10407 Berlin (Prenzlauer Berg)

2. Berlin-Kolleg, Lützowstraße 106, 10785 Berlin

3. Peter-A.-Silbermann-Schule (Berliner Abendgymnasium für Berufstätige), Blissestraße 22, 10713 Berlin

4. Volkshochschul-Kolleg Charlottenburg, Pestalozzistraße 40/42, 10627 Berlin

5. Volkshochschul-Kolleg Schöneberg, Nürnberger Straße 63, 10787 Berlin

6. Volkshochschul-Kolleg Treptow, Kiefholzstraße 274, 12437 Berlin

7. Volkshochschul-Kolleg Marzahn, Allee der Kosmonauten 19, 10315 Berlin C Einrichtungen zum Erwerb der Fachhochschulreife

1. Oberstufenzentrum Banken und Versicherungen (Fachoberschule und Berufsschule), Alt-Moabit 10, 10557 Berlin

2. Oberstufenzentrum Sozialversicherung (Fachoberschule und Berufsschule) im Aufbau, Nalepastraße Nr. 203­209, 12459 Berlin (Oberschöneweide)

3. Oberstufenzentrum Maschinen- und Fertigungstechnik (Gymnasiale Oberstufe, Fachoberschule und Berufsschule), Kühleweinstraße 5, 13409 Berlin (Reinickendorf)

4. Volkshochschule Charlottenburg, Pestalozzistraße Nr. 40/41, 10627 Berlin

I. Analyse des ZBW in Berlin seit 1990

I.1 Teilnehmerzahlen

Die Statistiken in den beigefügten Anlagen geben ­ differenziert nach angestrebten Bildungsabschlüssen ­ Auskunft über die Teilnehmerzahlen. Es wird unterschieden nach weiblichen, männlichen und ausländischen Teilnehmerinnen und Teilnehmern; es werden ferner die Absolventen- und Abbrecherzahlen aufgelistet.

I.1 a Lehrgänge zum Erwerb des Haupt- und Realschulabschlusses

Die östlichen Bezirke werden seit 1991/92 statistisch erfaßt und münden in die Gesamtberliner Aufstellung ein.

Die Zahlen zum Erwerb des Hauptschulabschlusses dokumentieren in den östlichen und westlichen Bezirken eine rückläufige Entwicklung. Der Prozentsatz ausländischer Teilnehmerinnen und Teilnehmer liegt bei über 40 %, die fast ausnahmslos in den westlichen Bezirken beschult werden. Eine leicht ansteigende Tendenz zeigen die Lehrgänge zum Erwerb des Realschulabschlusses auf Grund der Teilnehmerzahlen in den westlichen Bezirken, der Ausländeranteil liegt bei unter 30 % mit einer fast ausschließlichen Konzentration in den westlichen Bezirken.

Die Abbrecherquoten sowohl bei Lehrgängen für den nachträglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses und des erweiterten Hauptschulabschlusses sowie des Realschulabschlusses sind hoch. Eine ähnliche Tendenz gibt es auch bei den bestandenen bzw. den nicht bestandenen Abschlußprüfungen.

Wir verfügen nicht über ein Raster, wonach zu bestimmen ist, warum so viele vorzeitig den Pfad des Zweiten Bildungsweges verlassen. Die Ermittlung von Ursachen kann nur auf heuristische Weise geschehen.

Die Ursachen, die die OH-Klientel betreffen, treffen auch im wesentlichen auf die OR-Klientel zu:

- Diskrepanz im geforderten Leistungsanspruch und dem tatsächlichen Leistungsvermögen

- Die hohen zeitlichen Belastungen (an mehreren Abenden) und die familiären Verpflichtungen, besonders bei Frauen

- Die Schwierigkeiten der ausländischen Klientel (Belastung der ausländischen Frauen, fehlende Sprachkompetenz)

- Nachkommen der Forderungen vom Arbeitgeber oder dem Arbeitsamt

- Voraussetzung, um bestimmte soziale Leistungen in Anspruch zu nehmen (BVG-Karte, Kindergeld)

- Blindanmeldungen, mitunter an mehreren Bildungseinrichtungen

- Als Auftragsmaßnahme der Arbeitsämter für arbeitslose Jugendliche

- Demotivation durch fehlende Ausbildungs- und Arbeitsstellen.

I.1 b Einrichtungen zum Erwerb der Hochschulreife

Die Zahlen für die fünf Kollegs und zwei Abendgymnasien dokumentieren eine rückläufige Tendenz. Aus der Übersicht über Absolventen und Abbrecher ist die verhältnismäßig geringe Zahl von ausländischen Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu entnehmen. Hier ist ein deutliches Gefälle zwischen Haupt-/Realschulabschluß und allgemeiner Hochschulreife festzustellen. Übereinstimmend hoch ist der Anteil der weiblichen Teilnehmerinnen (i. d. R. über 50 %) bei allen drei Angeboten.

In den Kollegs und Abendgymnasien liegt die Abbrecherquote zwischen 15 und 20 %. Die Gründe sind sehr verschieden: familiäre Ursachen, finanzielle Engpässe ­ für Alleinerziehende z. B. reicht der BAFöG-Satz (vgl. Ziff. III) oft nicht aus, Leistungen aus der Sozialhilfe sind nicht möglich ­, Aussichten auf einen gesicherten Arbeitsplatz, aber auch in nicht wenigen Fällen eine eindeutige inhaltliche Überforderung.

I.1 c Einrichtungen zum Erwerb der Fachhochschulreife

Die Zahlen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind bei einem Ausländeranteil von weit unter 10 % seit 1990 rückläufig.

Die Abbrecherquote kann nur geschätzt werden und liegt nach Auskunft der Schulleitungen bei ca. 30 %. Die Ursachen hierfür liegen im wesentlichen in der damit einhergehenden beruflichen Belastung, der unterschätzten schulischen Anforderungen, der oft vorhandenen dreifachen Belastung ­ Haushalt, Beschäftigung und Schule ­ bei weiblichen Teilnehmern sowie der während des Schulbesuchs erfolgten Neubewertung der beruflichen Perspektiven bei Erwerb der Fachhochschulreife.

I.2 Darstellung der räumlichen Kapazität und deren Ausschöpfung I.2 a: Tages- und Abendlehrgänge zum Nachholen des Hauptschul- und Realschulabschlusses.

Diese werden an 3 Hauptschulen, 3 Realschulen sowie 8 Volkshochschulen angeboten.

Die Haupt- und Realschulen liegen alle in den westlichen Bezirken. In den 6 Schulen bestehen keine räumlichen Engpässe für die Versorgung der Lehrgänge.

Die 8 Volkshochschulen liegen in allen Stadtteilen.

Der Unterricht wird überwiegend in Schulen über die Mitnutzung von Räumen durchgeführt. So nutzen fünf VHSn für die ZBW-Lehrgänge insgesamt 33 Unterrichtsräume in benachbarten Schulen. Für die ZBW-Lehrgänge an der VHS Steglitz stehen außerdem zwei Unterrichtsräume an der VHS selbst zur Mitnutzung zur Verfügung.

An den VHSn in Köpenick und in Schöneberg werden die ZBW-Lehrgänge in eigenen Räumen durchgeführt. Für entsprechende Lehrgänge der VHS Kreuzberg stehen eigene Räume in einer anderen schulischen Einrichtung zur Verfügung. An diesen drei VHSn gibt es insgesamt 23 eigene Räume für den ZBW.

Von Klagen über räumliche Engpässe ist nichts bekannt.

I.2 b: Einrichtungen zum Erwerb der Hochschulreife.

Die Peter-A.-Silbermann-Schule (Berliner Abendgymnasium für Berufstätige) ist immer noch gastweise in der Friedrich-EbertOberschule und im Goethe-Gymnasium untergebracht. Das ist kein befriedigender Zustand. Mit dem Bau einer Gesamtschule in der Emser Straße soll das Abendgymnasium einen endgültigen Standort erhalten.

Das Abendgymnasium im Prenzlauer Berg ist in einem eigenen Gebäude in der Pasteurstraße untergebracht.

Das Berlin-Kolleg hat nach jahrelangem Bemühen im November 1995 ein eigenes und neu eingerichtetes Gebäude in der Lützowstraße bezogen.

Die Kollegs an den Volkshochschulen in Treptow, Marzahn und Schöneberg verfügen über eigene Häuser, wobei in Marzahn ausgebaute naturwissenschaftliche Fachräume fehlen.

Das Kolleg Charlottenburg ist voll untergebracht im Volkshochschulgebäude des gleichen Bezirks in der Pestalozzistraße.

I.2 c: Lehrgänge zum Erwerb der Fachhochschulreife

Für die Lehrgänge an Fachoberschulen und an Volkshochschulen bestehen keine räumlichen Engpässe.

I. 3 Entwicklung der personellen Ausstattung

Hier muss unterschieden werden zwischen Kollegs und Abendgymnasien einerseits und den übrigen Einrichtungen des ZBW. Kollegs und Abendgymnasien sind voll ausgebaute eigene Schulen mit verbindlicher Besuchsdauer von mindestens drei Jahren.

Die Lehrgänge zum Erwerb des Haupt- und Realschulabschlusses sowie der Fachhochschulreife sind an Vollzeitschulen oder Volkshochschulen angebunden und können, je nach der Bedarfslage, ohne größere organisatorische Probleme eingerichtet bzw. aufgelöst werden. Das Lehrpersonal rekrutiert sich in der Regel aus einem hauptamtlichen Leiter sowie Lehrerinnen und Lehrern, die in diesen Einrichtungen Unterricht als Nebentätigkeit erteilen. Engpässe bei der Versorgung mit Lehrpersonal sind bisher nicht bekannt geworden.

Kollegs und Abendgymnasien hingegen besitzen feste Kollegien, deren Stellenbedarf sich aus der beiliegenden Statistik zeigt.

Es müssen Lehrkräfte mit der Ausbildung für das Amt des Studienrates sein, die bei Bedarf an Gymnasien eingesetzt werden können. Eine spezielle Laufbahn als „ZBW-Lehrer" gibt es nicht.

II. Perspektive des ZBW in Berlin II.1 Bedarfsgerechte Ausstattung des ZBW auf Grund der Warteliste II.1 a Lehrgänge zum Nachholen des Hauptschul- und Realschulabschlusses

Die Lehrgänge sind im Land Berlin zeitlich gestaffelt, so daß keine gravierenden Wartezeiten entstehen.

II.1 b: Einrichtungen zum Erwerb der Hochschulreife

Es existieren seit einigen Jahren keine Wartelisten; allerdings müssen diejenigen, die sich nach den festgelegten Anmeldeterminen melden, fast ein Jahr bis zur Aufnahme warten. Hier bietet jedoch das Kolleg Schöneberg Entlastung, das zeitversetzt zum Schulhalbjahr beginnt.

II.1 c: Lehrgänge zum Erwerb der Fachhochschulreife

Bei diesen Lehrgängen bestehen keine Wartezeiten.

II.2 Eine mit Wartelisten zusammenhängende räumliche Entwicklung Entfällt auf Grund der Aussagen zu II.1

II.3 Der voraussichtliche Bedarf an Wohnheimplätzen

Für die Haupt-, Realschul- und Fachhochschulreifelehrgänge liegen keine Erkenntnisse vor. Es sind nach Auskunft der Einrichtungen in der Regel Hörerinnen und Hörer mit festen Wohnsitzen in Berlin.