Integration

Von den Bühnen haben die Staatsoper und das Deutsche Theater das Überprüfungsverfahren in Eigenregie durchgeführt, während es ansonsten bei der Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheiten lag. Daß trotz der relativ hohen „Belastungsquote" beim Deutschen Theater die arbeitsrechtlichen Konsequenzen unterdurchschnittlich ausgefallen sind, könnte an besonders milden Kriterien der Bewertung liegen.

Überprüfung und Übernahme von Richtern und Staatsanwälten

Nach der Vereinigung hatten sich 371 Richter und Staatsanwälte der ehemaligen DDR um die Übernahme in den Justizdienst Berlins beworben. Aus formellen Gründen schieden 82 Bewerber aus, so dass letztlich nur die Übernahme von 289

Bewerbern zu prüfen war. Von dieser Gruppe wurden 33 Richter und 10 Staatsanwälte in den Landesdienst übernommen (ca. 15 %). Vergleicht man diese Quote mit der Praxis in den neuen Ländern, so hat das Land Berlin offensichtlich außergewöhnlich strenge Auswahlkriterien angewandt. Der Landesbeauftragte hält dies bei diesem für das Rechtsbewußtsein der Bevölkerung besonders sensiblen Bereich für eine sachgerechte Praxis. Die Differenz zur Vorgehensweise in den neuen Ländern verdeutlichen die Übernahmequoten der Länder Brandenburg (Übernahme von 54 % aller Bewerber), Mecklenburg-Vorpommern (Übernahme 40 %), Sachsen (Übernahme 65 %), Sachsen-Anhalt (Übernahme 62 %) und Thüringen (Übernahme ca. 53 %).

Es ist davon auszugehen, dass die Mehrzahl der nichtübernommenen Richter und Staatsanwälte heute als „Anwälte des Rechts" tätig sind.

Überprüfungen auf Ebene der Bezirksverwaltungen

In der Zahl der überprüften Mitarbeiter gibt es in den Bezirksämtern „Ost" eine große Spannbreite. Während die Bezirke Mitte, Treptow und Weißensee alle Mitarbeiter auf eine Tätigkeit für das MfS überprüft haben, haben Friedrichshain und besonders Hellersdorf nur die Anforderungen der bereits genannten AVÜ-MfS vom 12. März 1993 erfüllt. Die Zahlen für die Bezirksämter „Ost" und Berlin-Spandau (ohne den Bildungs- sowie städtischen Krankenhausbereich) und „West" sind in der folgenden Tabelle zusammengefaßt.

Berlin-Spandau wurde in der folgenden Tabelle den OstBezirksämtern zugeordnet, da durch die verwaltungsmäßige Wiedereingliederung von West-Staaken in den ehemals zum westlichen Teil Berlins gehörenden Bezirk Spandau die aus West-Staaken kommenden Mitarbeiter einer gleichen Überprüfung unterlagen wie Mitarbeiter aus den Ost-Bezirken.

Die anhand der BStU-Auskünfte ermittelte „Belastungsquote" zeigt für die einzelnen Bezirksämter eine große Schwankungsbreite. Besonders hoch war der Anteil belasteter Mitarbeiter in den Bezirken Marzahn, Köpenick und Treptow, weit geringer war die Quote in den Bezirken Prenzlauer Berg und Weißensee.

Die der BStU-Auskunft folgende Einzelfallprüfung führte im Ergebnis von Bezirk zu Bezirk statistisch zu deutlich unterschiedlichen Entlassungsquoten und war von sehr unterschiedlicher Qualität. Während es in den Bezirken Marzahn und Prenzlauer Berg bei den durch die BStU-Auskunft belasteten Mitarbeitern zu einer vergleichsweise hohen Zahl von Entlassungen kam, war deren Zahl in den Bezirksverwaltungen von Lichtenberg und Pankow vergleichsweise gering.

Für die bisher nicht abgeschlossenen Problemfälle in den Bezirksämtern bietet der LStU weiterhin seine Beratungshilfe an.

Problem Anwälte

Zu Zeiten der Regierungen Modrow und de Maiziere erhielten Tausende neuer Anwälte ihre Zulassung. Es waren überwiegend Juristen, die zuvor der DDR-Justiz als Richter und Staatsanwälte gedient hatten bzw. Mitarbeiter des MfS mit einem Abschluß der Juristischen Hochschule Potsdam waren. Ihre Überprüfung nach der Vereinigung hat sich praktisch als unwirksam erwiesen. Die anwaltlichen Standesorganisationen sind nach Ansicht des LStU ihrer „Selbstreinigungspflicht" nicht nachgekommen. Die Konsequenz dessen ist, dass Opfer des SED-Regimes in schwer erträgliche Situationen kommen, wenn sie in Gerichtsverhandlungen, die der rechtlichen Bewältigung von DDR-Altlasten dienen, mit Anwälten konfrontiert werden, die in der DDR gerade jenes Unrecht als Richter, Staatsanwälte oder gar Vernehmungsoffiziere des MfS geschaffen haben. Dies führt zu der unerträglichen Situation, dass ehemalige MfS-Vernehmer heute ihre ehemaligen Opfer vor Gericht erneut „vernehmen" können, nun in der Robe des Anwalts.

Ein vorläufiges Resümee

Mit der Vereinigung der beiden Hälften Berlins am 3. Oktober 1990 begann die Überprüfung von Mitarbeitern und Bewerbern für Tätigkeiten im öffentlichen Dienst des Landes Berlin auf eine frühere Tätigkeit für das MfS, so wie es der Einigungsvertrag vorsah. Gemäß Einigungsvertrag konzentrierte sich die Überprüfung vor allem auf Mitarbeiter und Bewerber für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst des Landes und seiner Bezirke, die vor dem 3. Oktober 1990 ihren Wohnsitz in der ehemaligen DDR hatten.

Ziel war es, insbesondere das Vertrauen der Bewohner des ehemaligen Ost-Teils der Stadt in die neue, rechtsstaatlichen Garantien verpflichtete Verwaltung zu sichern. Zugleich galt es aber auch, das Vertrauen der Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung im ehemaligen Ost-Teil der Stadt untereinander wieder herzustellen, in deren Reihen es zu DDR-Zeiten nicht wenige Kollegen gab, die als Inoffizielle Mitarbeiter der Staatssicherheit mit Auskünften über die Beschäftigten im jeweiligen Tätigkeitsfeld gefällig gewesen waren bzw. sich sogar an aktiven Zersetzungsmaßnahmen des MfS gegen Kollegen beteiligt hatten. Seit dem 31. Dezember 1993 ist der Sonderkündigungstatbestand des Einigungsvertrages (mangelnde persönliche Eignung; Anl. I Kap. XIX Sachg. A Abschn. III, Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 EV) entfallen, die Überprüfung ist heute nahezu abgeschlossen.

Für das Land Berlin lässt sich feststellen, dass die Überprüfung ihr Ziel im großen und ganzen im Rahmen der rechtsstaatlichen und tatsächlichen Möglichkeiten erfüllt hat.

Für den Prozeß der Überprüfung hat sich als ausgesprochen positiv die Entscheidung ausgewirkt, frühzeitig eine Koordinierungs- und Beratungsgruppe in der Innenverwaltung einzurichten (II KB), die mit Informationen und Beratungsangeboten den personalführenden Stellen zur Seite stand, bis das Land einen Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes berief und dessen Behörde arbeitsfähig wurde. Nach Auflösung der Koordinierungs- und Beratungsgruppe in der Innenverwaltung übernahm er deren Mitarbeiter und Beratungsaufgaben.

Unbefriedigend bleibt, dass es nicht gelungen ist, auf Landesebene eine durchgängig einheitliche Überprüfungspraxis zu gewährleisten. Doch ist dies der Preis, den Verwaltungen und Bürger dafür zu zahlen haben, dass in einem föderalen, demokratischen politischen System nicht von einer zentralen Stelle aus, wie es DDR-Praxis war, das gesamte Verwaltungshandeln „gleichgeschaltet" werden kann.

Im Verhältnis zu den anderen neuen Bundesländern hatte Berlin einen unvergleichlichen Startvorteil. Das Land konnte den demokratischen und rechtsstaatlichen Neuaufbau durch die im Westteil der Stadt existierende Verwaltung weit mehr unterstützen als andere alte Bundesländer bei ihrer Hilfe zum Neuaufbau von Verwaltungen in den neuen Ländern. Im Ergebnis wurden z. B. im Bereich der Justiz in Berlin nur 15 % der ehemaligen Richter und Staatsanwälte aus dem Ostteil der Stadt übernommen. Im Vergleich dazu sind es in den anderen neuen Bundesländern im Durchschnitt 50 %. Gleichermaßen wurden im öffentlichen Dienst des Landes Berlin keine ehemaligen hauptamtlichen Mitarbeiter des MfS belassen, während in den Polizeien anderer neuer Bundesländer noch einige hundert ehemalige hauptamtliche Mitarbeiter des MfS tätig sind.

Die für diesen Bericht ermittelten Daten zeigen, dass im Rahmen der Personalüberprüfungen durch die personalführenden Stellen sowie bei der nachträglichen Kontrolle von einschlägigen Verwaltungsentscheidungen durch die Gerichtsbarkeit in der Summe keineswegs leichtfertig und mit dem Ziel, möglichst viele Belastete zu entlassen, gehandelt und entschieden wurde. Träfe der Vorwurf zu, dass das Land Berlin die Überprüfungsverfahren nur als einfaches Mittel zum Stellenabbau genutzt hätte, wäre die geringe Zahl der arbeitsrechtlichen Konsequenzen im Lehrerbereich nicht zu erklären.

In der öffentlichen Diskussion anläßlich von Kündigungen wird häufig übersehen, dass die Tätigkeit für das MfS in vielen Fällen nur die mittelbare Ursache für die Kündigung gewesen ist.

Vielfach erfolgte die Lösung des Arbeitsverhältnisses erst, nachdem dem Beschäftigten Falschangaben im Personalfragebogen nachgewiesen werden konnten.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass in diesem oder jenem öffentlichen Bereich noch irgendein ehemaliger inoffizieller Mitarbeiter des MfS beschäftigt ist, weil zum Zeitpunkt der Überprüfung die Aktenlage den Nachweis der Unzumutbarkeit nicht erbrachte, es in dem entsprechenden Bereich an der nötigen Sorgfalt oder Willen fehlte und schließlich im Westteil der Stadt eine „Regelüberprüfung" nur für wenige, herausgehobene Positionen vorgesehen war und ist. Aber auch dies ist ein Preis, den eine demokratische Gesellschaft zu akzeptieren hat. Eine perfekte Überprüfung verlangte einen stasigleichen Überprüfungsapparat mit stasigleichen „perfekten" Methoden.

Das Gesetz über den Landesbeauftragten hat seiner Behörde deutliche Grenzen bei der Überprüfung gesetzt, wie folgend noch zu zeigen ist. Über gutachterliche Stellungnahmen hinaus sind ihm die Hände gegenüber den personalführenden Stellen gebunden.

Von Beginn an litt die Überprüfung mit ihrer Schwerpunktsetzung auf offizielle und inoffizielle Tätigkeit für das ehemalige Ministerium für Staatssicherheit darunter, dass anderen Positionen im repressiven Gefüge des SED-Staates zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Zu nennen sind z. B. Nomenklaturkader der SED, deren Verantwortung für Repression und Indoktrination im Vergleich zu inoffiziellen Mitarbeitern des MfS keinesfalls geringer war.

Nach Ansicht des LStU unzulänglich sind auch die jüngst erfolgten Eignungsüberprüfungen im Rahmen der Verbeamtung der Lehrer aus dem Ostteil der Stadt. Es ist kaum anzunehmen, daß bei der Verbeamtung von über 5 200 Lehrern im Dezember 1996 selbst die kritischen Fälle (Weiterbeschäftigung als Lehrer trotz Stasi-Belastung, Schuldirektoren, Schulparteisekretäre, Freundschaftspionierleiter, Staatsbürgerkunde- und Wehrkundelehrer) auf Verfassungstreue gründlich überprüft wurden. Gleiches dürfte auch für die Ende 1996 forcierte Verbeamtung von Lehrkräften und Mitarbeitern an Universitäten, Hoch- und Fachschulen zutreffen. Dabei nutzte lediglich die Humboldt-Universität das Angebot des LStU zur Beratung und Beteiligung an Anhörungen. Zweifellos dient es dem inneren Frieden der Stadt und des Landes und der Integration ehemaliger kleiner Parteigänger des SED-Regimes in die für sie neue demokratische Ordnung, wenn nach sechs Jahren der Überprüfung deren Ende abzusehen ist und nicht mehr nur das Verhalten zu DDR-Zeiten, sondern auch die in den letzten Jahren gezeigte Bereitschaft, sich der demokratischen Ordnung der Bundesrepublik gegenüber loyal zu verhalten, positiv zu Buche schlägt.

Zugleich zeigt sich hier aber ein schwieriger Zielkonflikt, soweit es die Integration von Opfern und Benachteiligten der SED-Diktatur betrifft. Sie, denen zu Zeiten der DDR der Zugang zu besseren Positionen versagt blieb, weil sie sich verweigerten oder widersprachen, die Diskriminierung oder Repression erfahren mußten, sehen heute, dass der größte Teil derer, die sich angepaßt haben und dafür mit sozialem und gesellschaftlichem Aufstieg belohnt wurden, auch heute noch im öffentlichen Dienst beschäftigt sind. Die soziale und berufliche Situation der Opfer und Benachteiligten der SED-Diktatur ist heute noch häufig bedeutend schlechter. Aus ihrer Sicht erscheint das Ergebnis der Personalüberprüfungen, um es vorsichtig zu formulieren, eher unbefriedigend. Sie müssen erleben, dass Anpassen und Mitmachen sich im Regelfall auch nach einem Systemwechsel auszahlt, während soziale und berufliche Nachteile als Folge von Verweigerung und Zivilcourage im überwundenen System in der neuen, demokratischen Ordnung nur in geringem Maße ausgeglichen werden. So besteht das Problem, daß, je großzügiger die Integrationsangebote für die kleinen und großen Parteigänger des alten Systems sind, um so mehr die Gefahr wächst, dass gerade jene sich ausgeschlossen sehen und desintegriert werden, die sich unter den Bedingungen einer Diktatur der Anpassung und Integration verweigerten und sich für eine demokratische Ordnung einsetzten. In der Bürgerberatung beim LStU sind es gerade sie, die häufig verzweifelt um Rat nachsuchen.

Die Beratung der Berliner Verwaltung zu Personalentscheidungen im Jahre 1996

Wie in den Jahren zuvor bewegte sich die Beratung der Senatsund der Bezirksverwaltungen auf zwei Ebenen. Einerseits galt es, die Bezirks- und Landesverwaltungen über den sich ständig verbessernden Erschließungsstand von Unterlagen des ehemaligen MfS durch die Behörde des Bundesbeauftragten und die daraus für Personalüberprüfungen resultierenden Konsequenzen kontinuierlich zu informieren. Andererseits galt es, den Landes- und Bezirksverwaltungen weiterhin Dienstleistungen anzubieten bei Personalüberprüfungen und -entscheidungen im Einzelfall.

Die generelle Beratung

Im Februar 1996 wurden die Senats- und Bezirksverwaltungen darüber informiert, dass der Archivierungsgrad der Unterlagen beim Bundesbeauftragten sowie die dort erarbeiteten Findhilfsmittel inzwischen einen Stand erreicht haben, der das Auftauchen weitgehend unbekannter Unterlagen kaum noch erwarten läßt. Das bedeutet, dass alle ab diesem Zeitpunkt vom BStU erstellten Auskünfte einen sehr hohen Grad an Sicherheit aufweisen. Für die vor Mitte 1994 ergangenen Auskünfte folgender Kategorien empfahl daher der BStU, einen Antrag auf Aktualisierung der ursprünglichen Auskunft zu stellen, wenn im Rahmen der bisherigen Überprüfung: sich aus den bisher erschlossenen Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes keine Hinweise auf hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst ergeben haben oder eine Karteierfassung als inoffizieller Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes nachweisbar ist, aber nichts über Umfang und Intensität einer Tätigkeit gesagt werden konnte oder die Person als inoffizieller Mitarbeiter für eine Diensteinheit des MfS erfaßt war, aber noch keine weiteren Unterlagen aufgefunden wurden.

Der LStU bekräftigte diese Empfehlung und regte darüber hinaus an, diese Aktualisierung auch in den Fällen beim BStU zu beantragen, wenn bisher nur der Personalteil einer IM-Akte, aber nicht die Arbeits- und Berichtsakte aufgefunden wurde.

Nach dem StUG ist der BStU verpflichtet, beim Auftauchen neuer Erkenntnisse diese von sich aus der anfragenden Stelle mitzuteilen. Das erfolgt jedoch nicht generell, da der BStU die Vielzahl der bei ihm anfallenden Daten nicht unter diesem Aspekt erfaßt hat. Dies führte im Berichtsjahr zu einem Konflikt zwischen der Senatsverwaltung für Inneres und dem BStU. Der LStU bemühte sich erfolgreich, hier zu vermitteln und eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden. Im Ergebnis verlangt der BStU nunmehr für die Zweitüberprüfung keine Einverständniserklärung der Angefragten mehr, wohl aber, dass diese über die erneute Anfrage in Kenntnis gesetzt werden.

Der Landesbeauftragte empfiehlt, zumindest in den Fällen eine Aktualisierung der Auskunft zu beantragen, in denen Indizien bereits den Verdacht einer Tätigkeit für das MfS ausgelöst haben.

Die Aktualisierung der ursprünglichen BStU-Auskünfte bietet die Chance, sowohl den Verdacht zu erhärten, aber auch, was meist übersehen wird, Beschäftigte von diesem Verdacht zu entlasten.

Gelegenheit, die Landesverwaltungen generell über die neue Entwicklung bei der Überprüfung von Mitarbeitern des und Bewerbern für den öffentlichen Dienst zu informieren, boten z. B. die turnusmäßigen Sitzungen der Bezirksamtsdirektoren. So stellte ein Mitarbeiter des LStU im März 1996 den Bezirksamtsdirektoren die aktuelle Tätigkeit des LStU mit Verweis auf dessen Bericht für das Jahr 1995 vor. Dies wurde verbunden mit Erläuterungen zum Problem „Zweitüberprüfung". Besonders wurde darauf hingewiesen, dass der LStU einer Mittlerrolle zwischen den Berliner Verwaltungen und dem BStU erfüllt und die Bezirksverwaltungen sich daher mit speziellen Problemen (z. B. beschleunigter Akteneinsicht, Struktur- und Verfahrensfragen etc.) an den LStU wenden können. Zugleich wurden die Bezirksamtsdirektoren auf die umfangreiche Materialsammlung des LStU zu Fragen der Verbeamtung, der Dienstzeitenanrechnung und des mehrstufigen Nomenklaturkadersystems des SED-Herrschaftssystems hingewiesen, die als Service-Leistung abfragbar ist und helfen kann, Entscheidungen mit einem verbesserten Kenntnisstand sachkundiger zu treffen. Kurz erläutert wurde der Umgang des LStU mit Hinweisen der Bürger auf „Seilschaften" und „IM" in den bezirklichen Verwaltungen.

Für die Arbeit des LStU ist die Sammlung und Archivierung von Gerichtsurteilen zum Gesamtkomplex der juristischen Aufarbeitung der SED-Vergangenheit eine zentrale Arbeitsgrundlage, die wiederum den Senats- und Bezirksverwaltungen als Entscheidungshilfe zugute kommt. Hierzu gehören jene gerichtlichen Verfahren, die von den Berliner Verwaltungen im Zusammenhang mit der Überprüfung vor den Arbeitsgerichten geführt werden. Für die Beratungsmöglichkeiten des LStU gegenüber der Berliner Verwaltung ist die Information an den LStU über derartige Prozesse und ihre Ergebnisse notwendig, doch sind bisher Informationen durch die Rechtsämter über Prozeßergebnisse die Ausnahme.

Gutachterliche Beratung bei Einzelfallentscheidungen

Die unklaren Formulierungen im Berliner LStU-Gesetz wirken sich in Verbindung mit dem vom StUG geforderten engen Rahmen beim Umgang mit den Auskünften des BStU bei der Beratung in Einzelfällen nach wie vor nachteilig aus. Die Folge der bisher gesetzlich sehr restriktiven Regelungen ist, dass der Berliner LStU bei der Beratung der Verwaltung in Einzelfallentscheidungen aus den BStU-Auskünften nur einige wenige Angaben in anonymisierter Form zur Einsicht erhält. Doch sind für die Beurteilung des Einzelfalles z. B. Angaben zum beruflichen Werdegang unerläßlich, da sie für die Beantwortung der Frage nach der Zumutbarkeit nicht selten von entscheidender Bedeutung sind.

Hier nicht mit der notwendigen Sorgfalt vorzugehen, birgt die Gefahr der oberflächlichen Bewertung in existentiell bedeutsamen Fragen in sich.

Als Lösung böte sich eine eindeutig gesetzlich geregelte Befugnis des LStU zur Beteiligung bei der „Einzelfallprüfung" an.

Sollte sich das Abgeordnetenhaus dazu entschließen, über das Jahr 1997 hinaus die Behörde des LStU zu verlängern, so wäre eine Novellierung des „Gesetzes über den Landesbeauftragten ..." angeraten, die in dieser Frage klare Befugnisregelungen trifft.

In Fällen, in denen den personalführenden Stellen vom BStU nach einem Auskunftsersuchen die Mitteilung gemacht wird, daß zur betreffenden Person nur Karteikarten und leere Aktendeckel vorgefunden wurden, hat der LStU zu einer gezielten weiteren Nachfrage beim BStU geraten. Für eine erweiterte Recherche des BStU geben die Karteikarten des MfS für die sachkundigen Mitarbeiter des Landesbeauftragten in der Regel viele Anknüpfungspunkte. Der LStU gibt den personalführenden Stellen bei der Formulierung von erweiterten Auskunftsersuchen an den BStU jede mögliche Unterstützung.

Darüber hinaus empfahl der LStU den Mitarbeitern der personalführenden Stellen, sofern sich die Bewertung einer BStU-Auskunft als schwierig erwies, selbst beim BStU in die dort vorhandenen Unterlagen Einsicht zu nehmen. Die bei einer BStU-Auskunft mitgeschickten Kopien stellen nur eine Auswahl des dortigen Rechercheurs dar, die im Regelfall keinerlei Angaben zum Lebensweg des Betreffenden enthalten. Wie Mitarbeiter der Verwaltung versicherten, die selbst Unterlagen beim BStU eingesehen hatten, erleichterte dies wesentlich die Entscheidungsfindung.

Vor dem Hintergrund der speziellen Sachkenntnisse der Mitarbeiter des LStU über das Herrschaftssystem der SED und die zentrale Rolle des MfS lassen sich in Verdachtsfällen viele Aussagen