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Vorblatt Vorlage ­ zur Beschlußfassung ­ über Achtes Gesetz zur Änderung der Bauordnung für Berlin

A. Problem:

Da auf der Grundlage der bestehenden Rechtslage eine Beseitigung von Farbschmierereien nur durch zeit- und arbeitsaufwendige Verwaltungsverfahren möglich ist, muss zur effektiven Abwehr solcher Verunstaltungen eine neue Rechtsgrundlage geschaffen werden. Wesentliches Ziel einer Rechtsänderung muß es sein, eine durchgehende und zeitgleiche Reinigung eines gesamten Ortsbereiches zu ermöglichen. Dies kann nur dadurch erreicht werden, dass die durchgehende Reinigungsmaßnahme von allen Betroffenen geduldet wird. Mit der vorgeschlagenen Neuregelung in § 77 Abs. 2 BauOBln kann nunmehr durch einen einzigen Verwaltungsakt einer größeren Zahl von Eigentümern und Nutzungsberechtigten die Duldung der von der Bauaufsichtsbehörde zu veranlassenden Reinigung aufgegeben werden.

Diese Ergänzung der Bauordnung Berlin ist der einzig erfolgversprechende Weg, um der zunehmenden Verunstaltung von baulichen Anlagen durch Farbschmierereien u. ä. energisch entgegentreten zu können.

B. Lösung: Änderung der Bauordnung für Berlin.

C. Alternative Keine.

D. Kosten:

Die für das Land Berlin entstehenden Kosten können derzeit nicht konkret bezifffert werden, da zunächst abgewartet werden muß, in welchem Umfang die Grundeigentümer der Verpflichtung zur Entfernung von Farbschmierereien an ihren Gebäuden freiwillig nachkommen werden.

E. Auswirkungen auf die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg Keine.

Das Abgeordnetenhaus hat das folgende Gesetz beschlossen: Artikel I § 77 der Bauordnung für Berlin in der Fassung vom 1. Januar 1996 (GVBl. S. 29) wird wie folgt geändert:

1. Es wird folgender Absatz 2 neu eingefügt: „(2) Farbschmierereien, unzulässige Beschriftungen, Beklebungen, Plakatierungen und ähnliches an Außenflächen von Anlagen im Sinne des § 1, die von Verkehrswegen oder allgemein zugänglichen Stätten aus wahrnehmbar sind, sind verunstaltend und müssen entfernt werden.

Hierzu kann die für das Bauwesen zuständige Senatsverwaltung, auch durch Allgemeinverfügung, anordnen, dass Eigentümer und Nutzungsberechtigte Maßnahmen zur Beseitigung der Verunstaltungen nach Satz 1 zu dulden haben. Die Duldungsanordnung muss Art und Umfang der zu duldenden Maßnahmen umschreiben und angeben, von wem und in welcher Zeit die Maßnahmen durchgeführt werden. Auf Antrag kann eine Befreiung von der Pflicht nach Satz 1 erteilt werden, soweit diese für den Verpflichteten eine besondere Härte darstellt und öffentliche Belange nicht entgegenstehen."

2. Die bisherigen Absätze 2 und 3 werden die Absätze 3 und 4.

3. Der bisherige Absatz 4 wird Absatz 5 und wie folgt geändert:

Die Angabe „Absatz 3" wird durch die Angabe „Absatz 4" ersetzt.

4. Der bisherige Absatz 5 wird Absatz 6 und wie folgt geändert:

Die Angaben „Absätze 2 und 3" werden jeweils durch die Angaben „Absätze 3 und 4" ersetzt.

Artikel II:

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung im Gesetzund Verordnungsblatt für Berlin in Kraft.

A. Begründung

a) Allgemeines: Verunstaltungen an Häuserfassaden, insbesondere durch Farbschmierereien ­ sogenannte „Graffitis" ­ haben in den letzten Jahren in Berlin ein derartiges Ausmaß angenommen, dass hierdurch sowohl das Stadtbild als auch das tägliche Wohlbefinden eines Großteils der Bevölkerung empfindlich gestört werden. Der Senat von Berlin ist entschlossen, diesen Verwahrlosungstendenzen sowohl mit verantwortungsfördernden Maßnahmen als auch mit ordnungsrechtlichen Regelungen zu begegnen.

Auf der Grundlage der bestehenden Rechtslage ist eine effektive und praktikable Abwehr und Beseitigung von Farbschmierereien nicht möglich.

Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 2 der Bauordnung für Berlin (BauO Bln) in der Fassung vom 1. Januar 1996 (GVBl. S. 29) sind bauliche Anlagen so zu erhalten, dass ihre Verunstaltung sowie eine Störung des Straßen-, Orts- oder Landschaftsbildes vermieden wird. Diese Rechtsgrundlage lässt im Einzelfall in Verbindung mit § 17 des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) vom 14. April 1992 (GVBl. S. 119), geändert durch Artikel VII des Gesetzes vom 19. Juli 1994 (GVBl. S. 241), die Anordnung einer Beseitigung von Farbschmierereien zu. Voraussetzung einer solchen Anordnung ist zunächst die Feststellung einer Verunstaltung im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 2 BauOBln. Soweit die gesetzlichen Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind, kann auf der Grundlage der bestehenden Rechtslage eine Beseitigungsanordnung ergehen. Die Anordnung der Beseitigung setzt gegenüber jedem Betroffenen die Prüfung der Verhältnismäßigkeit voraus, die im Einzelfall ­ bei „kleinen" Farbschmierereien ­ möglicherweise auf der Grundlage der bestehenden Rechtslage verneint werden müßte.

Die Anordnung der Beseitigung kann von dem Verpflichteten nach der Durchführung eines erfolglosen Widerspruchsverfahrens gerichtlich angegriffen werden, so dass jede Anordnung im Einzelfall ein unterschiedliches rechtliches Schicksal erleiden kann. Damit besteht die Gefahr, dass die durchgehende Reinigung eines Straßenzuges nicht die Regel, sondern eher die Ausnahme sein würde. Kommt der Verpflichtete der behördlichen Anordnung nicht nach, so kann nach Bestandskraft des Verwaltungsaktes bzw. im Falle der Anordnung der sofortigen Vollziehung zunächst eine Ersatzvornahme angedroht werden. Sollte der Verpflichtete auch nach der Androhung der Ersatzvornahme der Verpflichtung zur Beseitigung nicht nachkommen, wird die Ersatzvornahme festgesetzt und gegebenenfalls durch eine beauftragte Fachfirma durchgeführt.

Auch dieses Verfahren ist bei dem „Massenproblem" der Verunstaltungen durch Farbschmierereien nicht praktikabel, da einzelne Verfahren gegen jeden Eigentümer einen erheblichen Ermittlungs- und Arbeitsaufwand bedeuten würden und eine ökonomische Reinigung eines gesamten Ortsbereiches nicht durchgehend und zeitgleich erfolgen könnte.

Daher ist das effektivste Mittel zur Lösung des „Graffiti-Problems" eine durch Allgemeinverfügung angeordnete Duldung der Beseitigung, da damit die Reinigung eines größeren Bereiches durch die zuständige Behörde veranlaßt werden kann. Die vorgeschlagene Regelung dient deshalb der Einführung einer Rechtsgrundlage zum Erlaß von Duldungsanordnungen im Wege von Allgemeinverfügungen.

b) Einzelbegründung:

Mit der in Satz 1 enthaltenen unwiderleglichen Vermutung, daß Farbschmierereien u. ä. verunstaltend sind und der hieraus resultierenden Pflicht zur Entfernung ist sichergestellt, dass eine aufwendige Prüfung des Einzelfalles durch die Bauaufsichtsbehörde entfallen kann. Neben den Farbschmierereien sind hier noch weitere Tatbestände, wie z. B. unzulässige Beschriftungen, Beklebungen und Plakatierungen aufgenommen worden, deren Beseitigung ebenfalls im öffentlichen Interesse liegt. Eine Beschränkung auf Graffitis wäre zur Erreichung des angestrebten Zieles unzureichend.

In Satz 2 ist die Ermächtigungsgrundlage für entsprechende Allgemeinverfügungen aufgenommen worden. Hiermit ist nunmehr auch eine umfassende und zeitgleiche Beseitigung von Verunstaltungen in einem größeren Bereich sichergestellt, ohne daß eine Vielzahl von Einzelakten gegenüber den jeweiligen Eigentümern oder Nutzungsberechtigten erlassen werden müßte.

Da durch einen Einzelakt einer Vielzahl von Eigentümern und Nutzungsberechtigten nunmehr eine Duldung aufgegeben werden kann, muss in diesem Verwaltungsakt im einzelnen festgelegt werden, in welchem Umfang, mit welchen Mitteln und zu welchem Zeitpunkt die Maßnahmen durchgeführt werden.

Diesem Erfordernis des Bestimmtheitsgrundsatzes ist in Satz 3 der vorgeschlagenen Bestimmung Rechnung getragen worden.

Mit Satz 4 wird dem nach Satz 1 zur Beseitigung Verpflichteten die Möglichkeit eröffnet, in besonders gelagerten Fallkonstellationen die Entfernung der Farbschmierereien oder sonstigen Verunstaltungen in einem antragspflichtigen Verwaltungsverfahren nach pflichtgemäßer Ermessensentscheidung der Behörde abzuwehren.

B. Rechtsgrundlage: Artikel 59 Abs. 2 der Verfassung von Berlin.

C. Auswirkungen auf die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg: Keine.

D. Auswirkungen auf den Haushaltsplan und die Finanzplanung:

a) Auswirkungen auf Einnahmen und Ausgaben:

Da der Aktionsplan „Saubere Stadt Berlin" nur verwirklicht werden kann, wenn die hierzu erforderlichen Mittel bereitgestellt werden, hat der Senat in seiner 46. Sitzung am 14. Januar 1997 beschlossen, dass bei Kapitel 1200 ­ Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr ­ ein gesonderter Haushaltstitel mit einem Betrag von 8 Mio. DM zu Lasten des Titels 519 00 (bauliche Unterhaltung) einzurichten ist.

Diese Mittel werden grundsätzlich für Maßnahmen an öffentlichen Hochbauten, die in der Bauunterhaltung von der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr betreut werden, verwendet.

b) Personalwirtschaftliche Auswirkungen: Keine.