Drogennotdienst (DND)

Die Einrichtung vermittelt Entzugs- und Therapiemöglichkeiten und kooperiert mit allen Einrichtungen des Drogenhilfesystems, sozialpsychiatrischen Diensten sowie anderen zuständigen Institutionen. Anmeldungen in die angeschlossene Übernachtungseinrichtung werden ausschließlich über den DND koordiniert. Als Akutberatungsstelle bezieht der DND auch die Angehörigen von Drogenabhängigen in seine Tätigkeit mit ein und stellt sich allen Institutionen mit „Drogenproblemen" beratend, unterstützend und vermittelnd zur Verfügung.

Der DND wird durch Zuwendungen (Fehlbedarf) der Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport finanziert. Diese Finanzierungsart trifft auf alle hier genannten Kontaktangebote zu. Mit Hilfe eines Zuschusses durch die Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin konnten der Trägerverein und das „Drogentherapiezentrum Berlin e. V." ein Haus in Berlin-Friedrichshain (Frankfurter Allee) erwerben. Es ist geplant, dass nach dem Umbau die Hilfeangebote des DND und des Drogentherapiezentrums hier zusammengeführt werden.

Strass ­ Szeneladen für Junkies

Die Einrichtung „Strass ­ Szeneladen für Junkies" in Kreuzberg unterhält einen Cafe?betrieb und bietet primäre (Über-)Lebenshilfe an. Im einzelnen gehören hierzu: Eß-, Wasch- und Duschmöglichkeiten, Spritzenaustausch sowie ärztliche Beratung. Neben suchtbegleitender Betreuung, unterstützenden Gesprächen und der Vermittlung von weiterführenden Hilfen können die Besucher auch eine spezifische Rechtsberatung in Anspruch nehmen. Gelegentliche Freizeitaktivitäten sowie themenspezifische Gruppengespräche werden ebenfalls angeboten.

Der Träger der Einrichtung ist der „Notdienst für Suchtmittelgefährdete und -abhängige Berlin e. V.". Misfit

Das Projekt „Misfit" in Kreuzberg ist ­ unter der Trägerschaft des „Vereins für Suchtprävention und Therapie mit Drogenabhängigen e. V." ­ schwerpunktmäßig ein niedrigschwelliges Angebot. Darüber hinaus hat „Misfit" auch die Funktion einer Drogenberatungsstelle. „Misfit" bietet suchtbegleitende Lebenshilfe wie Dusch-, Wasch- und Kochmöglichkeiten, HIV-Prophylaxe (Kondomvergabe, Spritzentausch), Unterstützung beim Umgang mit Behörden sowie Krisenintervention. Durch aufsuchende Arbeit werden Drogenabhängige in Krankenhäusern sowie Justizvollzugsanstalten besucht, beraten und gegebenenfalls in Therapieeinrichtungen vermittelt. Außerdem werden Angehörigenarbeit und Informationsgespräche für Anwohner und Institutionen angeboten.

Olga ­ Treffpunkt für Frauen „Olga ­ Treffpunkt für Frauen" (Tiergarten) ist ein Kontaktangebot mit Cafe?, das sich ausschließlich an drogenabhängige Mädchen und Frauen wendet, insbesondere an Prostituierte aus der in unmittelbarer Nähe befindlichen „Szene". Träger der nur in den Nachmittags- und Abendstunden geöffneten Einrichtung ist der „Notdienst für Suchtmittelgefährdete und -abhängige Berlin e. V."

Im Treffpunkt „Olga" können die Frauen Wäsche waschen, sich duschen, Kaffee trinken oder kleine Mahlzeiten einnehmen.

Kondome werden kostenlos ausgegeben. Über die allgemeinen Gesprächsmöglichkeiten hinaus ­ sowohl untereinander als auch mit den Mitarbeiterinnen ­ können folgende Hilfeangebote in Anspruch genommen werden: individuelle Beratung, Rechtsberatung, medizinische Beratung und Basisversorgung durch eine Ärztin, Information über spezifische Hilfeangebote und eventuelle Weitervermittlung, Gruppenangebote. Außerdem ist „Olga" eine Informationsstelle über aktuelle Gewalttaten auf dem „Strich" und bietet Unterstützung bei entsprechenden Anzeigen an. Männern ist der Zutritt zur Einrichtung verboten. „Olga" kooperiert mit allen zuständigen, insbesondere frauenspezifischen Einrichtungen.

Frauenladen

Der „Frauenladen" (Wedding) mit der doppelten Funktion sowohl eines niedrigschwelligen Kontaktladens als auch einer Beratungsstelle für Frauen wird wegen seines überregionalen Beratungsangebotes, insbesondere auch für Schwangere und Frauen mit Kindern, im Kapitel „Drogenberatungsstellen" dargestellt.

SKA 43:

Mit Personal- und Sachkosten für zwei Streetworker ­ finanziert durch das Bundmodellprogramm INTHIS ­ wurde der Stützpunkt „SKA 43" in Kreuzberg zu einer Kontaktstelle ausgeweitet. Träger des Projekts ist der „Odak e. V.". (Vgl. 5.9.3

Bundesmodellprogramme)

Da allerdings die örtliche sowie räumliche Situation der SKA 43 auf Dauer für die Einrichtung einer Kontaktstelle unzureichend ist, wurde entschieden, stattdessen in unmittelbarer Nähe des Szenetreffpunktes Kottbusser Tor Räume anzumieten. Es ist geplant, dort einen Kontaktladen aufzubauen, der alle notwendigen Angebote wie medizinische und hygienische Basisversorgung, Ruheraum, sozialarbeiterische Betreuung etc. beinhaltet.

Diese Einrichtung wird künftig mit großzügigen Öffnungszeiten arbeiten, die in Kooperation mit anderen in diesem Bereich arbeitenden Trägern sichergestellt werden müssen. Nur so wird eine adäquate Versorgung der Drogenabhängigen dieses Szeneschwerpunktes bei gleichzeitiger Entlastung der Anwohner erreicht werden können.

Druckausgleich:

Bei der Einrichtung „Druckausgleich" in Kreuzberg (Träger: „Fixpunkt, Verein für suchtbegleitende Hilfen e. V.") liegt der besondere Schwerpunkt der niedrigschwelligen Arbeit auf der Unterstützung von Selbsthilfe für Substituierte. Die Besucher ­ auch Nicht-Substituierte ­ werden angeleitet, für ihre existentiellen Bedürfnisse zu sorgen und ihren Alltag zu bewältigen. „Druckausgleich" kooperiert mit allen in der Substitution tätigen Berliner Einrichtungen, niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern.

Cafe? Beispiellos

Das „Cafe? Beispiellos" stellt insofern eine Ausnahme dar, als es sich ausschließlich an die Zielgruppe der Spielsüchtigen und deren Angehörige wendet. Das Cafe? bietet zunächst eine offene Kontaktmöglichkeit, Information und Beratung. Darüber hinaus werden eine spezifische Beratung und Vermittlung in Krisensituationen, angeleitete Gruppengespräche sowie eine kostenlose Rechtsberatung angeboten. „Cafe? Beispiellos" arbeitet eng mit der Beratungsstelle „Jugend-Drogen-Süchte" zusammen; der gemeinsame Träger ist der „Caritasverband für Berlin e. V.".

Krisenwohnung:

Seit 1985 bietet die „Krisenwohnung" Schlafplätze für Drogenabhängige in Krisensituationen an. Die Platzzahl der Einrichtung wurde nach dem Umzug in die Prinzenallee (Wedding) von 8 auf 15 + 2 Notplätze erhöht.

Die ausschließlich über den Drogennotdienst vermittelten ­ in der Regel obdachlosen ­ Drogenabhängigen können dort für einen Zeitraum von bis zu 6 Wochen übernachten, wobei in der Einrichtung selbst Drogenkonsum nicht geduldet wird. Die Abhängigen erhalten in der Wohnung lebenspraktische Hilfen und hygienische Basisversorgung. Die Betreuer bieten Gespräche an, beraten bei spezifischen Problemen und suchen mit den Klienten gemeinsam nach Lösungsmöglichkeiten zur Überwindung der aktuellen Krisensituation. Hierbei arbeiten sie eng mit dem Drogennotdienst zusammen.

Träger der Krisenwohnung ist der „Notdienst für Suchtmittelgefährdete und -abhängige Berlin e. V."

Streetwork:

Im Jahre 1996 waren in Berlin acht Streetworker in folgenden Projekten tätig:

- 2 Streetworker im Projekt „Strass", Träger: DND,

- 2 Streetworker bei der Beratungsstelle „Haltestelle", Träger Odak e. V.

- 2 Streetworker beim „Odak e. V.", angebunden an SKA 43

(Bundesmodell INTHIS),

- 2 Streetworker im Projekt „Straks", Träger Jugendinitiative SCK e. V.

Die Streetworker des Kontaktladens „Strass" haben den Auftrag, an aktuellen Szenetreffpunkten Drogenabhängige aufzusuchen, eine Beziehung anzubahnen und die Abhängigen in die Angebote von „Strass" mit einzubeziehen.

Mit einem besonderen Schwerpunkt für Drogenabhängige ausländischer Herkunft arbeiten zwei Streetworker in folgenden Szenebereichen in Kreuzberg und Neukölln: Kottbusser Tor, Mariannenplatz, Wrangelstraße, Schlesisches Tor, Hermannplatz, Südstern. Diese Streetworker sind bei der Drogenberatungsstelle „Haltestelle" des Odak e. V. beschäftigt.

Der Aufgabenbereich der Streetworker umfaßt neben der Kontakt- und Informationsarbeit in Drogenszenenbereichen die soziale Begleitung der Drogenabhängigen in Krisen- und Notsituationen sowie gesundheitspräventive Aufgaben (Spritzentausch und Kondomvergabe). Diese Straßensozialarbeit stellt einen wichtigen Bestandteil des niedrigschwelligen Basisangebotes für Drogenabhängige dar.

Durch die Arbeit der zwei Streetworker vorrangig im Einzugsgebiet Kreuzberg werden grundlegende Voraussetzungen für die Erreichbarkeit weiterführender Beratungs- und Therapieangebote für Drogenabhängige geschaffen.

Zusätzlich sind vom Odak e. V. seit Ende 1994 im Rahmen des Bundesmodellprogramms INTHIS zwei Streetworkerstellen eingerichtet worden, die insbesondere alkohol- und drogenkonsumierende Jugendliche aus der Umgebung erreichen sollen (vgl. Punkt 5.9).

Im Projekt „Straks" (Streetwork am Klausener Platz) sind zwei Streetworker in Charlottenburg im Rahmen der Sekundärprävention tätig. Zielgruppe im Bereich des Klausener Platzes sind ca. 40 bis 50 suchtgefährdete junge Menschen im Alter zwischen 14 und 21 Jahre. Die Verstärkung aufsuchender Sozialarbeit bietet einen erfolgversprechenden Ansatz, dem Abgleiten in manifeste Abhängigkeit wirksam zu begegnen. Die Finanzierung des Projekts „Straks" wird seit dem 1. Januar 1996 vom Bezirksamt Charlottenburg, Abteilung Jugend, sichergestellt.

Situationsbeschreibung ­ Alkohol:

Ein wesentlicher Teil der oben beschriebenen Funktionen wird für Alkoholkranke durch die sogenannten „Wärmestuben" und andere Anlaufstellen für Obdachlose und Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten erfüllt, die zu einem hohen Prozentsatz auch Alkoholprobleme haben.

Eine weitere Teilfunktion niedrigschwelliger Angebote, einen Zugang zum Hilfesystem durch einen Erstkontakt, bieten auch die Selbsthilfegruppen und -projekte sowie die Abstinenzverbände an. Die offenen Gruppen sowie die Kontaktgespräche sind anonym und können unabhängig vom aktuellen Zustand der Betroffenen in Anspruch genommen werden.

Detailliert werden diese Projekte unter Nachsorge beschrieben, da dort der Schwerpunkt der Arbeit im Selbsthilfebereich liegt.

Der Zugang zum Hilfesystem kann außerdem auch durch die verschiedenen im Krisenfall zur Verfügung stehenden Einrichtungen eröffnet werden. So spricht z. B. immer ein relativ hoher Anteil der Anrufer bei der Telefonseelsorge Berlin eigene Suchtprobleme oder Suchtmittelabhängigkeit in der Familie an.

Sowohl die Rückfallkrise als auch die krisenhafte Zuspitzung einer längeren Suchtkarriere führen zur Inanspruchnahme von psychiatrischen Krisendiensten oder Kriseninterventionsstationen in Krankenhäusern.

Zur emotionalen Unterstützung gerade nach einem Rückfall besteht daneben auch die persönliche Bereitschaft einzelner Selbsthilfegruppenmitglieder zum Gespräch und zur Begleitung ins Krankenhaus oder zur nächsten Gruppensitzung.

Schlußfolgerungen Quantitativ reichen die niedrigschwelligen Angebote weder für Alkoholkranke noch für Drogenabhängige aus. Die wachsende Zahl sozial entwurzelter Menschen mit einem Suchtproblem, die aus allen sozialen Bezügen herausgefallen sind und aus den verschiedensten Gründen von sich aus nicht mehr um Hilfe nachsuchen, ­ aber auch zumeist als „therapieresistent" abgestempelt werden ­ legt nahe, dass hier mehr aufsuchende sowie grundlegende Bedürfnisse befriedigende Angebote entwickelt werden müssen, die gleichzeitig die Chance bieten, Krankheitseinsicht zu erzeugen. Ausgangspunkt solcher Überlegungen sollten jedoch auch weiterhin die bestehenden Einrichtungen und Ressourcen sein.

Die zusätzliche Schaffung sogenannter „Überlebensräume" für Drogenabhängige (diskutiert auch unter den Stichworten Gesundheitsräume/Druckräume), in denen keine ausstiegsorientierte sozialpädagogische Arbeit geleistet wird, sondern die Anleitung und Ermöglichung von Drogenkonsum unter hygienisch kontrollierten Bedingungen („safer use") im Vordergrund steht, ist nach dem derzeitigen Kenntnisstand aus fachlicher Sicht kontraproduktiv. Die Begründungszusammenhänge werden in den Kapiteln 2., 5.1 und 5.2.1 ausführlich erörtert. In einer fachlichen Diskussion mit den anderen Bundesländern wird es weiterhin darum gehen, sich darüber auszutauschen, ob die beabsichtigten Zielsetzungen ­ Verbesserung des Gesundheitszustands Drogenabhängiger, Reduzierung der Drogennot- und -todesfälle, Reduzierung der ordnungspolitischen Probleme mit öffentlichen Drogenszenen ­ mit diesem Konzept tatsächlich erreicht werden können.

Dies gilt ebenso für das häufig geforderte „drug checking", d. h. die Untersuchung von Substanzen auf Wirkstoffgehalt und Beimengungen, ebenfalls mit dem Ziel des „safer use".

Den über die Inanspruchnahme der allgemeinen Gesundheitsversorgung hinausgehenden spezifischen Bedürfnissen von Drogenabhängigen in der medizinischen und hygienischen Basisversorgung wird durch die Angebote der Kontakt- und Szeneläden sowie des Gesundheitsmobils (s. 5.6) ausreichend Rechnung getragen.

Weiterhin ist darauf hinzuwirken, dass Mitarbeiter der Obdachlosenhilfe über genügend Information über das Suchthilfesystem verfügen, um gezielte Hilfen vermitteln zu können; darüber hinaus sollten sie im Rahmen von Fort- und Weiterbildung zumindest eine Basiskompetenz im Umgang mit Suchtkranken erwerben. Diese einer humanitären Überlebenshilfe verpflichteten Einrichtungen sind im besonderen Maße auf die enge Zusammenarbeit mit der ambulanten und stationären Suchtkrankenhilfe angewiesen, damit ihre Mitarbeiter einerseits die Hilfeansprüche ihrer Klientel durchsetzen können und andererseits die eigene Hilflosigkeit im Umgang mit sozial und gesundheitlich verelendeten, „aufgegebenen" und resignierten Abhängigen aushalten können.

Mit den psychiatrischen Krisen- und Notfalldiensten müssen auch die Suchtberatungsstellen zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass auch mit den akuten Krisen der Abhängigen kompetent umgegangen wird. In den Kriseninterventionsstationen der Krankenhäuser muss durch Fortbildung des Personals der Umgang mit Suchtkranken verbessert werden: diese lehnen noch zu häufig die Aufnahme intoxikierter Patienten ab. Dies gilt insbesondere für alkoholisierte Patienten, obwohl die Alkoholisierung oft eine schwere depressive bzw. suizidale Krise nur verdeckt.

Grundsätzlich gilt, dass niedrigschwellige Hilfen im Sinne von Überlebenshilfen suchtstoffübergreifend, flexibel, mobil, orientiert an den jeweils aktuellen Bedarfslagen der sozial desintegrierten Abhängigen auszurichten sind.

Beratung:

Funktion, Aufgaben, Ziele:

Der Rahmenplan der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (DHS) für Beratungs- und Behandlungsstellen beschreibt ein komplexes Aufgabenspektrum für Behandlungsund Beratungsstellen, unabhängig von der Art der Suchterkrankung. Er sieht vor:

a) Kontaktaufnahme über aufsuchende Sozialarbeit

b) Versorgung in Form von Notschlafstellen, ärztliche/medizinische Grundversorgung, Erste-Hilfe-Maßnahmen, hygienische Basisversorgung, Zubereitung von Mahlzeiten

c) Beratung in Form von qualifizierter professioneller Suchtberatung, Vermittlung zur Entgiftung und Entwöhnung oder zu anderen spezialisierten Hilfen (Schuldnerberatung, Eheberatung), Krisenintervention

d) Betreuung in Form von langfristiger Begleitung incl. therapeutischer Einzel- und Gruppenangebote, Hilfen zur sozialen und beruflichen Wiedereingliederung

e) Behandlung ­ Anamnese, Diagnose und Indikationsstellung, Therapieplanung, Durchführung der ambulanten Behandlung

f) Nachsorge als Betreuung nach ambulanter oder stationärer Therapie, incl. Maßnahmen der beruflichen und sozialen Wiedereingliederung

g) Unterstützung der Selbsthilfegruppen

h) Prävention als originäre Aufgabe einer Beratungstelle

i) Koordination/Kooperation

Die Beratungsstellen sollen das Zusammenwirken von Institutionen und Berufsgruppen auf dem Gebiet der Suchthilfe garantieren

j) Öffentlichkeitsarbeit

Die Beratungsstellen sollen Lobbyarbeit für die Suchtthematik organisieren und durch Medienarbeit, Tagungen u. ä. gesellschaftlich relevante Kräfte ansprechen

- Dokumentation Beratungsstellen sind verpflichtet, personenbezogene und einrichtungsbezogene Daten schriftlich zu dokumentieren1)

Dieses „idealtypische" Konzept entspricht allerdings nicht dem in langen Jahren gewachsenen Hilfesystem in Berlin, weil zahlreiche dort beschriebene Aufgaben nicht von der „Institution" Beratungsstelle, sondern auch von anderen Einrichtungen und Personen erfüllt werden.

Die wichtigste Funktion von Suchtberatungsstellen liegt darin, den Betroffenen und ihren Angehörigen die Kontaktaufnahme zu ermöglichen, nach einer sorgfältigen Diagnostik die Indikation für eine dem Klienten (derzeit) angemessene therapeutische Maßnahme zu stellen und den einzelnen zur Annahme der Hilfen zu motivieren. Soweit Abhängige noch nicht aus allen sozialen Beziehungen herausgefallen sind, wird zunehmend versucht, sie ambulant ­ gegebenenfalls nach einer Entgiftung oder medizinischen Begleitbehandlung ­ in einzel- oder gruppentherapeutischen Angeboten zu stabilisieren. Ist dies nicht möglich oder sinnvoll, besteht die Aufgabe der Beratungsstelle in der Vermittlung in eine geeignete stationäre Therapie; dazu gehört auch, den körperlichen Status durch einen Arzt abklären zu lassen, die Mitwirkung beim Erreichen der Kostenübernahme und die Beratung bei der Regelung persönlicher und sozialer Probleme. Vor allem gilt es dann, die oft gefährdende Wartezeit bis zum Antritt der Therapie oder zur klinischen Entgiftungsbehandlung durch Gesprächs- und Beziehungsangebote zu überbrücken.

Oft ist eine akute Krisensituation ­ Probleme in der Partnerbeziehung, ein Anwachsen der Schulden, Arbeits- und Wohnungsverlust ­ Anlaß, das Beratungsangebot anzunehmen. Auf Grund der unterschiedlichen gesellschaftlichen Bewertung der Suchterkrankungen ist das Aufsuchen einer Beratungsstelle vor allem für Alkohol- und Medikamentenabhängige schwierig. Das Aufsuchen der Beratungsstelle ist das Eingeständnis, ein Suchtproblem

1) Vgl. Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (DHS) e. V., Rahmenplan für Beratungs- und Behandlungsstellen für Suchtkranke und deren Angehörige in: Informationen zur Suchtkrankenhilfe 2/1992, Hamm 1992 zu haben. Deshalb muss dem Anruf in einer Beratungsstelle ein sofortiges Gesprächsangebot folgen, um diese Situation zu nutzen. Erst daraus folgt eine erste Diagnosestellung und die Motivierung zur Annahme eines Hilfeangebotes. Die Motivation von Süchtigen, sich einem für sie schamvollen und belastenden Beratungs- und Behandlungsprozeß zu öffnen, ist naturgemäß sehr instabil. Es kommt daher in dieser ersten Phase wesentlich darauf an, eine Beziehung aufzubauen, die als hilfreich und unterstützend erlebt wird, den Suchtmittelkonsum aber gleichwohl thematisiert und nicht entschuldigt.

Beratungsstellen kommt im wesentlichen die Aufgabe zu, die aktuelle Situation der Hilfesuchenden zu klären und nach gründlicher Anamnese der körperlichen, psychischen und sozialen Situation eine individuelle Behandlungsplanung aufzustellen: Ausmaß der Abhängigkeitserkrankung, psychosoziale Not, Arbeitsplatzprobleme bzw. Ausmaß der Desintegration, Inhaftierungsfolgen müssen abgeklärt werden. Suchtberatungsstellen haben die Aufgabe, ihre Klienten aufzusuchen: in Kliniken, in Betrieben, im Strafvollzug, an bestimmten Treffpunkten oder auch im häuslichen Milieu.

Regionalisiert arbeitende Beratungsstellen haben die Aufgabe, in der Region die Zusammenarbeit aller Hilfeeinrichtungen zur Versorgung Suchtkranker zu koordinieren. Im Einzelfall gilt dies ohnehin, da sie personale Kontinuität für die Dauer des gesamten Behandlungsprozesses anstreben sollten.

Situationsbeschreibung:

­ illegale Drogen sowie Spielsucht.

In den westlichen Bezirken Berlins wird Suchtberatung bislang auf zwei Ebenen angeboten: Das Beratungsfeld im Hinblick auf die illegalen Drogen, das zwischenzeitlich noch um die Problematik der Spielsucht erweitert wurde und auch die psychosoziale Betreuung Substituierter verbindlich durchführt, hat sich völlig unabhängig von den Beratungsstellen für Alkohol- und Medikamentenabhängige entwickelt und institutionalisiert. Inzwischen verfügt das Suchthilfesystem im Bereich der illegalen Drogen (incl. Spielsucht) über 9 Beratungsstellen im Westteil der Stadt, von denen der Drogennotdienst, Misfit sowie der Frauenladen eine doppelte Funktion sowohl als niedrigschwelliges Angebot wie auch als Beratungsstelle erfüllen. Zwei integrierte Suchtberatungsstellen im Ostteil der Stadt bieten Hilfe auch für von illegalen Drogen Abhängige an.

Die Aufgaben von Drogenberatern haben sich im Laufe der Jahre deutlich verändert. Bislang galten für jede Drogenberatungsstelle folgende anteilmäßigen Schwerpunkte für die Verteilung der Personalkapazitäten:

1. Kontaktarbeit/Streetwork 10 bis 15 %

2. Prävention/Nachsorge 10 bis 15 %

3. Beratung in Haftanstalten 20 bis 25 %

4. Beratung/Therapievermittlung, Gruppenarbeit 45 bis 55 %

Durch den Ausbau niedrigschwelliger Hilfen und die Stärkung spezieller präventiver Maßnahmen im Gesamtverbund der Suchthilfe sind die Aufgabenbereiche 1. und 2. bei den Drogenberatungsstellen stark reduziert bzw. völlig eingestellt worden. Als zentrale Aufgaben sind Beratung, Therapievermittlung sowie die langfristige Betreuung Drogenabhängiger stetig angewachsen, was auch aus den Statistiken über die Tätigkeit der Beratungsstellen deutlich ablesbar ist (s. Tab. 1, Anhang)

Die folgende Darstellung beschreibt die einzelnen Einrichtungen: Drogenberatungsstellen:

Der „Drogennotdienst (DND)" wurde bereits als niedrigschwelliges Angebot ausführlicher dargestellt. Auch als Akutberatungsstelle nimmt er vor allem die zentrale Funktion wahr, dem hohen Bedarf an akuter Versorgung mit einem durchgängigen Krisenangebot und der entsprechenden Vermittlung sowie Koordinierung von Hilfen Rechnung zu tragen.

Die Drogenberatungsstelle „Haltestelle ­ Durak" in Kreuzberg wendet sich mit ihrem Beratungs- und Betreuungsangebot vor allem an drogengefährdete und drogenabhängige Migranten.