Erfordernisse des Datenschutzes für die Strafverfolgung

Straftaten sowie in § 161 eine dem Wortlaut nach unbeschränkte Amtshilfevorschrift, deren Grenzen etwa im Bereich besonderer Amts- und Berufsgeheimnisse erst in die Vorschrift hineininterpretiert werden müssen. Lediglich einige spezielle Datenschutzvorschriften insbesondere im Sozialgesetzbuch enthalten Bestimmungen, die die zulässigen Auskünfte auch gegenüber Strafverfolgungsbehörden beschränken. Diese waren auch von Anfang an prompt Gegenstand heftigster Kritik sowie von Bemühungen, diese Beschränkungen wieder zurückzudrängen oder gar aufzuheben. Im übrigen beziehen sich die Klagen häufig auf Auskunftsverweigerungen, bei denen sich die befragten Stellen zu Unrecht auf den Datenschutz berufen.

Es liegt in der Natur der Sache, dass insbesondere im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, das zunächst vorrangig ­ ggf. auch zugunsten des Beschuldigten ­ der Wahrheitsermittlung dient, andere Maßstäbe gelten müssen, als bei rein verwaltungsmäßigen oder privatrechtlichen Vorgängen.

Die Beratungen zu den Gesetzesnovellen dienen der Herstellung einem angemessenen Interessenausgleichs. Aussagen wie „Datenschutz ist Täterschutz" macht sich der Senat dabei nicht zu eigen.

Der kurz vor Ende des Jahres von der Bundesregierung in das Parlament eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Strafverfahrensrechts Strafverfahrensänderungsgesetz 1996-(StVÄG 1996)6 enthält zwar eine Reihe detaillierter Bestimmungen zur Nutzung personenbezogener Daten, lässt aber ebenfalls eine klare, auf die informationelle Selbstbestimmung orientierte Zielrichtung nicht erkennen.

Vielmehr werden die Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden deutlich ausgeweitet: Die Formulierung, die Polizeibeamten seien berechtigt, „Ermittlungen jeder Art vorzunehmen", ist mit der informationellen Selbstbestimmung, die eine normenklare Aussage verlangt, auf keinen Fall mehr vereinbar.

Zum Entwurf eines Strafverfahrensänderungsgesetzes 1996 wird auf die Stellungnahme zu 4.3.1 „Justiz" („Strafprozeßordnung") verwiesen.

Während bei der Justiz, wenn auch spät und unzureichend, zumindest das Bestreben erkennbar ist, durch eine Anpassung der StPO an die formalen Erfordernisse des Datenschutzes für die Strafverfolgung eine verfassungsmäßige Rechtslage zu schaffen, ist ein entsprechender Wille in der Finanzverwaltung nicht vorhanden. Seit vielen Jahren mahnen die Datenschutzbeauftragten die Aufnahme datenschutzgerechter Bestimmungen in die Abgabenordnung (AO) an, das Verfahrensrecht der Steuerverwaltung. Entsprechende Vorschläge wurden bislang nicht aufgegriffen. Um einen Fortschritt zu erzielen, wurde eine Erörterung zwischen Datenschutzbeauftragten und den sogenannten „AO-Referenten" angesetzt. Diese verlief völlig erfolglos. Nicht nur, dass die Ministerialbeamten die Vorschläge der Datenschutzbeauftragten im einzelnen ablehnten; vielmehr wurde das geradezu archaische Argument vertreten, die Existenz des Steuergeheimnisses mache es überflüssig, überhaupt Datenschutzregelungen zu erlassen. Die Beamten gingen so weit zu behaupten, die Forderung, durch gesetzliche Regelungen mehr Transparenz für den Steuerpflichtigen zu schaffen, gehe ins Leere, da die Bürger das Gesetz sowieso nicht lesen würden. Es ist kaum faßbar, daß bundesweit in einer Ministerialbürokratie den Bürger derart geringschätzende Äußerungen möglich sind.

Diese Befunde lassen darauf schließen, dass derzeit offensichtlich andere Prioritäten als die der Sicherstellung der Grundrechte gelten. Diese Vermutung wird gestärkt durch eine weitere Beobachtung: Angesichts schwieriger Probleme in der Gesellschaft nimmt offensichtlich die Bereitschaft zu, in mehr und mehr Bereichen Lösungen mit Mitteln zu suchen, die bisher polizeilichem Denken vorbehalten waren.

So wird die „Rasterung", also die systematische Durchforstung ganzer Datenbestände und deren Abgleich mit anderen Daten, zu einem vielfach begehrten Instrument der Verwaltungstätigkeit. Ursprünglich als unbestritten eingriffsintensives Mittel der polizeilichen Fahndung Entgegen der Darstellung des vorliegenden Berichts steht der Senat insgesamt Vorschlägen zur Fortentwicklung der Abgabenordnung (AO) für den Bereich des Datenschutzes positiv gegenüber. Der Auffassung des Datenschutzbeauftragten kann aber nicht gefolgt werden, wenn behauptet wird, dass die AO insgesamt den verfassungsrechtlichen Anforderungen zur Wahrung des Persönlichkeitsrechts der Betroffenen bei der Verarbeitung und Nutzung der personenbezogenen Daten nicht genügt.

Weder das Bundesverfassungsgericht noch der Bundesfinanzhof haben bisher Vorschriften der AO aus datenschutzrechtlicher Sicht beanstandet. Vielmehr wurden Vorschriften der AO wie beispielsweise das Steuergeheimnis (§ 30 AO), die Auskunfts- und Anzeigepflichten sowie die Ermächtigung zur Ausschreibung von Kontrollmitteilungen (§§ 93 Abs. 1, 194 Abs. 3, 208 Abs. 1 AO) ausdrücklich oder inzident für verfassungsgemäß angesehen. Wenn daher die Vorschriften der AO auch insgesamt unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten verfassungskonform sind, so ist allenfalls eine Präzisierung bestimmter Vorschriften möglich, soweit dies eine wirkliche Verbesserung in datenschutzrechtlicher Hinsicht bedeutet.

Aus dieser Sicht heraus hat das Bundesministerium der Finanzen zusammen mit den für Fragen der Abgabenordnung zuständigen Vertretern der obersten Finanzbehörden der Länder eine Vielzahl von Vorschlägen zur datenschutzrechtlichen Verbesserung der AO, die der Bundesbeauftragte für den Datenschutz im Einvernehmen mit den Landesbeauftragten für den Datenschutz an das Bundesministerium der Finanzen herangetragen hat, geprüft und gegenüber dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz mit Schreiben vom 11. März 1997 (IV A 4 ­ S 0030 ­ 3/97) Stellung genommen. Eine Ablichtung dieses Schreibens ist zwischenzeitlich von der Senatsverwaltung für Finanzen an den Berliner Datenschutzbeauftragten weitergeleitet worden.

Die Prüfung der einzelnen Vorschläge ist zum Teil noch nicht entwickelt, das ohne schwere Not nicht einsetzbar galt, wird dieses nunmehr verharmlosend „Datenabgleich" genannte Verfahren in allerlei Situationen als Allheilmittel betrachtet. Die Befugnis der Sozialhilfebehörden, derartige Rasterungen durchzuführen, wurde bereits vor Jahren in das Bundessozialhilfegesetz hineingeschrieben und im vergangenen Jahr noch verschärft. Nur das Zögern des Bundesgesundheitsministeriums, eine entsprechende Verordnung zu erlassen, und technische Probleme vor Ort verhindern bisher eine flächendeckende Rasterung von Sozialdaten. Der Drang der Rundfunkanstalten, ihr Gebührenaufkommen dadurch zu erhöhen, dass alle Veränderungen im Melderegister mit den Beständen der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) „abgeglichen" werden, lieferte im vergangenen Jahr in Berlin ein beredtes Beispiel, mit welchen Nachahmern noch zu rechnen ist. abgeschlossen.

Eine Steigerung erhält diese Tendenz, wenn eine zweite polizeiliche Methode in das Verfahren einbezogen wird: die erkennungsdienstliche Behandlung insbesondere in der Form der Daktyloskopie, der Abnahme und Auswertung von Fingerabdrücken. Ebenfalls früher in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren noch mit Zurückhaltung genutzt, wird sie zunehmend in ganz anderen Bereichen gefordert. Bereits vor zwei Jahren wurde bundesweit entgegen dem klaren Votum der Datenschutzbeauftragten die Möglichkeit der vollständigen daktyloskopischen Erfassung der Asylbewerber eingeführt, im vergangenen Jahr war über den (bislang gescheiterten) Versuch der Berliner Innenverwaltung zu berichten, alle bosnischen Kriegsflüchtlinge entsprechend zu erfassen; seit einiger Zeit wird die Erhebung entsprechender Daten von allen ausländischen Sozialhilfeempfängern diskutiert ­ das Bundeskriminalamt, das als einziges über die entsprechenden bundesweit einsetzbaren Techniken verfügt, als Erfüllungsgehilfe der Sozialämter!

Es ist richtig, dass der Bundesgesetzgeber im Ausländer- und Asylverfahrensrecht Regelungen geschaffen hat oder zu schaffen beabsichtigt, die die erkennungsdienstliche Behandlung ermöglicht oder für bestimmte Personengruppen zwingend vorschreibt. Unzutreffend ist dagegen die Behauptung, es bestehe „die Möglichkeit der vollständigen daktyloskopischen Erfassung der Asylbewerber". Asylbewerber mit einer unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung oder Personen vor Vollendung des 14. Lebensjahres werden nicht erkennungsdienstlich behandelt (§ 16 Abs. 1 AsylVfG).

Im übrigen dienen gerade die angesprochenen Befugnisnormen der Bekämpfung von Mißbrauch, da etwa bei Asylbewerbern oder sonstigen Flüchtlingen eine Vielzahl von Personen über keine Ausweisdokumente verfügt oder dies zumindest behauptet.

Auch der Aufbau zentraler Vorratssammlungen personenbezogener Daten in einzelnen Bereichen hat in den kriminalpolizeilichen Täter-/Tatsammlungen sein Vorbild; der einstige Präsident des Bundeskriminalamtes war viel Kritik ausgesetzt, als er den Aufbau derartiger Verfahren (mit sozialtherapeutischer Zielrichtung) in Erwägung zog ­ heute scheut man sich nicht einmal davor, derartige Sammlungen für Wanderzirkusse einzurichten.

Es ist nicht verwunderlich, dass auch die Privatwirtschaft diesen Trend aufnimmt. Das „Scoring" bei der Kreditkartenvergabe oder der Datenhunger von Vermietern12 weisen in die Richtung Rastern, über Daktyloskopie als Sicherheitsinstrument wird im Rahmen „biometrischer" Methoden immer lauter nachgedacht, Vorratsspeicherungen in Form „schwarzer Listen" werden in immer mehr Bereichen angelegt.

Wo führt dieser Weg hin? Jedenfalls nicht in eine freiheitlichere Gesellschaft, die wir alle anstreben sollten, sondern mit größerer Wahrscheinlichkeit in eine Gesellschaft, in der ­ wie es das Bundesverfassungsgericht klassisch formuliert hat ­ der Bürger von seinen Freiheitsrechten keinen Gebrauch mehr macht, weil er sich vom Staat und, man wird heute ergänzen müssen, von privaten Unternehmen ­ beobachtet fühlt.

Bericht des Berliner Datenschutzbeauftragten Stellungnahme des Senats dem Inkrafttreten der dritten Stufe der „Postreform" mit dem Telekommunikationsgesetz (TKG)13 ist nunmehr eine (vorläufig?) endgültige Regelung der Telekommunikation erreicht, die zum Teil zufriedenstellende, zum Teil problematische Bestimmungen zum Datenschutz enthält.

Ergänzt wird das TKG durch die neue Telekommunikationsdienstunternehmen-Datenschutzverordnung (sic!) (TDSV), die allerdings noch auf der alten Rechtslage aufsetzt.

Von der Bundesregierung eingebracht wurden im Rahmen des Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetzes (IuK-Dienste-Gesetz) der Entwurf eines Teledienste-Datenschutzgesetzes sowie eines Gesetzes zur digitalen Signatur, die das auf den Netzbetrieb beschränkte TKG um Regelungen im Bereich der Telekommunikationsdienste ergänzen.

In Kraft getreten sind mehrere Gesetze auf dem Gebiet des Sozialrechts mit einer Reihe von Regelungen zu Datenverarbeitung und Datenschutz, so das neue 7. Buch des Sozialgesetzbuches zum Recht der gesetzlichen Unfallversicherung (SGB VII), ein Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes, das Mitteilungspflichten zwischen Ausländerbehörden und Sozialleistungsträgern vorsieht, sowie eine Reform des Sozialhilferechts u.a. mit dem bereits erwähnten Ziel, den Datenabgleich zwischen Sozialleistungsträgern zu erleichtern.

In parlamentarischer Beratung befindet sich der Entwurf eines

3. Buches des Sozialgesetzbuches zur Einordnung der Arbeitsförderung (SGB III), die Bemühungen, auch das Recht der Rehabilitation und Eingliederung Behinderter in das SGB einzufügen (SGB IX), sollen wieder aufgenommen werden.

Änderungen des Stasi-Unterlagen-Gesetzes brachten einen Ausschluß von Auskünften über Tätigkeiten, die vor 1976 stattfanden, aber auch eine Verlängerung der Frist, bis zu der die alten Datenbestände des Zentralen Einwohnerregisters der DDR genutzt werden können, bis 31. Dezember 2005. Der letzte Punkt war vor Jahren Gegenstand intensiver Auseinandersetzungen zwischen den Datenschutzbeauftragten und den interessierten Behörden; auch die Möglichkeit, die eigenen personenbezogenen Daten in den Stasiunterlagen anonymisieren bzw. löschen zu lassen, wurde um zwei Jahre auf Anfang 1999 hinausgeschoben.

Veränderungen für alle Verkehrsteilnehmer wird das Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes bringen, mit dem vor allem ein Zentrales Fahrerlaubnisregister eingeführt werden soll; das Gesetz wird derzeit im Bundestag beraten.

Das datenschutzrechtlich für die nächsten Jahre bedeutsamste Vorhaben ist noch nicht auf den Weg gebracht: die Umsetzung der EU-Richtlinie zum Datenschutz aus dem Jahr 1995. Die Datenschutzbeauftragten haben sich ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt, welche Änderungen des Bundesdatenschutzgesetzes nicht nur unerläßlich sind, sondern auf welche Weise das deutsche Recht insbesondere auch vor auf dem Hintergrund neuer technischer Gegebenheiten weiterentwickelt werden sollte. Leider ist den Verlautbarungen aus dem Bundesinnenministerium zu entnehmen, dass man dort eine minimalistische

Der Senat wird über die Notwendigkeit von Änderungen des Bundesdatenschutzgesetzes und sein Stimmverhalten im Bundesrat entscheiden, sobald der entsprechende Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Anpassung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) an die EU-Richtlinie zum Datenschutz vorliegt.