Unterirdische Verlegung von bisher oberirdischen Hochspannungsleitungen in Berlin

„Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen über Beseitigung der Altlasten des Energiekombinats Berlin durch dessen vermögende Rechtsnachfolgerin ­ Drs 13/916 ­ wird unter Änderung der Überschrift in Unterirdische Verlegung von bisher oberirdischen Hochspannungsleitungen in Berlin in folgender Fassung angenommen: Der Senat wird aufgefordert, gegenüber der Bewag und der VEAG darauf hinzuwirken, dass sie ihre unterirdischen Verkabelungsmaßnahmen insbesondere dort, wo sich Menschen regelmäßig aufhalten (z. B. Umfeld von Schulen, Kindertagesstätten, Wohnungen, Kleingärten etc.) in verstärktem Maße fortführen."

Hierzu wird berichtet:

1. Bekanntlich genießen die Freileitungsnetze im Ostteil der Stadt auf Grund der entsprechenden Regelungen im Einigungsvertrag rechtlich Bestandsschutz bis zum Jahr 2010, so daß weder die Bewag noch die VEAG gezwungen werden könnten, vorzeitig zu verkabeln.

2. Der Bundesrat hat am 8. November 1996 der Verordnung über Grenzwerte für die Belastung durch elektromagnetische Felder zugestimmt (26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 16. Dezember 1996).

Nach Aussagen der Bewag werden die Grenzwerte der Verordnung bereits von allen Anlagen in Berlin nach eindeutiger Feststellung unabhängiger Institute eingehalten. Die Grenzwerte der Verordnung liegen für Wechselstrom mit einer Frequenz von 50 Hz bei 5 kV/m für elektrische und 100 µT für magnetische Felder bei Dauerexposition. Die Aufnahme eines von einigen Ländern vorgeschlagenen „Überspannungsverbots von bewohnten Gebäuden" in die Verordnung hat im Bundesrat keine Mehrheit gefunden.

3. Der Senat hat allerdings bereits vor Jahren in erster Linie aus städtebaulichen Gründen, aber auch wegen der kontroversen Grenzwertdiskussion und der Schwierigkeiten, aus epidemiologischen Untersuchungen hinreichend sichere Resultate abzuleiten, im Sinne des Beschlusses gehandelt. So hat er z. B. im Rahmen der Verhandlungen über den Konzessionsvertrag gefordert, dass die Bewag Hochspannungsfreileitungen im Ostteil der Stadt verkabelt. Das Unternehmen hat es jedoch seinerzeit vorgezogen, auf vertragliche Zusicherungen zu verzichten und statt dessen auf freiwilliger Basis Verkabelungen vorzunehmen.

4. Auf folgende Leistungen kann verwiesen werden:

- Im Westteil der Stadt werden seit längerem im Zuge der Netzerweiterung auf der 110-kV-Spannungsebene ausschließlich Kabel verwendet.

- Im Ostteil der Stadt wurden seit 1989 keine 110-kV-Freileitungen mehr errichtet, bestehende Freileitungen dieser Spannungsebene werden im Rahmen der Sanierung und Umstrukturierung der Netze ­ soweit möglich ­ sukzessive durch Kabel ersetzt. So wurde z. B. die Speisung des Umspannwerkes Niederschönhausen, für die zu DDR-Zeiten eine Freileitung vom Umspannwerk Malchow vorgesehen war, schon mit 110-kV-Kabel realisiert.

- Im Rahmen der sogenannten Diagonal-Höchstspannungsverbindung zwischen den Umspannwerken Mitte und Neuenhagen werden Freileitungen der Spannungsebene 110 kV und 220 kV in einer Länge von 65,5 km (davon in Berlin 32 km) durch ein 380 kV-Kabel (Umspannwerk Mitte bis Umspannwerk IPH) sowie im Stadtrandbereich durch 23 km 380-kV-Freileitungen (in Berlin davon 12 km) ersetzt.

5. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Bewag und die VEAG bei den Ersatzleitungen hinsichtlich Abstand und Trassenführung nach den gültigen technischen Standards bauen, d. h., dass die alten Trassenführungen der ehemaligen Versorgungsunternehmen mit direkter Überquerung von Wohngebäuden etc. zukünftig ausgeschlossen sind. Der freiwillige Rückbau bzw. Umbau der Höchstspannungsleitungen im Bereich Marzahn/Hellersdorf/Lichtenberg/Neuenhagen ist darüber hinaus mit ausdrücklicher Billigung durch die betroffenen Bezirke erfolgt, im übrigen ist die Öffentlichkeit am Verfahren beteiligt worden.

6. Der Senat ist sich der hohen finanziellen Aufwendungen der Bewag und der VEAG zur umweltverträglichen Sanierung ihrer Anlagen bewußt. Er sieht auch die betriebswirtschaftlichen Herausforderungen des zukünftigen Strombinnenmarktes. Gleichwohl erwartet er, dass die freiwillige Verkabelung von Hochspannungsleitungen auch in Zukunft fortgesetzt wird.

7. Da wegen des Bestandsschutzes kein Rechtsanspruch auf Verkabelung besteht, blieb dem Senat nur ein erneuter Appell an die Unternehmen. Deshalb wurden am 5. April 1997 die Vorstände der Bewag und der VEAG aufgefordert, wohlwollend zu prüfen, ob und gegebenenfalls welche Hochspannungsfreileitungen im Stadtgebiet durch eine Änderung der Trassenführung oder durch Verkabelung vorzeitig modernisiert werden könnten. Den beigefügten Antworten ist zu entnehmen, dass die Unternehmen bemüht sind, auch zukünftig bei Netzstrukturmaßnahmen die Möglichkeiten zur Reduzierung von Freileitungstrassen, insbesondere in dichtbesiedelten Gebieten, zu berücksichtigen. Gleichwohl sind die Stellungnahmen beider Unternehmen letztlich als höfliche Absagen zu werten, gegen die es zur Zeit leider keine weitere Handhabe gibt.

Wir bitten, den Beschluß damit als erledigt anzusehen.

Hauptaufgabe der VEAG ist im Zusammenwirken mit der Bewag die sichere und qualitätsgerechte Energieversorgung. Zu diesem Zweck betreibt die VEAG die nachfolgenden Freileitungen, die zumindest abschnittsweise in Berlin verlaufen:

Mit der Bewag wurde im März 1995 vertraglich vereinbart, daß bestimmte, im Stadtgebiet von Berlin verlaufende Teilstücke der VEAG-Freileitungen

- 220-kV-Leitung Neuenhagen ­ Thyrow 301/302/291 (vom Umspannwerk Wuhlheide bis zur Stadtgrenze in Richtung Neuenhagen und bis zur Stadtgrenze in Richtung Thyrow),

- 110-kV-Leitung Neuenhagen ­ HKW Lichtenberg 1/2 und

- 110-kV-Leitung Neuenhagen ­ Friedrichshain 3/4 bis zum 31. Dezember 1999 in das Eigentum der Bewag übergehen.

Aus diesen und aus bauplanungsrechtlichen Gründen halten wir es für geboten, dass bei der Planung der vorgesehenen Wohnbebauung (wie auch bei anderen Bauvorhaben des Landes Berlin) die vorhandenen und bestandsgeschützten Freileitungen ausreichend berücksichtigt werden. Wir verweisen auf das Abwägungsgebot in § 1 Abs. 6 BauGB und das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot. Dies kann zweckmäßigerweise durch die Einordnung von Grünanlagen, Parkflächen etc. im Nahbereich der Freileitungen erreicht werden, da im Freileitungsschutzstreifen (Anhaltswert 50 m beidseitig der Trassenachse) nach den obengenannten Regelungen des GBBerG und der SachenR-DV Bau- und Nutzungsbeschränkungen bestehen.

Hinsichtlich der kontroversen Diskussion über die von Hochspannungsleitungen ausgehenden elektrischen und magnetischen Felder verweisen wir auf die seit dem 1. Januar 1997 geltende 26. Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Verordnung über elektromagnetische Felder). Darin sind für Bereiche, die für den nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind (z. B. Wohnungen, Schulen, Kindergärten), Feldwerte festgelegt, die unter denen der gültigen DIN-Vorschrift liegen. Jeder Betreiber von Elektroenergieversorgungsanlagen mit einer Nennspannung größer 1 kV, also auch die VEAG, muß demnach für seine bestehenden Anlagen nach der festgelegten Übergangsfrist die entsprechenden Feldwerte einhalten.

Aus technischer Sicht ist festzuhalten, dass eine Verkabelung der Freileitungen, bei Außerbetrachtlassung von wirtschaftlichen und sonstigen physikalisch-technischen Gesichtspunkten (u. a. Übertragungsfähigkeit, eingeschränkte Überbaubarkeit konventioneller Kabeltrassen), nicht das Problem der elektrischen und magnetischen Felder löst, mithin hier nur eine visuelle Alternative zur Freileitung ist.

Den von Ihnen angesprochenen objektiven Gefährdungsmöglichkeiten überspannter Gebäude durch Seilbruch o. ä. wird durch die Auslegung der Freileitungen nach dem jeweils neuesten Stand der Technik und der geltenden Sicherheitsanforderungen Rechnung getragen, das heißt, alle Komponenten der Freileitung sind für eine erhöhte Sicherheit ausgelegt, so dass eine Gefährdung überspannter Gebäude ausgeschlossen ist. Zudem werden die Freileitungen regelmäßigen Wartungs- und Instandhaltungsintervallen unterzogen.

In der Hoffnung, mit meinen Ausführungen Ihre Anfrage ausreichend beantwortet zu haben, stehe ich gerne für ein vertiefendes Gespräch zur Verfügung. Dieses sollte dann zweckmäßigerweise zusammen mit der Bewag durchgeführt werden.

Wie bereits in Ihrem Schreiben vom 5. April 1997 dargestellt, führen die Inbetriebnahme der 380-kV-Diagonalverbindung und die Realisierung weiterer Netzinvestitionen der Bewag, die letztendlich der obengenannten sicheren und qualitätsgerechten Energieversorgung dienen, zur Außerbetriebnahme und dem Rückbau nicht mehr benötigter Freileitungen im Stadtgebiet.

Mit dieser Neuordnung von Freileitungen im Raum Marzahn, die zu einer Reduzierung von Freileitungstrassen im Stadtgebiet um rund 33 km führen soll, wird ein wesentlicher Beitrag zur städtebaulichen und landschaftlichen Entwicklung geleistet.

Durch den Rückbau der obengenannten 110-kV-Freileitungen HKW Lichtenberg 1/2 (komplett) und Friedrichshain 3/4 (teilweise) sowie der 220-kV-Freileitung 301/302/291 (Teilstück von Neuenhagen/Stadtgrenze bis Biesdorf-Süd) entfallen für diese Abschnitte die von Ihnen und von Abgeordneten des Parlamentes getragenen Sorgen. Für die im Stadtgebiet verbleibenden Abschnitte der vorgenannten Freileitungen ist es nach unserer Auffassung angebracht, Veränderungsmöglichkeiten bei Erfordernis gemeinsam mit dem künftigen Eigentümer Bewag abzustimmen.

Bei den bestehenden, im Eigentum der VEAG befindlichen Anlagen handelt es sich ­ wie Sie richtig anmerken ­ um Leitungen, die von unseren Rechtsvorgängern übernommen wurden. Wir bitten jedoch, diese Freileitungen nicht als „Altlasten" zu bezeichnen. Diese Bezeichnung impliziert eine Sanierungspflicht der VEAG, die natürlich weder unter rechtlichen noch unter technischen Gesichtspunkten besteht. Die Freileitungen sind nach den damaligen genehmigungsrechtlichen Vorgaben errichtet worden und dürfen auch nach der im Zuge der Deutschen Einheit vollzogenen Rechtsangleichung weiter betrieben werden.

Dieser Bestandsschutz ergibt sich aus dem Einigungsvertrag vom 31. August 1990 (vgl. dort Anl. II Kapitel V Sachgebiet D Abschnitt III Nr. 4) bzw. aus § 9 Grundbuchbereinigungsgesetz (GBBerG) i. V. m. § 4 Sachenrechts-Durchführungsverordnung (SachenR-DV).

Auf Grund des obengenannten Eigentumsüberganges wird VEAG spätestens ab dem Jahr 2000 nur noch mit Abschnitten der

- im Raum Buch/Karow befindlichen

- 380-kV-Leitung 517/518/520 und

- 220-kV-Leitung 293/294/295 sowie

- im Raum Wartenberg/Maichow befindlichen

- 380-kV-Einschleifung Malchow der obengenannten Leitung 517/518/520 und

- 110-kV-Leitung GTKW Nord ­ Malchow das Stadtgebiet von Berlin überspannen.

Insbesondere die beiden Freileitungen im Raum Buch/Karow rückten in der jüngsten Vergangenheit durch die dortigen Wohnungsbauvorhaben verstärkt in den Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit.

Zum Zeitpunkt der Errichtung beider Freileitungen in den Jahren 1959 beziehungsweise 1979 erfolgte deren räumliche Einordnung in diesem Bereich anhand der vorhandenen Autobahn im Sinne einer Trassenbündelung sowie auf „grüner Wiese" (ehem. Rieselfelder).

Sehr geehrter Herr Senator Strieder,

Ihr Schreiben vom 5. dieses Monats zum Thema 110-kV-Freileitungen im Ostteil der Stadt haben wir erhalten.

Mit der Wiedervereinigung Berlins und der damit verbundenen Zusammenführung beider Stromnetze steht unser Unternehmen seit Jahren vor großen Herausforderungen. Mit hohen Investitionen wird die Sicherheit der Stromversorgung im ehemaligen Ostteil der Stadt, insbesondere durch Auswechselung sanierungsbedürftiger Anlagen, ertüchtigt.

Auch die von Ihnen angesprochenen 110-kV-Freileitungen im Ostteil der Stadt (78 km) wurden ertüchtigt und stellen im entscheidenden Maße die Voraussetzung zur Versorgung mit elektrischer Energie dar. Sie sind bestandsschutzrechtlich für unser Unternehmen gesichert.

Wir verkennen nicht, dass die möglichen Auswirkungen von Freileitungen auf den Menschen in den letzten Jahren vielfach in der Öffentlichkeit diskutiert wurden und zu einer Verunsicherung in der Bevölkerung führten. Auf der Grundlage medizinischer Untersuchungen sowie der Standpunkte nationaler und internationaler Kommissionen wurde Ende letzten Jahres ein neuer Vorsorgegrenzwert gesetzlich festgelegt.

Dieser Grenzwert (siehe hierzu 26. Verordnung zum BundesImmissionsschutzgesetz) wird bei unseren bestehenden 110-kVFreileitungen um ein Vielfaches unterschritten, so dass aus diesem Grunde keine Veränderung oder Beseitigung der Freileitungen erforderlich ist. Aus anderen Anlässen wurden seit der Wende 6,5 km Freileitungen demontiert.

Im Zuge der Errichtung der 380-kV-Diagonalverbindung ist vorgesehen, bis zum Jahr 2001 ca. 33 km Freileitungstrassen der Spannungsebenen 220 kV und 110 kV im Ostteil der Stadt abzubauen. Im Vorfeld wurde das Konzept mit den Senatsdienststellen sowie mit den betroffenen Bezirken Marzahn, Hohenschönhausen und Lichtenberg einvernehmlich abgestimmt. Das wesentliche Interesse der Bezirke begründete sich nicht auf die von Ihnen genannten Gefahrenpotentiale, sondern auf günstigere städtebauliche Entwicklungsmöglichkeiten. Selbstverständlich sind wir bemüht, auch zukünftig bei Netzstrukturmaßnahmen die Möglichkeiten zur Reduzierung von Freileitungstrassen, insbesondere in dicht besiedelten Gebieten, zu berücksichtigen. Mit der Öffnung des europäischen Strommarktes kommt in erhöhtem Maße ein Preisdruck auf die Bewag zu, der uns zwingt, die Investitionen stark zu reduzieren. Daher bitten wir um Ihr Verständnis, dass die finanziellen Aufwendungen zur Reduzierung von Freileitungen nicht ausschließlich zu Lasten der Bewag erfolgen können.