Entbürokratisierung des Einbürgerungsverfahrens

Die Senatsverwaltung für Inneres legt nachstehende Mitteilung dem Abgeordnetenhaus zur Besprechung vor:

Das Abgeordnetenhaus hat in seiner Sitzung am 10. April 1997 folgendes beschlossen: „Der Senat wird aufgefordert zu prüfen, wie Einbürgerungsverfahren beschleunigt werden können, und dem Abgeordnetenhaus bis zum 31. Mai 1997 darüber zu berichten."

Hierzu wird berichtet:

1. Dem Berichtsauftrag liegt ein Antrag der Fraktion der PDS zugrunde, der im Rat der Bürgermeister ergriffene Initiativen zur Vereinfachung des Einbürgerungsverfahrens übernommen hat. Der Bericht soll daher darlegen, inwieweit die Vorschläge des Rats der Bürgermeister in dessen Beschluß vom 24. Oktober 1996 und die darüber hinausgehenden Anregungen, die anläßlich der parlamentarischen Beratung der Anträge der Fraktion der PDS (Drs Nr. 13/864 und Nr. 13/1003) geäußert wurden, unter den geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen umgesetzt werden können. Für die Bewertung der vorgeschlagenen Verfahrensänderungen ist es unumgänglich, auf die Faktoren einzugehen, die den Ablauf und die Dauer der Bearbeitung von Einbürgerungsanträgen bestimmen, wobei auch die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen den Bezirksämtern und der Senatsverwaltung für Inneres eine Rolle spielt.

2. Im Einbürgerungsbereich nimmt das Land Berlin nach wie vor eine Spitzenposition ein.

Nach den vorläufigen Erhebungen zum Ende des 1. Quartals 1997 (2 681 Einbürgerungen) ist für das gesamte Jahr 1997 zu erwarten, dass die Einbürgerungszahl des Vorjahres übertroffen wird.

Noch bemerkenswerter haben sich die Einbürgerungsanträge entwickelt, die das wachsende Einbürgerungsinteresse in Berlin widerspiegeln. Bei den Staatsangehörigkeitsbehörden waren Ende des Jahres 1992 rund 28 000 Einbürgerungsanträge, davon rund 12 000 bei den Bezirksämtern, Ende des Jahres 1996 aber rund 48 000 Anträge, davon fast 38 700 bei den Bezirksämtern anhängig.

Bei dieser Entwicklung konnte es nicht ausbleiben, dass die durchschnittliche Bearbeitungszeit zugenommen hat. Im Jahr 1994 betrug sie neun Monate, 1996 bereits 15 Monate.

Die Dauer der Bearbeitung ist vor allem von der für eine Einbürgerung in Betracht kommenden Rechtsgrundlage abhängig, wobei zwischen Anspruchseinbürgerungen hauptsächlich nach den Vorschriften des Ausländergesetzes und den Ermessenseinbürgerungen hauptsächlich nach dem Reichsund Staatsangehörigkeitsgesetz zu unterscheiden ist. Maßgeblichen Einfluß auf die Bearbeitungsdauer haben auch die Bereitschaft der Antragsteller, an der Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes in dem erforderlichen Maße zügig mitzuwirken, sowie Art und Umfang der notwendigen Beteiligung anderer Behörden. Bei den angegebenen durchschnittlichen Bearbeitungszeiten sind, wie zur Klarstellung bemerkt sei, nicht die Zeiten berücksichtigt, die sich nach einer positiv abgeschlossenen Prüfung des Einbürgerungsbegehrens noch bei den Heimatbehörden für die Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit anschließen.

Die Verlängerung der durchschnittlichen Bearbeitungszeit liegt hauptsächlich darin begründet, dass die Ressourcen für die Bearbeitung der Einbürgerungsanträge durch die Bezirksämter, die seit dem 1. Juli 1992 für Einbürgerungen zuständig sind, an den Anforderungen des Jahres 1992 ausgerichtet wurden.

In Auswirkung der Verwaltungsreform haben die Bezirksämter eine stärkere Eigenzuständigkeit erlangt und sind mit der Zuweisung von Globalsummen in die Lage versetzt worden, bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben eigenverantwortlich Prioritäten zu setzen. Die Senatsverwaltung für Inneres hatte Mitte des Jahres 1995 gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Finanzen die Globalsummen erhöht und darauf hingewiesen, dass diese Basiskorrektur zwar durch die besondere Situation im Sozial- und Jugendhilfebereich ausgelöst wurde, dass aber die Bezirksämter in die „Entscheidung über die interne Zuordnung dieser Mittel zugleich die Bedarfslage in anderen möglicherweise defizitären Bereichen (z. B. im Einbürgerungsbereich der Standesämter) einbeziehen" müssen. Der Senat erwartet daher, dass die Bezirksämter bei der Zuordnung von Mitteln dem Einbürgerungsbereich Priorität einräumen.

3. In den „Richtlinien für die Wahrnehmung von Staatsangehörigkeitsangelegenheiten durch die Bezirksämter von Berlin" (StAngR) ist die Zuständigkeit der Bezirksämter als Staatsangehörigkeitsbehörden im Verhältnis zur Senatsverwaltung für Inneres wie folgt festgelegt:

a) Anträge auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit oder der Rechtsstellung als Deutscher ohne deutsche Staatsangehörigkeit (Statusdeutscher im Sinne des Grundgesetzes) werden von den Bezirksämtern geprüft.

Führen die Ermittlungen zu einem positiven Ergebnis, erteilt das Bezirksamt einen Staatsangehörigkeitsausweis.

In anderen Fällen werden die Vorgänge der Senatsverwaltung für Inneres zur Entscheidung vorgelegt, die für die Ablehnung eines Antrages zuständig ist.

b) Bei der Zuständigkeit der Bezirksämter in Einbürgerungsangelegenheiten ist zwischen Anspruchs- und Ermessenseinbürgerungen zu unterscheiden: Anträge auf erleichterte Einbürgerung nach dem Ausländergesetz hat das Bezirksamt nach den bundeseinheitlich geltenden „Vorläufigen Ausführungsbestimmungen zu den einbürgerungsrechtlichen Vorschriften des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts" zu prüfen. Beabsichtigt das Bezirksamt, einen Antrag abzulehnen, hat es den Vorgang der Senatsverwaltung für Inneres zur Zustimmung vorzulegen (Nr. 12 StAngR); dasselbe gilt, wenn ein Antragsteller unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit eingebürgert werden soll. Ist dagegen eine Einbürgerung unter Vermeidung von Mehrstaatigkeit möglich, trifft das Bezirksamt die Entscheidung allein.

Anträge auf Einbürgerung im Wege des Ermessens sind von den Bezirksämtern nach den bundeseinheitlichen, das Ermessen steuernden „Einbürgerungsrichtlinien" zu prüfen und in allen Fällen der Senatsverwaltung für Inneres mit einem zu begründenden Vorschlag zur Entscheidung vorzulegen. Die abschließende Entscheidung, Stattgabe oder Ablehnung, ergeht durch das Bezirksamt.

II. Zu den vorgeschlagenen Verfahrensänderungen ist im einzelnen folgendes zu bemerken:

1. Bei der Prüfung einer Anspruchseinbürgerung nach dem Ausländergesetz hat das Bezirksamt die Ausländerakte beizuziehen, um festzustellen, ob der Antragsteller sich die erforderlichen Zeiten rechtmäßig aufgehalten hat. Die Ausländerakte wird nach Art und Geltungsdauer der jeweils erteilten Aufenthaltstitel ausgewertet.

Es ist der Vorschlag gemacht worden, die Auswertung der Akte durch die Ausländerbehörde vornehmen zu lassen.

Dadurch würden bei den Einbürgerungsbehörden Kapazitäten freigesetzt, ohne dass für die Ausländerbehörde Mehrarbeit entstünde.

Es ist einzuräumen, dass es vielfach genügen würde, der Einbürgerungsbehörde lediglich ein Übersichtsblatt mit den einschlägigen Daten zuzuleiten. Jedoch liegt es auf der Hand, daß die Arbeitsbelastung nur von einer Behörde auf die andere verlagert würde. Der zeitliche Aufwand für die Durchsicht der Ausländerakte und das Ausfüllen eines Auswertungsvordrucks ist für die Ausländerbehörde nicht geringer als für die Einbürgerungsbehörde. Entfallen würde nur der Aktentransport, der sich aber nicht auf die Dauer des Einbürgerungsverfahrens auswirkt.

Die Arbeitsbelastung der Ausländerbehörde ist bereits seit längerem an ihre absolute Grenze gestoßen. Für das Einbürgerungsverfahren notwendige Angaben den Ausländerakten zu entnehmen und Vordrucke auszufüllen, wäre eine zusätzliche Aufgabe, die die Mitarbeiter der Ausländerbehörde angesichts der Größenordnung im Wege der Amtshilfe nicht leisten können und die ihnen auch nicht zumutbar ist. Es kommt hinzu, dass Auswertungsvordrucke auch nicht immer ausreichend sind. Lücken bei eingetragenen Aufenthaltszeiten können den Zweifel entstehen lassen, ob es sich um beachtliche Unterbrechungen des rechtmäßigen Aufenthalts oder nur um Auswertungsfehler handelt, so dass der Blick in die Ausländerakte doch nicht erspart bliebe.

Die jeweils zuständige Staatsangehörigkeitsbehörde ist verpflichtet, sich vom Vorliegen der rechtlichen Einbürgerungsvoraussetzungen selbst zu überzeugen. Dazu gehört regelmäßig auch die Auswertung von Ausländerakten in eigener Verantwortung. Von einer derartigen Auswertung kann nur ausnahmsweise abgesehen werden, wenn die für ein Einbürgerungsverfahren notwendigen Erkenntnisse auch ohne Beiziehung der Ausländerakte gewonnen werden können. Das gilt im allgemeinen für die Prüfung, ob einem jungen Ausländer ein Einbürgerungsanspruch nach dem Ausländergesetz zusteht. Die Senatsverwaltung für Inneres hat deshalb mit Rundschreiben vom 26. Juli 1996 an die Bezirksämter von Berlin verfügt, dass in solchen Verfahren die Ausländerakten nur dann beizuziehen sind, wenn der Einzelfall es zur Feststellung der Einbürgerungsvoraussetzungen erfordert.

Wegen der hohen Arbeitsbelastung und knapper Personalressourcen der Ausländerbehörde konnte nur für einen Teilbereich der Aktenauswertung eine Erleichterung realisiert werden: Ist seit der Akteneinsicht durch das Bezirksamt längere Zeit verstrichen, so dass eine Zweit-Anforderung der Ausländerakte erforderlich ist, teilt die Ausländerbehörde auf Anforderung des Bezirksamts die seit einem bestimmten Zeitpunkt etwa eingetretenen Änderungen einbürgerungsrelevanter Tatsachen mittels eines Vordrucks mit.

2. Der Vorschlag, die Bezirksämter zu ermächtigen, Anträge auf erleichterte Einbürgerung nach dem Ausländergesetz eigenständig abzulehnen, den Zustimmungsvorbehalt der Senatsverwaltung für Inneres nach Nr. 12 StAngR also entfallen zu lassen, lässt sich teilweise verwirklichen.

Erstaunlich viele Antragsteller lassen es an der notwendigen Mitwirkung an ihrem Einbürgerungsverfahren fehlen, indem sie die geforderten Unterlagen über die Sicherung des Lebensunterhalts für sich und ihre unterhaltsberechtigten Familienangehörigen trotz mehrfacher Erinnerung nicht vorlegen. In solchen Fällen ist der Antrag aus formalen Gründen abzulehnen, weil das Einbürgerungsbegehren nicht materiell geprüft werden kann. Zwischen 250 und 350 derartige Ablehnungsentscheidungen werden jährlich getroffen.

Die Senatsverwaltung für Inneres wird den Bezirksämtern mitteilen, dass die Ablehnung eines Einbürgerungsantrages nach dem Ausländergesetz wegen fehlender Verfahrensbeteiligung des Antragstellers nicht mehr der Zustimmung der Senatsverwaltung für Inneres bedarf. Die Regelung der Vorlagepflicht in Nr. 12 StAngR wird dementsprechend präzisiert werden.

Für ablehnende Entscheidungen aus sachlichen Gründen muß es jedoch bei der Vorlagepflicht und dem Zustimmungsvorbehalt verbleiben. Für einen Antragsteller ist die Rechtsgrundlage der erstrebten Einbürgerung zweitrangig. Daher ist nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung bei der Ablehnung eines Antrages, mit dem ein Rechtsanspruch auf Einbürgerung nach dem Ausländergesetz geltend gemacht wird, auch darzulegen, dass eine Einbürgerung im Wege des Ermessens nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz nicht möglich ist. Derartige Ermessensentscheidungen obliegen bundesrechtlich der jeweiligen obersten Landesbehörde, können also nicht auf die Bezirksämter delegiert werden.

3. Das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz erleichtert die Ermessenseinbürgerung von Ausländern, die mit Deutschen verheiratet sind, indem es das behördliche Ermessen durch eine Sollvorschrift erheblich einschränkt und das öffentliche Interesse an der Einbürgerung für den Regelfall unterstellt.

Die Privilegien für deutschverheiratete Einbürgerungsbewerber kommen darin zum Ausdruck, dass eine geringere Dauer des Inlandsaufenthaltes genügt und entwicklungspolitische Bedenken zurückgestellt werden können. Für die Einräumung von Vergünstigungen kommt es auf das eheliche Zusammenleben und darauf an, dass der Ehegatte tatsächlich die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.

Der Rat der Bürgermeister hat vorgeschlagen, auf die Prüfung der deutschen Staatsangehörigkeit des Ehegatten zu verzichten, wenn der Antragsteller auch ohne Inanspruchnahme der Privilegien für deutschverheiratete Einbürgerungsbewerber für sich allein die allgemeinen Voraussetzungen für eine Ermessenseinbürgerung erfüllt.

Der Vorschlag ist rechtlich nicht umsetzbar. Einbürgerungsanträge von deutschverheirateten Einbürgerungsbewerbern müssen zunächst nach der speziellen Soll-Vorschrift des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes geprüft werden.

Dies ist auch deshalb notwendig, weil sich bei Einbürgerungen nach der Spezialvorschrift vermehrte Möglichkeiten ergeben, Ausnahmen von dem Einbürgerungshindernis eintretender Mehrstaatigkeit zuzulassen.

Die Einbürgerungsbehörden haben nicht die Möglichkeit, die zugrundezulegende Beurteilungsnorm nach Belieben oder je nach dem Arbeitsanfall auszuwählen. Erst wenn festgestellt ist, dass die Voraussetzungen der Soll-Vorschrift nicht erfüllt werden, ist der Antrag nach der allgemeinen Ermessensnorm zu prüfen.

Der Aufwand für die Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit des Ehegatten ist durch eine von der Senatsverwaltung für Inneres schon vor Jahren erlassene Arbeitsanweisung auf das unumgängliche Mindestmaß reduziert worden.

Danach ist eine besondere Prüfung der deutschen Staatsangehörigkeit nur dann vorzunehmen, wenn sich aus den Angaben des Einbürgerungsbewerbers oder aus etwaigen im Verfahren zufällig gewonnenen Erkenntnissen begründete Zweifel an der deutschen Staatsangehörigkeit ergeben. Im übrigen soll von der deutschen Staatsangehörigkeit des Ehegatten ausgegangen werden. Bedauerlicherweise haben einige Bezirksämter gleichwohl aufwendige Prüfungen vorgenommen, so dass die Senatsverwaltung für Inneres im Juli 1996 mit einem Rundschreiben an die Bezirksämter an die Arbeitsanweisung erinnert und um die Verringerung des Prüfaufwands gebeten hat.

4. Die Fraktion der PDS hatte in ihrem Antrag vom 6. November 1996 ­ Drs 13/1003 ­ zur weiteren Beschleunigung des Einbürgerungsverfahrens vorgeschlagen, auf regelmäßige Anfragen beim Landesamt für Verfassungsschutz zu verzichten. Mit dem Antrag wurde zum Ausdruck gebracht, daß „unterschiedslos" über alle Einbürgerungsbewerber Erkundigungen beim Landesamt für Verfassungsschutz eingeholt werden. Dies trifft aber nicht zu.

Für etwa drei Viertel aller Einbürgerungsverfahren ist das Ausländergesetz maßgebend. Hier wird das Landesamt für Verfassungsschutz nur dann beteiligt, wenn konkrete Hinweise auf eine politisch extremistische Betätigung eines Einbürgerungsbewerbers vorliegen. Dies war in etwa 3 % der Verfahren der Fall.

Ermessenseinbürgerungen nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz setzen ein besonderes öffentliches Interesse an der Einbürgerung voraus. Zur Feststellung dieser Voraussetzung erfolgen bei über 16 Jahre alten Antragstellern Anfragen bei dem Landesamt für Verfassungsschutz, da in diesen Fällen auch Erkenntnisse relevant sein können, die unterhalb der Schwelle eines Ausweisungsgrundes liegen.

Hierbei wird keineswegs unterstellt, dass es sich um potentielle Verfassungsfeinde handelt. Es gibt kein anderes praktikables Verfahren, um etwaige Sicherheitsbedenken zu ermitteln.

Die Anfragen beim Landesamt für Verfassungsschutz in den dargestellten Fällen beruhen auf einer Bund-Länder-Absprache und für Einbürgerungsverfahren nach dem Ausländergesetz auf der gesetzlichen Regelung, dass die Einbürgerung versagt werden kann, wenn der Einbürgerungsbewerber die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet.

Das Abgeordnetenhaus hat daher zu Recht den Antrag der Fraktion der PDS mit Beschluß vom 10. April 1997 abgelehnt.

5. Für den Vorschlag, die Verfahren zur Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit oder der Rechtsstellung als Statusdeutscher im Sinne des Grundgesetzes erneut bei der Senatsverwaltung für Inneres zu zentralisieren, wird geltend gemacht, dass diese Verfahren umfangreichere Kenntnisse erfordern und wegen des Prüfaufwands Kapazitäten der Bezirksämter binden. Der Rat der Bürgermeister hat den Vorschlag als sachfremd und aus der Erwägung abgelehnt, daß die Staatsangehörigkeitsprüfung eine typische Aufgabe der Staatsangehörigkeitsbehörden sei. Eine Zurückverlagerung dieser Aufgabe in die Kompetenz der Senatsverwaltung für Inneres würde nicht nur der von den Bezirken früher erhobenen Forderung nach der dezentralen bezirklichen Zuständigkeit für Staatsangehörigkeitsangelegenheiten widersprechen, sondern auch unvereinbar sein mit dem Ziel der Bürgerfreundlichkeit der Verwaltung.

Dieser Einschätzung ist nichts hinzuzufügen.

6. Der Rat der Bürgermeister hat um eine bessere Information der Bezirksämter über bestehende und neue (gesetzliche) Regelungen in Einbürgerungsverfahren sowie über die Ausübung des Ermessens durch die Senatsverwaltung für Inneres gebeten.

Zunächst ist darauf zu verweisen, dass die bundesweite Spitzenposition Berlins bei der Einbürgerung seit der Übertragung von Staatsangehörigkeitsangelegenheiten auf die Bezirksämter mit anhaltendem Trend deutlich ausgebaut werden konnte.

Das zeigt nicht nur die Effektivität des Berliner Modells auf, sondern ist nicht zuletzt auch das Ergebnis einer guten Zusammenarbeit mit den Bezirken. An ihr soll und muss festgehalten werden, denn nur Kooperation und nicht Konfrontation ermöglicht die vom Senat angestrebten weiteren Erfolge in diesem Bereich.

Mit dieser notwendigen Vorbemerkung ist zu dem Vorschlag des Rats der Bürgermeister folgendes auszuführen: Wenngleich es an sich Sache jeder Staatsangehörigkeitsbehörde, jedes dort Beschäftigten und vor allem seiner Vorgesetzten ist, sich mit Rechtsänderungen vertraut zu machen und sie sich zu erschließen, hat die Senatsverwaltung für Inneres die Berliner Staatsangehörigkeitsbehörden ausnahmslos bereits im Vorfeld auf rechtliche Veränderungen hingewiesen und dazu Hinweise für die Praxis gegeben. Das gilt insbesondere für das Ausländergesetz. Wichtige Gerichtsentscheidungen, die über den Einzelfall hinaus von grundsätzlicher Bedeutung sind, werden den Bezirksämtern übermittelt.

Soweit ausländisches Recht betroffen war, sind den Bezirksämtern seit dem 1. Juli 1992 ca. 500 informierende Rundschreiben zugeleitet worden.

Zur Vertiefung von Staatsangehörigkeitsfragen werden mit den Standesämtern seit Oktober 1995 im Rahmen der „Bezirksbetreuung" regelmäßige Dienstbesprechungen durchgeführt. Darüber hinaus ist auf Initiative des Referats SenInn I C an der Verwaltungsakademie Berlin eine ständige Fortbildungsveranstaltung für Staatsangehörigkeitsangelegenheiten eingerichtet.

Einzuräumen ist, dass für die Bezirksämter ein Regelungsbedarf hinsichtlich der Anforderungen besteht, die an die wirtschaftlichen Einbürgerungsvoraussetzungen in bestimmten Fallgruppen zu stellen sind, ebenso für die Beurteilung von länger zurückliegenden geringeren Straftaten als ein noch aktuelles Einbürgerungshindernis. Beide Problemfelder bedürfen einer Bund-Länder-Absprache, deren Zustandekommen jedoch verknüpft ist mit der angestrebten umfassenden Neuregelung des Staatsangehörigkeitsrechts. Sofern sich abzeichnen sollte, dass es in der gegenwärtigen Legislaturperiode des Deutschen Bundestages nicht mehr zu einer gesetzlichen Neuregelung kommen kann, wird die Senatsverwaltung für Inneres den Bezirksämtern Verfahrenshinweise für die Übergangszeit zur Verfügung stellen.

Hinsichtlich der Ermessensausübung durch die Senatsverwaltung für Inneres ist es nicht möglich, den Bezirksämtern vorab Kriterien an die Hand zu geben, damit sie Einbürgerungsbewerber von einem voraussichtlich aussichtslosen Antrag abhalten können. Die Ausübung von Ermessen im Einzelfall entzieht sich von der Sache her einer strikten oder schematischen Regelung. Es handelt sich um Entscheidungen, die stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls bestimmt sind und sich nicht ohne weiteres auf noch so gleichgelagert erscheinende Sachverhalte übertragen lassen.

Für Rechtsfragen in schwierigen Einzelfällen stehen den Bezirksämtern kompetente Mitarbeiter der Senatsverwaltung für Inneres während und auch außerhalb der regelmäßigen Dienstbesprechungen zur Verfügung.

III. Bei allem Bemühen um Beschleunigung sollte nicht übersehen werden, dass das Einbürgerungsverfahren nicht nur ­ im Sinne der herkömmlichen Definition eines Verwaltungsaktes ­ mit einer behördlichen Entscheidung zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts endet. Die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit hat als Staatshoheitsakt weitreichende Bedeutung nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für die Gemeinschaft, in der er lebt, und bindet auch künftige Generationen. Wer in den Staatsverband aufgenommen wird, erhält politische Rechte, das Recht auf freie Berufswahl, ein unentziehbares Bleiberecht, Freizügigkeit innerhalb der Staaten der Europäischen Gemeinschaft und den Zugang zu einem europäischen Bürgerrecht und schließlich das Recht auf lebenslangen Schutz und Fürsorge durch den Staat, auch völkerrechtlich in und gegenüber fremden Staaten.

Die Senatsverwaltung für Inneres sieht in diesem Zusammenhang ihre Aufgaben im Staatsangehörigkeitsbereich vornehmlich darin, die 23 bezirklichen Staatsangehörigkeitsbehörden durch Beratung, Betreuung und Koordinierung im bundesweiten Kontext zu unterstützen und zu steuern. In Einzelfällen muss sie deshalb auch die Aufgaben wahrnehmen, die den obersten Landesbehörden bundesweit vorbehalten sind.

Einer Vereinfachung oder Beschleunigung des Einbürgerungsverfahrens sind daher Grenzen gesetzt. Bewährte rechtsstaatliche und auch gesetzlich normierte Grundsätze für ein Verwaltungsverfahren ­ wie Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, öffentliches Interesse an der sachlichen Richtigkeit des Verwaltungshandelns, sachgerechte Ermittlung der für eine Entscheidung wesentlichen Tatsachen ­ dürfen nicht unter dem Schlagwort „Entbürokratisierung" außer acht gelassen werden. Trotz einer politisch angestrebten und wünschenswerten höheren Quantität an Einbürgerungen darf das Einbürgerungsverfahren nicht auf Kosten der Qualität zu einem oberflächlich geführten Massenverfahren werden. Wenn personelle Kapazitäten nicht ausreichen und aus den bekannten Gründen nicht verstärkt werden können, lässt sich eine längere Verfahrensdauer letztlich nicht vermeiden.

Auswirkungen auf den Haushaltsplan und die Finanzplanung: Auswirkungen auf Einnahmen und Ausgaben und personalwirtschaftliche Auswirkungen ergeben sich nicht.

Wir bitten, den Beschluß damit als erledigt anzusehen.