Herr Professor Appel wurde vertreten durch Frau Dr Monika Kühn Fachbereich Volkswirtschaftliche

Bericht des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin gemäß § 22 des Landesabgeordnetengesetzes

1. Vorbemerkungen

Das Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin (Landesabgeordnetengesetz ­ LAbgG ­) vom 21. Juli 1978 (GVBl. S. 1497), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. September 1995 (GVBl. S. 625), schreibt in § 22 Abs. 1 vor, dass der Präsident dem Abgeordnetenhaus im Benehmen mit dem Ältestenrat jährlich bis zum 31. Mai einen Bericht über die Angemessenheit der Entschädigung im Sinne des Artikels 38 Abs. 1 (seit November 1995: Artikel 53 Abs. 1) der Verfassung von Berlin erstattet. In Erfüllung dieser gesetzlichen Verpflichtung lege ich im Benehmen mit dem Ältestenrat den nachstehenden Bericht vor.

Da das Abgeordnetenhaus bei der Festlegung der Entschädigung und der Parlamentspräsident bei der Erstattung des Berichts nach § 22 LAbgG in eigener Sache tätig werden, wurde vorher eine unabhängige Kommission zur Beratung bei der Vorbereitung des Berichts einberufen. Der Kommission, die am 21. Mai 1997 getagt hat, gehören folgende ehrenamtliche Mitglieder an:

1. Herr Professor Günther Appel,1) Direktor des Statistischen Landesamtes Berlin;

2. Frau Dr. Thea Brünner Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale Berlin e. V.;

3. Herr Dr. Hartmann Kleiner,2) Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg e. V.

4. Herr Günther Brinker,3) Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler, Landesverband Berlin;

5. Herr Horst Grysczyk, Präsident des Rechnungshofes Berlin;

6. Herr Hartmut Friedrich, Landesverbandsleiter der Deutschen-Angestellten-Gewerkschaft, Landesverband Berlin.

1) Herr Professor Appel wurde vertreten durch Frau Dr. Monika Kühn, Fachbereich Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung.

2) Herr Dr. Hartmann Kleiner wurde vertreten durch Herrn Dr. jur. Friedrich Kästner

3) Herr Bringer war kurzfristig verhindert und konnte an der Sitzung nicht teilnehmen

2. Zur Entschädigung nach § 6 Abs. 1 LAbgG

Der Vorschlag zur Anpassung der Entschädigung wird errechnet auf der Grundlage der Veränderungen

- der durchschnittlichen Bruttostundenverdienste der Arbeiter in der Industrie,

- der durchschnittlichen Bruttomonatsverdienste der Angestellten in Industrie und Handel,

- der Dienst- und Versorgungsbezüge im öffentlichen Dienst,

- der Vergütungen der Angestellten und Löhne der Arbeiter im öffentlichen Dienst,

- der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung,

- des durchschnittlichen Arbeitslosengeldes,

- der durchschnittlichen Arbeitslosenhilfe und

- der Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz unter Berücksichtigung des jeweiligen Anteils an der Gesamtzahl der Einkommensbezieher (gewogenes arithmetisches Mittel).

Diese Vergleichsdaten ­ getrennt für den ehemaligen West- und Ostteil Berlins ­ können den als Anlagen beigefügten Tabellen des Statistischen Landesamtes Berlin sowie der darauf von der Abgeordnetenhausverwaltung erstellten Übersicht entnommen werden. Im Gegensatz zur Kostenpauschale nach § 7 Abs. 2 LAbgG ist bei der Beurteilung der Angemessenheit der Entschädigung entsprechend dem o. g. gesetzlichen Kriterienkatalog die Preissteigerungsrate nicht zu berücksichtigen.

Die Betrachtung der Entwicklung der o. g. Daten erfolgte in diesem Jahr anhand von vier Vergleichszeiträumen:

1. Vergleichszeitraum von Ende 1991 bis Ende 1996, um für den ehemaligen Westteil Berlins eine mittelfristige Entwicklung für die Zeit nach der Vereinigung der beiden Stadthälften darzustellen (die Daten für den ehemaligen Ostteil sind aus statistischen Gründen für eine vergleichende Betrachtung dieses Zeitraums nicht geeignet);

2. Vergleichszeitraum von Ende 1992 bis Ende 1996 als weiteren mittelfristen Vergleichszeitraum, um die Einkommensentwicklung der Jahre 1993 bis 1996 kumulativ darzustellen und im Vergleich die Entwicklung der Abgeordnetenentschädigung mit ihren beiden Erhöhungen in den Jahren 1993 und 1995 betrachten zu können;

3. Vergleichszeitraum von Ende 1994 bis Ende 1996, der die Einkommensentwicklung der beiden Jahre 1995 und 1996 darstellt; dieser Zeitraum ist insofern von Bedeutung, als die sich daraus ergebenden Erhöhungen der Vergleichseinkommen bei der jetzigen Höhe der Entschädigung noch keine Berücksichtigung gefunden haben;

4. Vergleichszeitraum von Ende 1995 bis Ende 1996, der nur die Einkommensentwicklung innerhalb des Jahres 1996 darstellt und an den Zeitraum anknüpft, der den Beratungen im letzten Jahr zugrunde lag.

Bei der Auswahl dieser Vergleichszeiträume hat die Kommission entsprechend ihrer Entscheidung aus dem Jahre 1994 darauf verzichtet, eine längerfristige Darstellung in die Betrachtungen aufzunehmen. Der sich bereits zu diesem Zeitpunkt ergebende Rückstand der Abgeordnetenentschädigung von über 40 % gegenüber der Einkommensentwicklung ab 1979 muss inzwischen als strukturell angesehen werden und könnte im Rahmen von Anpassungen nach § 22 LAbgG ohnehin keine Berücksichtigung finden.

Die Kommission hat sich bei ihren Beratungen in diesem Jahr jedoch nur in unumgänglichen Maße mit den Vergleichsdaten nach § 22 LAbgG beschäftigt. Dabei hat sie festgestellt, dass selbst bei einer kumulativen Betrachtung der Einkommensentwicklung der Jahre 1995 und 1996 (Vergleichszeitraum zu 3., siehe oben) nur eine Erhöhung der Entschädigung um etwa 80,­ DM auf 5 180,­ DM monatlich gerechtfertigt wäre. Eine solche Erhöhung könnte nach dreimaligem Verzicht auf eine Anpassung innerhalb der letzten fünf Jahre durchaus als maßvoll und angemessen betrachtet werden. Allerdings sei dessen ungeachtet nach den Erfahrungen in der Vergangenheit zu befürchten, dass jegliche derartige Maßnahme in der Öffentlichkeit grundsätzlich kritisiert würde und so zu einem Ansehensverlust des Parlaments führen könnte.

Abgesehen von dieser Einschätzung hat sich die Kommission eingehend mit der Frage befaßt, wie die vom Abgeordnetenhaus begonnene Parlamentsreform auch im Rahmen des § 22 LAbgG unterstützt werden kann. Unter dem Eindruck der negativen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und der sich offenbarenden strukturellen Schwächen nicht nur des Lohn- und Tarifgefüges, sondern auch des Sozialstaates in seiner jetzigen Ausgestaltung, hat in der Gesellschaft ein Umdenkungsprozeß eingesetzt, der in zunehmendem Maße auch die Notwendigkeit struktureller Einschnitte in gewachsene Besitzstände akzeptiert. Davon betroffen sind als Konsequenz auch bisher bewährte Mechanismen zur Einkommens- und Versorgungsanpassung. Die Kommission vertritt daher die Auffassung, dass sich unter den gegebenen Rahmenbedingungen eine verantwortungsvolle Anwendung des jetzigen § 22 LAbgG nicht darin erschöpfen kann, eine standardisierte Fortschreibung des Istzustandes vorzunehmen. Das zu befürchtende Versagen traditioneller Instrumente zur Regulierung von Finanzierungsproblemen der öffentlichen Haushalte erfordert im Gegenteil eine innovative Kreativität zu strukturellen Einsparungen. Nach Überzeugung der Kommission kann dies im Hinblick auf die Parlamentsreform nur bedeuten, dass zunächst alle Anstrengungen unternommen werden müssen, um durch Umstrukturierung insbesondere der Versorgungsleistungen an ehemalige Abgeordnete und Reduzierung der Abgeordnetenzahl eine Perspektive zu schaffen, die mit der eingeschränkten finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes Berlin korrespondiert. Erst danach darf die Frage stehen, wie durch reguläre und ggf. auch strukturelle Anpassungen der Leistungen an Abgeordnete die Funktionsfähigkeit des Parlaments sichergestellt werden kann.

Wichtig ist nach Auffassung der Kommission die Umsetzung dieser Forderungen im Rahmen eines Gesamtkonzeptes, das die an eine Parlamentsreform zu stellenden Ansprüche inhaltlich befriedigen kann.

3. Zur Kostenpauschale nach § 7 Abs. 2 LAbgG Gleichzeitig mit dem Vorschlag zur Anpassung der Entschädigung wird nach § 22 Abs. 3 LAbgG auch ein Vorschlag zur Anpassung der Kostenpauschale (Amtsausstattung) vorgelegt. Er wird unter Zugrundelegung des Indexes für die Einzelhandelspreise und des Preisindexes für die Lebenshaltung, soweit sie sich auf die mit der Kostenpauschale zu bestreitenden Kosten beziehen, errechnet. Bei diesen mandatsspezifischen Ausgaben handelt es sich um Material für Schreibarbeiten mit einem Anteil von 40 % (Papierwaren 27,5 % und Schreibwaren 12,5 %), Versandkosten (Porto) mit einem Anteil von 12,5 % sowie Telefon- (Anteil 12,5 %) und Fahrkosten (Anteil 35 %).

Die Entwicklung der maßgebenden Kosten sind der vom Statistischen Landesamt Berlin für den Westteil Berlins erstellten Tabellen zu entnehmen; es wurden die bereits bei der Entschädigung zugrundegelegten Vergleichszeiträume ausgewertet. Bei einer auf diese Daten beschränkten Betrachtungsweise würde zum kumulativen Ausgleich für die seit Ende 1994 eingetretenen Preissteigerungen eine Erhöhung der Kostenpauschale von ca. 35,­ DM monatlich ausreichen. Allerdings wurden nach der bisherigen Praxis der Kommission Erhöhungen der Kostenpauschale erst dann in Erwägung gezogen, wenn sie einen Betrag von 50,­ DM monatlich erreichen würden. Abgesehen davon, daß diese Grenze nach den vorliegenden Unterlagen nicht erreicht wird, vertritt die Kommission auch bei der Kostenpauschale die bereits zur Entschädigung unter 2. vertretene Auffassung.

4. Vorschlag der Kommission

Aus den bereits oben geschilderten Erwägungen schlägt die Kommission vor, auf eine Erhöhung sowohl der Entschädigung als auch der Kostenpauschale solange zu vernichten, bis durch strukturelle Maßnahmen im Rahmen der Parlamentsreform die finanziellen Aufwendungen für Abgeordnete und ehemalige

Abgeordnete spürbar reduziert worden sind. Eine Empfehlung zur Anpassung der Leistungen anhand der festgestellten statistischen Werte gibt die Kommission daher bewußt nicht ab.

Ich schließe mich dieser Empfehlung der Kommission im Ergebnis an. Daher schlage ich im Benehmen mit dem Ältestenrat vor, sowohl die Entschädigung als auch die Kostenpauschale in ihrer jetzigen Höhe zu belassen.