Abschiebeschutz für türkische Staatsbürger/-innen

Der Senat wird beauftragt, einen Abschiebestopp auf der Grundlage von § 54 Ausländergesetz für türkische Staatsangehörige, die entweder auf Grund ihrer demokratischen politischen Betätigung bzw. ihrer ethnisch-kulturellen Herkunft in der Türkei mit Verfolgung bedroht sind, zu erlassen. Der Senat wird weiterhin beauftragt, sich gegenüber dem Bundesinnenminister dafür einzusetzen, dass die Betroffenen darüber hinaus einen wirksamen Abschiebeschutz erhalten.

Begründung:

Alle türkischen Staatsbürger/-innen, die sich außerhalb der Türkei für die Demokratisierung des Landes und ein gleichberechtigtes Miteinander von Kurden/-innen und Türken/-innen einsetzen, sich gegen die Menschenrechtsverletzungen von Armee und Sicherheitskräften wenden, können deswegen in der Türkei strafrechtlich verfolgt werden. Seit dem November 1993 ist in der Türkei die „herabsetzende und separatistische Meinungsäußerung" von Staatsbürgern im Ausland strafbar. 2 bis 5 Jahre Haft können die Folge sein. Unter diese Strafandrohung fallen vor allem Kurdinnen und Kurden, die sich im Ausland oppositionell betätigen.

Da nach Auffassung türkischer internationaler Menschenrechtsorganisationen in der Türkei systematisch gefoltert wird, da Repräsentanten des türkischen Staates bzw. des Sicherheitsapparates immer wieder Fälle der Folter und der Mißhandlung im Polizeigewahrsam einräumen mußten, ist davon auszugehen, daß Gesinnungsjustiz und physische Repression auch zielgerichtet zur Unterdrückung der kurdischen und türkischen Exilopposition betrieben werden. Den leeren Versprechungen der türkischen Regierung, dass aus Deutschland abgeschobene Kurden nicht gefoltert werden, ist keinerlei Glaubwürdigkeit zu schenken. So wurde z. B. der am 20. August 1997 abgeschobene Kurde Achmed K. in türkischer Polizeihaft mißhandelt und gequält.

Artikel 33 der Genfer Flüchtlingskonvention setzt klare Grenzen für jede Form staatlicher Verfolgung auch für Menschen, die gegen das Strafrecht verstoßen haben. Bei drohender Todesstrafe oder Folter darf deshalb nicht abgeschoben werden. Eine Politik, die Kurdinnen und Kurden, die sich in Deutschland politisch betätigen, unter dem Vorwand, sie hätten ihr „Gastrecht" mißbraucht und unabhängig davon, welchen Aufenthaltsstatus sie haben, den Sicherheitsbehörden der Türkei übergibt, macht sich mitschuldig an Menschenrechtsverletzungen.

Die Existenz eines solchen politischen Strafrechts in der Türkei begründet einen Schutzanspruch auch für türkische Migranten/ -innen in der Bundesrepublik. Die Duldung der Anwendung polizeistaatlicher Kriterien auf Äußerungen und Handlungen von Menschen, die auf dem Territorium der BRD leben, kann nicht im Interesse eines demokratischen Rechtsstaates liegen.