Vollstreckung

Alle Vollstreckungsplätze hatten einen Teil ihrer Vorgänge seit Monaten oder Jahren nicht mehr bearbeitet. So war nach dem Stand vom 31. März 1996 allein bei mehr als 25 000 Fällen der Wiedervorlagetermin abgelaufen. Der älteste unbeachtet gebliebene Wiedervorlagetermin lag fast fünf Jahre zurück. Es handelte sich dabei hauptsächlich um Fälle, bei denen das Amtshilfeersuchen zuvor erfolglos verlief. Selbst die Ausgabe weiterer Rückstandsanzeigen für Vollstreckungsschuldner, für die bereits Vorgänge vorhanden waren, hatte die Vollstreckungsstelle II regelmäßig nicht dazu veranlaßt, die betreffenden Unterlagen zusammenzufassen und zu bearbeiten. So waren bei fast allen Vollstreckungsplätzen teilweise mehrere Ordner mit Rückstandsanzeigen aus den Jahren 1994 und 1995 vorhanden, die das Finanzamt den bereits angelegten Vorgängen noch nicht zugeführt hatte. Angesichts der Vielzahl der unbeachtet gebliebenen, bereits längere Zeit zurückliegenden Wiedervorlagetermine waren die Dienstkräfte zwischenzeitlich dazu übergegangen, bei der laufenden Bearbeitung der Rückstandsfälle unvertretbar lange Wiedervorlagetermine zu bestimmen (beispielsweise bei Zahlungsaufforderungen sechs Monate). Zudem überwachte die Vollstreckungsstelle II nicht, ob die Amtshilfeersuchen zeitgerecht erledigt wurden.

Das Finanzamt hat sogar die fiskalisch bedeutsamen Großrückstandsfälle (Gesamtrückstände eines Schuldners von mehr als 20 000 DM) teilweise nur unzureichend bearbeitet.

Für die Bearbeitung solcher Fälle hatte das Finanzamt einen besonderen Vollstreckungsplatz eingerichtet. Kraftfahrzeugsteuer-Rückstände eines Schuldners über 20 000 DM entstehen regelmäßig nur dann, wenn ein Schuldner für mehrere Fahrzeuge keine Kraftfahrzeugsteuer entrichtet hat. Wegen der fahrzeugorientierten Rückstandsanzeigen muss die Vollstreckungsstelle diese manuell zusammenfassen, um erkennen zu können, ob ein Vorgang ggf. als Großrückstandsfall besonders intensiv zu bearbeiten ist. Die mangelhafte Arbeitsorganisation hat jedoch dazu geführt, dass die Vollstreckungsstelle II diese Fälle teilweise nicht als solche erkannte. Stichproben haben selbst bei diesen gewichtigen Vollstreckungsfällen Bearbeitungspausen von bis zu fünf Jahren aufgezeigt.

Das Finanzamt hatte es nicht vermocht, die ihm zur Verfügung stehenden Hilfsmittel zweckmäßig in die Vollstrekkungsarbeit einzubinden. Es wäre Aufgabe der Sachgebietsleiter gewesen, die vorhandenen Arbeitsressourcen so einzusetzen, dass zumindest die finanziell bedeutsamen Vollstrekkungsfälle zügig bearbeitet worden wären. Das Finanzamt hätte beispielsweise anhand der jeweils aktuellen Liste der Vollstreckungsrückstände leicht und zweifelsfrei die Bedeutung der einzelnen Vollstreckungsfälle erkennen und sein Handeln danach ausrichten können. Das Finanzamt hatte statt dessen diese halbjährlich aktualisierte Liste seit Jahren nicht mehr ausgewertet. Die Amtsleitung hatte diese Listen den Vollstreckungsplätzen noch nicht einmal zur Verfügung gestellt.

Zu T 548:

Im Vorgriff auf die geplante Änderung der Verwaltungsanweisung zur Bearbeitung der Liste der Vollstreckungsrückstände (Erweiterung des Sechs-Monate-Turnusses auf einen Jahresturnus) war die Vorgehensweise bei der Auswertung der Liste zwischen dem Finanzamt und der Oberfinanzdirektion Berlin abgestimmt. Die Senatsverwaltung für Finanzen hält dies angesichts des Arbeitsanfalls in der Vollstreckungsstelle für vertretbar.

Neben den letztlich erfolglos verlaufenen eigenen Maßnahmen hatte das Finanzamt die Oberfinanzdirektion Berlin seit 1990 wiederholt auf die sich ständig verschlechternde Arbeitssituation in der Vollstreckungsstelle II hingewiesen und in seinem Bericht vom März 1994 ausgeführt, dass die Arbeitsbelastung „zur Lähmung der Vollstreckungsstelle II geführt habe". Das Finanzamt bezifferte in diesem Bericht den Rückstandsbetrag, den es zumindest vorübergehend nicht mehr verfolgen könne, auf 68 Mio. DM. Die Oberfinanzdirektion hat trotz dieses deutlichen Hinweises keine hinreichenden Maßnahmen ergriffen, um die Arbeitssituation in der Vollstreckungsstelle II entscheidend zu verbessern. Sie hat dies unterlassen, obwohl ihr die Ursachen für den mangelhaften Arbeitsstand der Vollstreckungsstelle II bereits seit mehr als zehn Jahren aufgrund ihrer Fachgeschäftsprüfung in diesem Bereich zumindest teilweise bekannt waren. Bereits zum damaligen Zeitpunkt hatte die Oberfinanzdirektion selbst Veränderungen im Verfahrensablauf und in der IT-UnterstütZu T 549, 551, 553 und 554:

Die Oberfinanzdirektion Berlin ist derzeit damit befaßt, folgende Automationsunterstützung für die Beitreibung von Kraftfahrzeugsteuer-Rückständen dem Finanzamt zur Verfügung zu stellen:

a) Maschinelle Hinweise in den Rückstandsanzeigen auf weitere Rückstandsfälle desselben Vollstreckungsschuldners.

b) Sobald mit dem neuen ADV-Zulassungssystem im Landeseinwohneramt auch die Bereitstellung von sogenannten Großkundennummern in den Fällen von Neuzulassungen erfolgt, soll eine Großkundendatei durch die Oberfinanzdirektion Berlin zur Verfügung gestellt werden. Eine Nachspeicherung dieser Großkundennummern in den vorhandenen Speicherkonten ist vorgesehen. Ebenso ist vorgesehen, daß das Finanzamt, in bestimmten Fällen (Einzelpersonen mit mehreren Kraftfahrzeugen) selbst eine derartige GroßkunJahresbericht des Rechnungshofs Stellungnahme des Senats zung für dringend erforderlich gehalten, von weiteren Fachgeschäftsprüfungen bei der Vollstreckungsstelle II allerdings abgesehen. dennummer vergibt, um die Zusammenführung von mehreren Rückstandsanzeigen eines Schuldners zu erleichtern.

Die Abstimmung der beteiligten Dienststellen ist noch nicht abgeschlossen.

c) Die Erstellung von zusammengefaßten Rückständeaufstellungen für Vollstreckungsschuldner mit Rückständen auf mehreren Speicherkonten, soweit eine Großkundennummer gespeichert ist.

Die Ausstattung der Vollstreckungsstelle im Finanzamt Pankow/Weißensee wurde deutlich verbessert. Am 1. Oktober 1997 waren dort insgesamt 39 Arbeitsplatzcomputer (zuzüglich 3 ausschließlich für die Bearbeitung von Amtshilfeersuchen und 5 für Sachgebietsleiter) vorhanden. Zusätzlich zu den bereits vorhandenen Arbeitsplatzcomputern werden dem Finanzamt nach den Planungen der OFD Berlin im Jahr 1998 weitere 38 Geräte zur Verfügung gestellt, so dass in der Endstufe jeder Arbeitsplatz mit zwei Arbeitsplatzcomputern ausgestattet sein wird.

Die Bearbeitungsrückstände haben ein solches Ausmaß angenommen, dass eine effektive Beitreibung der Rückstände derzeit ausgeschlossen ist. Ohne grundlegende organisatorische Änderungen im Beitreibungsverfahren der Kraftfahrzeugsteuer drohen dem Land Berlin Steuerausfälle in Millionenhöhe.

Zu T 550 und 552:

Derzeit liegt das Hauptaugenmerk auf dem Abbau der vorhandenen Bearbeitungsrückstände. Eine Dezentralisierung und die damit verbundene Mehrarbeit würde den Abbau dieser Bearbeitungsrückstände derzeit empfindlich stören. Eine abschließende Entscheidung über die zukünftige Organisation der Beitreibung der Kraftfahrzeugsteuer-Rückstände wird daher zunächst zurückgestellt.

Der Rechnungshof hat die Steuerverwaltung aufgefordert, die IT-Unterstützung so umzugestalten, dass die Dienstkräfte künftig auch schuldnerorientierte Arbeitsunterlagen für die Beitreibung der Kraftfahrzeugsteuer-Rückstände erhalten. Es ist nicht vertretbar, dass die Dienstkräfte einen erheblichen Teil ihrer Arbeitszeit darauf verwenden müssen, Rückstandsanzeigen eines Schuldners von Hand zusammenzuführen, um einen Überblick über seine Gesamtrückstände zu erhalten. Im übrigen wäre so auch sichergestellt, dass Informationen, die im Zuge der Beitreibung der KraftfahrzeugsteuerRückstände für ein Fahrzeug eines Schuldners bekannt werden, stets für sämtliche Kraftfahrzeugsteuer-Rückstände dieses Schuldners genutzt werden können.

Der Rechnungshof sieht sich in seiner bereits vor mehr als 15 Jahren geäußerten Auffassung bestätigt (vgl. Jahresbericht Rechnungsjahr 1979 T 343 bis 350), dass die Zuständigkeit für eine schuldnerorientierte Beitreibung der Kraftfahrzeugsteuer-Rückstände den regional zuständigen Finanzämtern und den Finanzämtern für Körperschaften übertragen werden sollte. Hierdurch würde der mit dem bisherigen Amtshilfeverfahren verbundene erhebliche Verwaltungsaufwand entfallen.

Die dann zuständigen Finanzämter könnten selbst entscheiden, ob sie dem Vollziehungsbeamten einen Vollstreckungsauftrag erteilen oder andere Beitreibungsmaßnahmen ergreifen wollen. Die automationsunterstützte Verrechnung rückständiger Kraftfahrzeugsteuerbeträge mit Guthaben bei anderen Steuerarten, beispielsweise aus Antragsveranlagungen bei der Einkommensteuer, würde sich erheblich vereinfachen.

Ge gebenenfalls könnten die Kraftfahrzeugsteuer-Rückstände mit den anderen Steuerrückständen eines Schuldners verbunden und zusammen beigetrieben werden. Die Erfolgsquote bei der Bearbeitung von Kraftfahrzeugsteuer-Rückständen dürfte sich hierdurch erheblich verbessern.

Die aufgezeigten Verfahrensmängel haben sich durch den Zuständigkeitswechsel lediglich auf ein anderes Finanzamt verlagert. Die Senatsverwaltung für Finanzen will prüfen, ob die Kraftfahrzeugsteuer-Rückstände künftig dadurch effektiver als bisher bearbeitet werden können, dass die Aufgaben dezentralisiert und auf die Vollstreckungsstellen der regionalen Finanzämter übertragen werden. Sie hält die Forderung nach maschineller Zusammenführung der Steuerrückstände eines Vollstreckungsschuldners frühestens im Rahmen eines bundeseinheitlichen Vorhabens für umsetzbar. Dieses Verfahren wird zur Zeit allerdings erst vorbereitet.