Wohnungspolitik als soziale Aufgabe - Soziale Verantwortung im Sozialen Wohnungsbau

Das Abgeordnetenhaus stellt fest, dass sich die Einkommensverhältnisse weiter Teile der Bevölkerung verschlechtert haben und der Anstieg der Zahl von Menschen ohne Erwerbsarbeit und Menschen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, in einzelnen Quartieren der Stadt überproportional zugenommen hat. Dies betrifft in Teilbereichen Quartiere im Altbau, in der Platte und auch im Sozialen Wohnungsbau. Der Senat wird aufgefordert, Maßnahmen zur Verbesserung dieser Quartiere mit besonderen Problemkonzentrationen einzuleiten.

Für Wohnungen des Sozialen Wohnungsbaus in diesen Quartieren sind folgende wohnungspolitische Maßnahmen zu ergreifen:

- Die Wohnungsunternehmen sind aufzufordern, die Belegungsbindung für Wohnungen in sozialen Brennpunkten mit Wohnungen aus ihrem sonstigen Bestand zu tauschen, wie dies der § 7 Wohnungsbindungsgesetz vorsieht. Dabei darf die Miete der Tauschwohnung den Mietpreis der eingetauschten Wohnung nicht überschreiten.

- Bei einer Freistellung von der Fehlbelegungsabgabe und der Ausgleichsabgabe muss das Wohnungsunternehmen nachweisen, dass es sich innerhalb des eigenen Bestandes um eine ausgeglichene Bewohner-/-innenstruktur bemüht hat. Ferner ist für jedes Haus/für jeden Häuserblock eine Begründung für die Freistellung vorzunehmen.

- Die Freistellung einzelner Häuser von der Fehlbelegungsund Ausgleichsabgabe ist zu koppeln an die Verpflichtung der Eigentümer gleichzeitig flankierende Maßnahmen zur Verbesserung der Wohnsituation zu ergreifen (dazu gehören: Anstellen von Hausmeistern, Reinigung, Instandsetzung von Wohnungen und Häusern, Wohnumfeldgestaltung, Betreuung der Mietparteien bis hin zu sozialen Angeboten und Mietermitbestimmung).

Darüberhinaus sind folgende Maßnahmen für die Wohnungsversorgung von Haushalten mit geringem Einkommen zu ergreifen:

- Außerplanmäßige Mieterhöhungen dürfen im sozialen Wohnungsbau nicht mehr vorgenommen werden. Schon die planmäßigen Mieterhöhungen basieren auf der Annahme von Einkommenssteigerungen, die schon seit acht Jahren nicht mehr der Realität entsprechen.

- Die Wohnungen der landeseigenen Gesellschaften (aus früheren Wohnungsbauprogrammjahren) mit preiswerten Mieten sind für Haushalte mit geringem Einkommen zu erhalten, das heißt es darf kein Verkauf von Häusern mit preiswerten Mieten erfolgen.

Begründung: Länder und Kommunen besitzen eigene Wohnungen, weil der private Wohnungsmarkt überhaupt nicht bereit ist, für alle Bevölkerungsgruppen Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Die staatliche Wohnungspolitik muss also für die Versorgung der Bevölkerungsgruppen sorgen, die sich nicht alleine am Wohnungsmarkt versorgen können und die geringe Einkommen beziehen.

Berlin befindet sich in einer Situation, in der 100 000 Sozialwohnungen innerhalb von drei Jahren aus der Sozialbindung fallen, gleichzeitig aber die Anzahl der Sozialhilfeempfänger/ -innen und Arbeitslosen ständig steigt. Den 20 000 Wohnungen, die dieses Jahr aus der Bindung fallen, stehen ganze 300 neue Wohnungen mit Sozialbindung gegenüber. In einer solchen Situation Belegungsbindungen aufzuheben oder Einkommensgrenzen zu erhöhen, erfordert Behutsamkeit. Je weniger Sozialwohnungen vergeben werden können, desto genauer muss die Personengruppe festgelegt werden, die einen Anspruch auf staatliche Förderung hat.

Die Reduzierung des kommunalen Bestandes durch Verkäufe, Wegfall von Belegungsbindungen (zusätzlich durch außerplanmäßige Rückzahlungen) und die finanzielle Situation des Landes verbieten es, großzügig auf Bindungen zu verzichten. Deshalb sollen die Wohnungsunternehmen veranlaßt werden, die Möglichkeiten des § 7 Wohnungsbindungsgesetz zu nutzen, und andere Wohnungen ihres Bestandes zum Tausch für die Belegungsbindung anzubieten. Es ist unverständlich, warum von diesem Instrument bisher kein Gebrauch gemacht wurde. Dies könnte für das Land Berlin sogar den Vorteil haben, dass Wohnungen in Häusern älterer Baujahre preiswerter sind und von geringverdienenden Haushalten bezahlt werden können ohne auf staatliche Unterstützung angewiesen zu sein. Es muss außerdem eine Mietobergrenze für diese Tauschwohnungen festgesetzt werden, da sonst wieder nur die teuren, schwervermietbaren Wohnungen an die Wohnungsämter zur Belegung gelangen. Die Situation in den Siedlungen ist auch nicht unabhängig von der Belegungspolitik der Wohnungsunternehmen zu sehen. Deshalb ist es sinnvoll zu überprüfen, nach welchen Kriterien die Belegung über den gesamten sozialen Wohnungsbaubestand vorgenommen wurde und wird, und daraus dann Maßnahmen herzuleiten.

Eine Freistellung von der Fehlbelegungsabgabe muss die Ausnahme bleiben und im Einzelfall gut begründet werden, hier steht auch der Gleichbehandlungsgrundsatz auf dem Spiel. Es sollte vermieden werden, dass durch gerichtliche Auseinandersetzungen die Politik korrigiert werden muß. Besonders absurd ist die Einstufung von Neubauten (Dennewitzstraße) als „verslumte Siedlung", wenn dort noch nicht einmal der Erstbezug abgeschlossen ist.

Es nützt überhaupt nichts, die Fehlbelegungsabgabe oder die Belegungsbindung aufzuheben, wie der Senat dies vorhat, wenn damit nicht gleichzeitig Verbesserung im Haus und im Wohnumfeld ergriffen werden. Hier sollen auch Erfahrungen der sozialen Betreuung und der Mietermitbestimmung aus anderen Städten (zum Beispiel Frankfurt und Gießen) als Grundlage dienen. Nur mit integrativen Ansätzen in diesen Quartieren wird eine nachhaltige Verbesserung zu erreichen sein.

Die Höhe der Mieten in Berlin, in besonderem Maße bei den Sozialwohnungen, setzt regelmäßige Einkommenssteigerungen voraus. Diese sind in den letzten acht Jahren ausgeblieben. Trotzdem werden ständig Mieterhöhungen auf dieser Basis vorgenommen. Die Anpassung des Wohngeldes wurde immer noch nicht realisiert. Dagegen wurde mit den neuen Kürzungsrichtlinien des Senats ­ vollkommen unverantwortlich ­ eine zusätzliche außerplanmäßige Erhöhung der Mieten im Sozialen Wohnungsbau festgesetzt. So entsteht die Situation, dass die Sozialmieten von geringverdienenden Haushalten häufig nicht mehr bezahlt werden können, ohne auf Dauer in die Wohngeldabhängigkeit zu geraten. Wohnungen mit preiswerten Mieten müssen für geringverdienende Haushalte zur Verfügung gestellt werden, denn dies erspart dem Land Berlin erheblich Kosten beim Wohngeld und bei den Wohnkosten für Sozialhilfeempfänger.