Erteilung von Ausnahmegenehmigungen nach § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO für Ärzte im Notfalleinsatz

„Der Senat wird aufgefordert, darauf hinzuwirken, dass den Ärzten, die mit Besitz des Schildes der Ärztekammer bzw. der Kassenärztlichen Vereinigung Arzt Notfall im Einsatz sind, allgemein durch den Polizeipräsidenten als Straßenverkehrsbehörde eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO erteilt wird, die das Parken in den durch Zeichen 283 und 286 der StVO gekennzeichneten Halteverbotsräumen vor Grundstücken im Land Berlin gestattet."

Hierzu wird berichtet:

Das (Bundes-) Straßenverkehrsrecht stellt die Entscheidung über die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen in das pflichtgemäße Ermessen der Straßenverkehrsbehörde bzw. über § 44 Abs. 1 Satz 2 oder § 46 Abs. 2 Straßenverkehrs-Ordnung ­ StVO ­ 1 in jenes der obersten Landesbehörde. Diese haben jeweils im Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Ausnahme von den Verkehrsvorschriften zu befinden.

Anders als bei der „Ausnahmegenehmigung für Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung sowie für Blinde" sehen die bundeseinheitlichen, die Verwaltung bindenden Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur StVO ­ VwV-StVO ­ 2 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 „Parkerleichterungen für Ärzte" lediglich deren Berufung auf den „rechtsfertigenden Notstand" im Sinne des § 16

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten ­ OWiG ­ 3 vor. Die Ärzte handeln demnach bei einem Verstoß gegen Verkehrsvorschriften dann nicht rechtswidrig, wenn in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben oder Gesundheit (des Patienten) diese Handlung zur Abwendung der Gefahr notwendig ist und wenn bei Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und der ihnen drohenden Gefahren das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Aus der Tatsache, dass die VwV-StVO hier ausdrücklich nicht die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen vorsieht, ist zwingend zu schließen, dass die 1 vom 16. November 1970 (BGBl. I S. 1565, 1971 S. 38/GVBl. 1971 S. 78, 335), zuletzt geändert durch Artikel 2 Abs. 38 des Grundgesetzes vom 17. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3108) 2 vom 24. November 1970 (Beilage Nr. 29/70 zum BAnz. 1971 Nr. 14), zuletzt geändert durch Allgemeine Verwaltungsvorschrift vom 7. August 1997 (BAnz. Nr. 151) 3 in der Fassung vom 19. Februar 1987 (BGBl. I S. 602/GVBl. S. 953), zuletzt geändert durch Artikel 4 Abs. 7 des Gesetzes vom 26. Januar 1998 (BGBl. S. 164)

Genehmigung von Ausnahmen für Ärzte nicht gewollt ist. Es würde wohl bei den übrigen Ländern wenig Verständnis hervorrufen, dass Berlin von der vorgeschriebenen bundeseinheitlichen Verfahrensweise ohne zwingenden Grund abweicht.

Das Schild „Arzt-Notfall", das nur an Ärzte auszugeben ist, die häufiger den rechtfertigenden Notstand in Anspruch nehmen müssen, soll den mit der Überwachung befaßten Polizeikräften erkennbar machen, dass es sich hier um einen Fall des rechtfertigenden Notstandes handelt. Von ihm darf deshalb auch nur dann Gebrauch gemacht werden, wenn der Tatbestand des § 16 OWiG erfüllt ist oder der Arzt nach den ihm bekannten Umständen davon ausgehen mußte. Es entbindet den Arzt nicht von der Verpflichtung, diese Frage jeweils im Einzelfall zu prüfen und gegebenenfalls das Vorliegen des rechtfertigenden Notstandes in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren nachzuweisen. Den Überwachungskräften steht es frei, ungeachtet des ausgelegten Schildes Verfolgungshandlungen einzuleiten, wenn sie Zweifel daran haben, dass tatsächlich der § 16 OWiG erfüllt ist.

Einer nur auf die Fälle des § 16 OWiG bezogenen Ausnahmegenehmigung bedarf es nicht, weil der Arzt in diesen Fällen ohnehin nicht rechtswidrig handelt, sondern bereits gesetzlich von dem Verkehrsverbot freigestellt ist. Sie würde mithin ins Leere gehen. Mit ihr wäre auch keine Erleichterung für den Arzt verbunden, weil er ebenso wie bei Auslegen des Schildes auch dann gegebenenfalls im Ordnungswidrigkeitenverfahren nachweisen müßte, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Ausnahmegenehmigung erfüllt waren. Lediglich der Antragsund Kostenaufwand würde sich erhöhen.

Eine lediglich von Vorschriften für den ruhenden Verkehr freistellende Ausnahmegenehmigung würde im übrigen der gesetzlichen Regelung nicht entsprechen. § 16 OWiG kann auch Verstöße gegen andere Verkehrsvorschriften, z. B. über die zulässige Höchstgeschwindigkeit oder die Benutzung von Sonderfahrstreifen, rechtfertigen, sofern das zu schützende Rechtsgut das beeinträchtigte wesentlich überwiegt.

Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung von den Verboten der Zeichen 283 und 286 StVO, die nicht ausdrücklich auf die Fälle des § 16 OWiG bezogen ist, an Ärzte, die Hausbesuche ausführen, wäre dagegen nicht zu rechtfertigen. Sie würde dann lediglich der Erleichterung der Berufsausübung dienen. Zu diesem Zweck werden jedoch bisher Ausnahmegenehmigungen nicht erteilt. Ein Abweichen von dieser Praxis würde zwangsläufig die dann nicht unbegründete Begehrlichkeit anderer Berufszweige wecken, die auf die Benutzung des Kraftfahrzeuges angewiesen sind, z. B. Handelsvertreter mit einer wertvollen Warenkollektion. Zudem erscheint eine Ausnahmegenehmigung zum Parken im absoluten Haltverbot nach Zeichen 283 StVO nicht vertretbar. Diese Verbote dürften nur dort angeordnet werden, wo selbst einzelne auch nur kurzfristige Parkvorgänge bereits zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit und/ oder des Verkehrsflusses führen.

Die Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr hat jedoch der Kassenärztlichen Vereinigung auf deren Antrag eine Ausnahmegenehmigung erteilt, mit ihren mit einer Dachleuchte „Arzt im Notfalldienst" ausgestatteten Kraftfahrzeugen aus Anlaß dieses Notfalldienstes im eingeschränkten Haltverbot (Zeichen StVO) und in den absoluten Haltverboten (Zeichen 283 StVO), bei denen durch Zusatzzeichen das Ein- und Aussteigen sowie Be- und Entladen zugelassen ist, für die Dauer des ärztlichen Einsatzes zu parken. Der Senat hält diese Ausnahme für begründet, weil dadurch eine schnellere Versorgung der Erkrankten ermöglicht werden kann.

Wir bitten, den Beschluß damit als erledigt anzusehen.