Europafähigkeit der Berliner Verwaltung

„Der Senat wird aufgefordert, dem Abgeordnetenhaus bis zum 30. April 1998 darüber zu berichten, wie spezifische, auf die Europäische Union abstellende Qualifikationen in der Personal- und Beförderungspolitik des Landes Berlin konsequent und verbindlich als Bewertungskriterien zugrunde gelegt werden.

Darüber hinaus wird der Senat aufgefordert, dem Abgeordnetenhaus zu berichten, zu welchen Personalmaßnahmen der Senatsbeschluß zur Senatsvorlage 1234/98 im Zuge der „Maßnahmen zur Verbesserung der Europafähigkeit der Berliner Verwaltung" geführt hat.

Das betrifft insbesondere die Abordnung, Entsendung und Weiterqualifizierung von Berliner Verwaltungsfachkräften. Hier ist auch über Hospitationen und Austausch mit europäischen Ländern und außerhalb der EU zu berichten."

Hierzu wird berichtet:

Der Bericht ist nachfolgend als Anlage beigefügt. Auswirkungen auf den Haushaltsplan und die Finanzplanung entstehen nicht.

Die Verbesserung der Europafähigkeit der Verwaltung ist eine Aufgabe, die sich seit Gründung der Europäischen Gemeinschaften stellt und sich in einem kontinuierlichen Prozeß vollzieht, denn durch die Änderungen der Europäischen Verträge mit Ausweitung der Zuständigkeit der Europäischen Ebene erhöht sich auch die Zahl der Verwaltungsbereiche, in denen die Bediensteten europafähig sein müssen. Aus diesem Grunde hat der Berliner Senat bereits 1989 nach Inkraftreten der einheitlichen Europäischen Akte ein europapolitisches Programm verabschiedet.

Dies hatte beispielsweise zufolge, dass in der Senatsverwaltung Gesundheit und Soziales eine eigene Arbeitseinheit „Europäische Angelegenheiten" eingerichtet wurde, zumal für Arbeitsbereiche wie Arbeitsschutz, Umweltmedizin, Gentechnik, Veterinärwesen, Lebensmittelüberwachung und Pharmaziewesen die Umsetzung europäischer Regelungen in nationale Rechtsvorschriften und die Anwendung von Gemeinschaftsrecht Europakenntnisse erforderlich sind.

Auch die Entscheidung zu den europäischen Strukturfonds 1989 erforderten bei den Fachressorts eine Angleichung der nationalen Förderung an das europäische Strukturfondsplanungs- und -förderungsrecht. Hierfür mußte zunächst das erforderliche Personal gewonnen und qualifiziert werden.

Die Kompetenzverlagerungen durch den Maastrichter Vertrag und die Verhandlungen zum Amsterdamer Vertrag veranlaßten den Senat am 29. April 1997, eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe einzusetzen, um Vorschläge für eine Verbesserung der Europafähigkeit der Berliner Verwaltung auszuarbeiten. Am

6. Januar 1998 wurde dann ein entsprechender Senatsbeschluß gefaßt, der auf den Ergebnissen, die in der Arbeitsgruppe erzielt worden waren, beruhte. Im nachfolgenden Bericht über die Umsetzung des Senatsbeschlusses werden auch Maßnahmen aus dem Jahre 1997 aufgegriffen, soweit diese bereits im Zuge der Verhandlungen in der Arbeitsgruppe in Gang gesetzt worden sind.

A. Berücksichtigung spezifischer EU-Qualifikation in der Personal- und Beförderungspolitik des Landes Berlin

Nach Artikel 77 Abs. I VvB ist das Recht, Einstellungen, Versetzungen und Entlassungen vorzunehmen, für die Bezirke den Bezirksämtern übertragen. Für den Senat gilt nach Artikel 58 VvB, dass jedes Mitglied des Senats seinen Geschäftsbereich selbständig leitet und die Personal- und Beförderungspolitik demnach in Abhängigkeit von Vorbildung, Befähigung und fachlicher Eignung der Mitarbeiter nach den Prioritäten der jeweiligen Senatsverwaltung durchgeführt wird.

Die Europafähigkeit der Verwaltung kann unter diesen Rahmenbedingungen am ehesten gefördert werden, indem den einzelnen Personalabteilungen Informationen über die europarelevanten Kenntnisse der Bewerber und Mitarbeiter zugänglich gemacht werden. Aus diesem Grunde wird der Senat bei der noch in diesem Jahr geplanten Reform der Beurteilungsvorschriften auch auf die Europafähigkeit der einzelnen Mitarbeiter bzw. Bewerber eingehen. Im Entwurf ist vorgesehen, dass in Zukunft Beurteilungen für alle Beamten des allgemeinen nichttechnischen Verwaltungsdienstes sowie für die Angestellten des Landes Berlin auf der Grundlage von Anforderungsprofilen für den jeweiligen Arbeitsplatz zu erstellen sind. Sind für eine Stelle z. B. EU-Kenntnisse nötig, wird dies in Zukunft also bereits aus dem Anforderungsprofil hervorgehen und die Kenntnisse des Stellenplatzinhabers in diesem Bereich können im Rahmen der Beurteilung angemessen bewertet werden.

Weiterhin ist vorgesehen, dass z. B. die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen und der Erwerb von Qualifikationen auf Wunsch des Beschäftigten in die Beurteilung aufgenommen werden soll. Am Ende der Beurteilung sollen Vorschläge für den weiteren dienstlichen Einsatz sowie Personalentwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Gerade unter diesem Stichwort kann gezielt der Einsatz in Arbeitsgebieten mit EU-Bezug gefördert werden. Der Senat ist der Auffassung, dass diese Beurteilungskriterien den sachgerechten Einsatz von Dienstkräften mit EU-Kenntnissen fördern werden.

In der Personalplanung für Überhangkräfte wird seit etwa einem Jahr in den Fragebögen zur Aufnahme in die Personalmanagementliste und für Dienstkräfte im Personalüberhang explizit nach bereits vorhandenen EU-Kenntnissen bzw. nach Interesse an einer zukünftigen Mitarbeit im EU-Bereich gefragt.

Eine Bestandsaufnahme am 6. April 1998 zeigt, dass von 838 vermittelbaren Überhangkräften drei Mitarbeiter bereits mit Europapolitik in unterschiedlicher Form zu tun hatten, 34 geben an, sich für eine Tätigkeit in diesem Bereich zu interessieren. Tatsächlich dürften es jedoch wesentlich mehr Mitarbeiter sein, die Erfahrungen mit oder Interesse an einer Tätigkeit mit EU-Bezug haben, denn nur die Mitarbeiter, denen der neue Fragebogen vorlag, haben Angaben zu diesem Thema gemacht. In der Personalmanagementliste, in der die Mitarbeiter registriert werden, die sich beruflich verändern möchten, wurde die Frage nach Kenntnissen und Interesse im EU-Bereich jedoch allen Mitarbeitern gestellt und der Anteil der interessierten Personen fiel wesentlich höher aus: von 164 registrierten Mitarbeitern beantworteten 48 die Frage nach ihrem Interesse an einer Tätigkeit im EU-Bereich und 5 die Frage nach ihrer EU-Erfahrung positiv.

B. Personalmaßnahmen im Zuge der „Maßnahmen zur Verbesserung der Europafähigkeit der Berliner Verwaltung"

Gemäß dem Maßnahmenkatalog zu dem Senatsbeschluß gliedern sich die „Maßnahmen zur Verbesserung der Europafähigkeit der Berliner Verwaltung" in drei Teile:

- Maßnahmen zur Verbesserung der Ausbildung des höheren und des gehobenen Dienstes,

- Maßnahmen zur Verbesserung der Fort- und Weiterbildung (Grundkenntnisse, vertiefte Kenntnisse im Rahmen eines Fernstudienganges, fachspezifische Kenntnisse, Sprachkurse, Austausch) und

- Personalplanungsmaßnahmen (Stellenbesetzung, Abordnung/Entsendung, Stellenpool).

Im folgenden wird gemäß dieser Gliederung dagestellt, inwieweit bereits eine Umsetzung der geplanten Maßnahmen stattfindet.

1. Maßnahmen im Bereich der Ausbildung:

a) Juristische Ausbildung:

Bei der Senatsverwaltung für Justiz, wurde inzwischen geprüft, ob das Fach Europarecht bei der Ausbildung für den gehobenen und den höheren Dienst ausreichend berücksichtigt wird. Als Ergebnis dieser Prüfung wird das Lehrgebiet Europarecht im Rahmen der gegenwärtig anstehenden Änderung der Ausbildungsverordung für Rechtspfleger (APORpfl) des gehobenen Dienstes Berücksichtigung finden.

Gemäß der Juristenausbildungsordnung aus dem Jahre 1996 wird dem Fach Europarecht inzwischen ein angemessener Stellenwert im juristischen Studienplan eingeräumt. Demnach müssen angehende Juristen im zweiten Staatsexamen in den Pflichtfächern eine Klausur mit Bezügen zum Europarecht schreiben.

Alle Referendare erhalten zudem Einführungskurse in das Europarecht. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, das Fach Europarecht im zweiten Staatsexamen (ebenso wie im ersten Staatsexamen) als Schwerpunktgebiet zu wählen, auf das mit einer 51/2monatigen Praxisstation und einer parallel laufenden Arbeitsgemeinschaft vorbereitet wird. Bei den Studenten ist Europarecht relativ beliebt: von ca. 1 200 Studenten jährlich wählen im ersten Staatsexamen ungefähr 100 ­ 150 Europarecht, im zweiten Staatsexamen von ca. 800 Prüflingen 100 ­ 200.

Das Interesse der Rechtsreferendare, ihre Verwaltungsstation in einem Arbeitsbereich mit Europarecht zu absolvieren, ist groß. Durchschnittlich absolvieren z. B. bei der Senatzkanzlei im Arbeitsstab Europa jährlich ca. 8 Referendare und in der Arbeitseinheit „Europäische Angelegenheiten" der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales vier bis sechs Referendare ihre Station.

Die Referendare sind im allgemeinen sehr gut vorbereitet auf eine Tätigkeit im Europabereich, denn sie bringen Vorkenntnisse mit, haben im Regelfall schon einen Auslandsaufenthalt hinter sich bzw.