Nierentransplantationszentrum im Krankenhaus Friedrichshain

„Der Senat wird aufgefordert, für die in der Stadt vorhandenen Transplantationszentren ein Konzept zu entwickeln, das im Interesse einer patientengerechten Behandlung und Versorgung eine enge wissenschaftliche und personelle Zusammenarbeit aller Berliner Transplantationszentren gegebenenfalls an einem Standort gewährleistet. Die jeweils abgebenden Einrichtungen sollen von der aufnehmenden Einrichtung andere Aufgaben übernehmen.

Dieses Konzept ist bis zum 30. September dem Abgeordnetenhaus vorzulegen."

Hierzu wird berichtet:

I. Grundlagen

1. Rechtliche Grundlage

Mit dem Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen (Transplantationsgesetz ­ TPG) vom 5. November 1997 (BGBl. I S. 2631) ist bestimmt worden, dass die Übertragung von Herz, Niere, Leber, Lunge, Bauchspeicheldrüse und Darm nur in dafür zugelassenen Transplantationszentren zugelassen wird. Transplantationszentren sind Krankenhäuser oder Einrichtungen in Krankenhäusern, die nach § 108 des 5. Buches Sozialgesetzbuch oder auf Grund anderer gesetzlicher Bestimmungen zur Übertragung von Organen zugelassen sind.

Bei der Zulassung sind Schwerpunkte für die Übertragung dieser Organe zu bilden, um eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung zu gewährleisten und die erforderliche Qualität der Organübertragung zu sichern (§ 10 Abs. 1 TPG).

Die zukünftige Struktur der Transplantationsmedizin in Deutschland soll daher einer Verteilung auf eine große Anzahl von Einrichtungen mit jeweils geringen Fallzahlen entgegenwirken und durch die Bildung von Transplantationsschwerpunkten die Qualität der Krankenversorgung optimieren helfen sowie eine wirtschaftliche Nutzung der Ressourcen ermöglichen.

2. Versorgungssituation und Transplantationsbedarf

Der Senat hat am 19./20. Mai 1998 mit folgendem Text beschlossen, zwei Transplantationszentren zu bilden:

1. Es wird ein Zentrum für Transplantationsmedizin am Universitätsklinikum Charite? der Humboldt-Universität zu Berlin gebildet. In dem Zentrum werden Leber-, Nieren-, Bauchspeicheldrüsen- und Darmtransplantationen vorgenommen.

In das Zentrum werden der bisherige Bereich für Nierentransplantationen sowie das Gewebetypisierungslabor (HLALabor) des Krankenhauses Friedrichshain verlagert und zusammengeführt.

2. Das Zentrum für Transplantationsmedizin an der Charite? soll durch Kooperation mit dem Deutschen Herzzentrum Berlin auch Herz- und Lungentransplantationen umfassen. Diese werden ausschließlich im Deutschen Herzzentrum vorgenommen. Dem Universitätsklinikum Charite? soll Gelegenheit gegeben werden, Herztransplantationen im Deutschen Herzzentrum vorzunehmen. Die Zusammenarbeit zwischen der Charite? und dem Deutschen Herzzentrum regelt ein Kooperationsvertrag.

3. Das Universitätsklinikum Benjamin Franklin führt wie bisher Nierentransplantationen durch und wird für diesen Bereich als Transplantationszentrum bestätigt.

4. Die vorstehende Reorganisation der Transplantationsmedizin ist innerhalb eines Jahres nach dem Beschluß des Senats umzusetzen.

Damit sind die nachfolgenden Überlegungen verbunden.

Versorgungsregion für die Berliner Transplantationszentren sind die Länder Berlin und Brandenburg. Dieser regionale Versorgungsauftrag bezieht sich im wesentlichen auf die Nierentransplantationen. Mit Transplantationen von Herz, Lunge, Leber und Pankreas werden auch Patienten aus anderen Bundesländern versorgt.

Bezüglich der Nierentransplantationen gehen Experten davon aus, dass von einem Transplantationszentrum 2 bis 3 Mio. Einwohner zu versorgen sind. Für die ca. 6 Mio. Einwohner in Berlin und Brandenburg wären demnach 2 bis 3 Nierentransplantationszentren erforderlich. Unter Berücksichtigung der gegenwärtig von den Berliner Transplantationszentren geleisteten 260 Nierentransplantationen im Jahr ist sowohl aus fachlicher wie auch aus wirtschaftlicher Sicht die Beschränkung auf zwei Transplantationszentren sinnvoll. Damit können beide Zentren die angestrebten hohen Transplantationszahlen erreichen, die insgesamt von nur einem Zentrum nicht zu leisten wären. Extreme Transplantationszahlen (über 200) haben sich für die Krankenversorgung nicht als optimal erwiesen. Ein Rationalisierungsgewinn durch Konzentrierung auf nur ein Zentrum für Berlin und Brandenburg ist nicht zu erwarten. Im übrigen ist es fachlich nicht zulässig, dem Klinikum Benjamin Franklin als Universitätsklinikum die dort einzige Transplantationsart zu versagen. Ausgehend von den Transplantationszahlen des 1. Halbjahres 1998 sind mit der Übernahme des Bereiches Nierentransplantationen des Krankenhauses Friedrichshain für die Charite? 170 und für das Universitätsklinikum Benjamin Franklin 90 Nierentransplantationen zu erwarten.

Von der Deutschen Gesellschaft für Transplantationsmedizin (DGT) wird empfohlen, die Transplantationszentren vorwiegend an Universitätskliniken anzusiedeln und Schwerpunktzentren mit der Ausstattung für mehrere Transplantationsarten zu bilden. Mit der Etablierung der beiden Berliner Transplantationszentren an den Universitätsklinika der Stadt und der an der Charite? geplanten Konzentrierung der Transplantationen von Niere, Leber, Pankreas, Darm sowie Herz und Lunge in Kooperation mit dem Deutschen Herzzentrum Berlin wird diesen Empfehlungen entsprochen. Die universitären Einrichtungen verfügen über alle Möglichkeiten zur Forschung auf dem Gebiet der Transplantationsmedizin und sichern durch ihr breites Fächerspektrum die besten Bedingungen für die bei Organtransplantationen erforderliche interdisziplinäre Zusammenarbeit.

Aus wissenschaftlicher Sicht interessant ist die Führung eines Transplantationszentrums mit der Ausstattung für mehrere Transplantationsarten unter chirurgischer und des anderen Nierentransplantationszentrums unter urologischer Leitung.

Damit wird den beiden Organisationsalternativen, nach denen in Deutschland die Nierentransplantation betrieben wird, entsprochen. Die Patienten und niedergelassenen Ärzte haben eine Wahlmöglichkeit bezüglich des Ortes und der Klinik für Nierentransplantationen.

Für die Vorhaltung von Transplantationszentren an beiden Universitätsklinika sprechen neben den angesprochenen Versorgungsfragen und wissenschaftlichen Gesichtspunkten der Forschung die Erfordernisse aus der Lehre. Zur Vermittlung der Grundzüge der Transplantationsmedizin und der transplantationsspezifischen Immunsuppression ist die Unterrichtung am Beispiel einer Organtransplantation erforderlich.

II. Organisation der Transplantationen in Berlin

1. Organisation des Transplantationszentrums an der Charite?

Am Universitätsklinikum Charite? wird ein Zentrum für Transplantationsmedizin mit der Ausstattung für mehrere Transplantationsarten gebildet. In das Zentrum wird der bisherige Bereich Nierentransplantationen des städtischen Krankenhauses Friedrichshain übernommen.

Innerhalb der Charite? erfolgt eine lokale Konzentrierung aller Transplantationen in der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationsmedizin am Campus Virchow-Klinikum.

Für die Transplantationen von Herz und Lunge ist die Einbeziehung des unmittelbar benachbarten Deutschen Herzzentrums Berlin durch Kooperation beabsichtigt. Dem Deutschen Herzzentrum Berlin liegt der Entwurf für einen Kooperationsvertrag zur Stellungnahme vor:

Die Nierentransplantationen sollen in der Charite? entsprechend dem Beschluß des Klinikumsvorstandes vom 18. August 1998 mit Wirkung vom 1. Oktober 1998 folgendermaßen organisiert werden:

- Die gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen zur Transplantationsanmeldung, Evaluierung und Führung der Warteliste werden vom Nierentransplantationszentrum der Charite? am Campus Virchow-Klinikum durchgeführt und dokumentiert.

Das Organisationsbüro befindet sich am Campus VirchowKlinikum. Auf Wunsch der Patienten kann die Evaluierung auch am Campus Charite? Mitte oder in Berlin-Buch erfolgen.

Über die Anmeldung entscheidet die Transplantationskonferenz.

- Alle Organtransplantationen der Charite?, mit Ausnahme der Herz- und Lungentransplantationen (DHZB), werden auf dem Campus Virchow-Klinikum unter Leitung des Direktors der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie konzentriert. Für die Nierentransplantationen ist sicherzustellen, dass Aus- und Weiterbildungsbelange sowie Lehr- und Forschungsprogramme der Urologie berücksichtigt werden.

- Die primäre stationäre Versorgung aller Nierentransplantierten erfolgt in der Transplantationsstation des Nierentransplantationszentrums am Campus Virchow-Klinikum. Soweit erforderlich findet die stationäre Weiterbehandlung im Bereich der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Nephrologie und Internistischer Intensivmedizin am Campus Virchow-Klinikum statt. Erforderliche Wiederaufnahmen sollen ebenfalls dort erfolgen. Auf Wunsch des Patienten kann diese auch am Campus Charite? Mitte oder in Berlin-Buch erfolgen.

- Für die ambulante Behandlung von Erwachsenen betreibt das Nierentransplantationszentrum eine Transplantationspoliklinik im Bereich der Poliklinik der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Nephrologie und Internistischer Intensivmedizin am Campus Virchow-Klinikum. Die Nierendispensaire am Campus Charite? Mitte wird weiter betrieben.

- Für die Nierentransplantationen bei Kindern und deren präund postoperative Betreuung wird ein gesondertes Organisationskonzept erarbeitet.

Der Klinikumsvorstand wird das Konzept nach einem Jahr überprüfen und bei Bedarf einer weiteren Optimierung unterziehen.

Sollte eine zu diesem Thema eingesetzte Kommission des Fakultätsrates kurzfristig neue Erkenntnisse vorlegen, die dem Klinikumsvorstand bei der Entscheidungsfindung nicht bekannt waren, wird der Klinikumsvorstand den vorliegenden Beschluß überprüfen.

Mit der lokalen Konzentration der Transplantationsmedizin im Campus Virchow-Klinikum sollen zugleich im Campus Charite? Mitte andere klinische Schwerpunkte gestärkt und ausgebaut werden. Hier bieten sich sowohl die Neurowissenschaften als auch die Rheumatologie an.

Im Krankenhaus Friedrichshain bleibt die Abteilung Urologie mit ihrer gesamten Bettenzahl erhalten.

2. Gemeinsame Koordinierungsgremien

Zur Förderung der interdisziplinären wissenschaftlichen Arbeit und zur Organisation klinischer Studien auf dem Gebiet der Nierentransplantationen wird in der Charite? eine Transplantationskonferenz eingerichtet. Hier werden experimentelle und klinisch-wissenschaftliche Projekte diskutiert und insbesondere interdisziplinäre klinische Studien beschlossen und in ihrer Durchführung festgelegt.

Daneben wird eine klinische Transplantationsbesprechung eingerichtet, die sich mit der Aufnahme in die Warteliste, die Durchführung und den Verlauf aktueller Nierentransplantationen, den Fragen der Transplantationsambulanz und angrenzenden klinischen Fragen beschäftigt.

Zur regionalen Organisation der Organspenden wurde der Transplantationsverbund Berlin-Brandenburg gegründet. Im Rahmen dieses Verbundes werden bestimmte Aufgaben, wie die Organentnahme, die Gewebetypisierung bei Organspendern, der neurologische Dienst u. a., zentralisiert bzw. gemeinsam wahrgenommen. Ebenso wird die bereits bestehende gemeinsame Warteliste für Nierentransplantationen der beiden Universitätsklinika Charite? und Benjamin Franklin fortgeführt. Berlin und Brandenburg sind bei der Etablierung einer regionalen Struktur für Organspende und Transplantation führend in Deutschland.

III. Auswirkungen

1. Auswirkungen auf die Krankenversorgung

Auf die Versorgungssituation und den Transplantationsbedarf wurde bereits eingegangen. Danach können die zu erwartenden Transplantationen ohne Probleme von den beiden Transplantationszentren an der Charite? und am Universitätsklinikum Benjamin Franklin geleistet werden. Versorgungseinschränkungen auf Grund der Verlagerung des Bereiches Nierentransplantationen des Krankenhauses Friedrichshain zur Charite? wird es nicht geben. Die Schwerpunktbildung einerseits und die Dimensionierung der Fallzahlen in beiden Zentren für Nierentransplantationen andererseits wird die Qualität der Krankenversorgung optimieren helfen.

2. Auswirkungen auf Forschung und Lehre

An beiden Universitätsklinika wird in der Transplantationsmedizin erfolgreich geforscht. Mit der Konzentration der Transplantationen auf die mit Forschungskapazitäten ausgestatteten Universitätsklinika können die Leistungsfähigkeit und die wissenschaftliche Attraktivität der Einrichtungen weiter gesteigert werden. Insbesondere mit dem Transplantationszentrum an der Charite? wird ein konzentrierter Schwerpunkt für die Übertragung aller Organe gebildet, der optimal in der Lage sein wird, organübergreifende Probleme zu erforschen. Die Transplantationsmedizin ist durch ihre interdisziplinären Bezüge besonders für kooperative und koordinierte Forschungsvorhaben geeignet.

Im Hinblick auf die Lehre sichert die Durchführung von Transplantationen die erforderliche Ausbildung der Studenten in Transplantationsmedizin und Immunsuppression.

3. Wirtschaftlichkeit der künftigen Struktureinheiten

Mit der Bildung der beiden Transplantationszentren werden vernünftige Größenordnungen geschaffen, in denen die vorhandenen Ressourcen effektiv genutzt werden können. Unwirtschaftlichen Fallzahlen wird entgegengewirkt.

Aus der beabsichtigten Verlagerung vom Krankenhaus Friedrichshain in die Charite? ergibt sich kein zusätzlicher Zuschußbedarf für Investitionen aus dem Landeshaushalt. Für die Unterbringung des Transplantationsbereiches und des HLA-Labors werden Flächen und sonstige Ressourcen der Charite? genutzt.

Soweit Folgekosten entstehen, werden sie aus den Erträgen (Sonderentgelte und Pflegesätze) der Charite? finanziert.

4. Auswirkungen auf den Haushaltsplan und die Finanzplanung Auswirkungen auf Einnahmen und Ausgaben des Landeshaushaltes ergeben sich keine, da die Leistungen der Krankenversorgung durch die Krankenkassen bzw. von den Patienten vergütet und in den Wirtschaftsplänen der Krankenversorgungseinrichtungen nachgewiesen werden. Die Budgetauswirkungen, die sich aus der Zusammenführung von Transplantationsbereichen ergeben, sind von den Einrichtungen auf der Grundlage der Festlegungen des Senats mit den Krankenkassen zu verhandeln. Eine negative Auswirkung auf die Belastung der Krankenkassen kann ausgeschlossen werden. Der für Nierentransplantationen erforderliche besondere Aufwand wird durch landesweit festgelegte Sonderentgelte vergütet, so dass unabhängig von dem Krankenhaus, das diese Leistungen erbringt, grundsätzlich die selben Kosten zu vergüten sind.

Das Personal aus dem Bereich Nierentransplantation und des HLA-Labors im Krankenhaus Friedrichshain wird vom Universitätsklinikum Charite? in das dortige Transplantationszentrum übernommen.

Wir bitten, den Beschluß damit als erledigt anzusehen.