Deregulierung im Straßenverkehr

„Der Senat wird aufgefordert, an geeigneten Stellen im Straßennetz auch weiterhin neue Fußgängerüberwege (Zebrastreifen) einzurichten. Die Installation von Lichtsignalanlagen ist auf die unbedingt notwendigen Fälle zu beschränken. Gleichzeitig ist eine verstärkte Verkehrssicherheitskampagne und Verkehrsüberwachung mit dem Ziel der Durchsetzung der Fußgängerüberwege als kostengünstiges Verkehrssicherungsinstrument nach der Straßenverkehrs-Ordnung durchzuführen.

Dem Abgeordnetenhaus ist bis zum 31. August 1998 zu berichten."

Hierzu wird berichtet: I. Fußgängerüberwege (FGÜ) sind seit langem ein Instrument der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO)1 zur Sicherung von Fußgängerquerungen. FGÜ sind in der Vergangenheit angeordnet worden. An hierfür geeigneten Stellen wird dies auch in Zukunft geschehen. Allerdings ist die Anordnung von FGÜ an enge Voraussetzungen gebunden, die eine sorgfältige Prüfung voraussetzen und der Anordnungsmöglichkeit Grenzen setzen.

Nach der bundesweit geltenden Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur StVO ­ VwV-StVO2 gelten für Fußgängerüberwege folgende Anordnungsbeschränkungen:

a) Es darf nicht mehr als ein Fahrstreifen je Richtung überquert werden müssen. Ausgenommen hiervon sind Kreuzungen und Einmündungen an Straßen mit Wartepflicht (Verkehrszeichen „Vorfahrt gewähren!" oder „Halt! Vorfahrt gewähren!").

b) Fußgängerüberwege dürfen nicht im Zuge von Grünen Wellen, in der Nähe von Lichtzeichenanlagen, über Bus-Sonderfahrstreifen oder über Straßenbahngleise (kein Vorrang der Fußgänger gegenüber Schienenbahnen) angelegt werden.

c) Die zulässige Höchstgeschwindigkeit darf nicht mehr als 50 km/h betragen.

d) Fußgängerüberwege sind grundsätzlich nur an Kreuzungen oder Einmündungen zulässig. Hiervon darf nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden.

e) Fußgängerüberwege müssen ausreichend weit voneinander entfernt sein.

f) Das Kraftfahrzeugverkehrsaufkommen darf nicht stark sein, weil dann die Fußgängersicherheit nicht mehr gewährleistet werden kann.

Diesen Einschränkungen lag die aus jahrelangen bundesweiten Erfahrungen gewonnene Erkenntnis zugrunde, dass Fußgängerüberwege vielfach nur eine vermeintliche Schutzwirkung haben, tatsächlich jedoch das Unfallrisiko der Fußgänger, die im Vertrauen auf ihren Vorrang beim Überqueren der Fahrbahn nicht die gebotene Sorgfalt anwenden, erhöhen. Insbesondere gilt dies für Fälle, bei denen mehr als ein Fahrstreifen je Richtung überquert werden muss und/oder bei denen das Kfz-Verkehrsaufkommen erheblich ist.

Die vorstehenden Ausführungen haben aufgezeigt, unter welchen Voraussetzungen FGÜ angeordnet werden können.

Dabei ist allerdings nicht die Entscheidung zu treffen, ob statt einer LZA ein FGÜ anzuordnen ist, weil die Voraussetzungen zum Einsatz dieser Maßnahmen jeweils auf einer anderen Beurteilungsgrundlage beruhen: Lichtzeichenanlagen werden im Regelfall nur für Straßen mit höherem Kraftfahrzeugverkehr angeordnet. Bei nur sporadischem Kraftfahrzeugverkehr werden Fußgänger dazu verleitet, die vermeintlich fahrzeugfreie Fahrbahn bei „Rot" zu überqueren. Lichtzeichenanlagen sind mithin im Regelfalle erst dann sinnvoll und vertretbar, wenn wegen des Kfz-Verkehrsaufkommens und der damit verbundenen Unfallrisiken ein Fußgängerüberweg nicht mehr in Betracht kommen kann.

Der Eindruck, in Berlin werden FGÜ als Instrument der Verkehrssicherheit vernachlässigt, kann dadurch entstanden sein, daß seit 1990 rund 12 FGÜ durch Lichtzeichenanlagen (LZA) ersetzt wurden, da diese FGÜ nicht den zuvor genannten Richtlinien entsprachen und somit eine ausreichende Schutzfunktion nicht ausüben konnten.

Ein besonders schwerwiegendes Beispiel ist der Fußgängerüberweg Treskowallee/Dönhoffstraße im Bezirk Lichtenberg, auf dem sich 10 Verkehrsunfälle mit einem getöteten, einem schwerverletzten und acht leichtverletzten Fußgängern ereignet haben.

Eine Überprüfung der Unfalldaten und der Verkehrssituation an den 98 vorhandenen Fußgängerüberwegen hat gezeigt, dass aus den vorstehend bereits genannten Gründen noch weitere acht aufgehoben werden müssen. So haben sich in der Zeit vom 1. August 1994 bzw. 1. Januar 1995 bis zum 22. September 1997, d. h. in rund drei Jahren, an 24 dieser Überwege insgesamt 48 Verkehrsunfälle mit Fußgängern ereignet, die nicht von diesen verursacht worden sind. Hierbei waren insgesamt zwei getötete, neun schwerverletzte und 40 leichtverletzte Fußgänger zu beklagen.

Insoweit kann und darf das Argument, ein FGÜ sei ein kostengünstiges Verkehrssicherheitsinstrument, nicht als Grundlage für eine Entscheidung über die Wahl des geeigneten Mittels herangezogen werden.

An geeigneten Stellen sind bei Vorliegen der Voraussetzungen in den letzten Jahren aber auch FGÜ angeordnet worden. Zu benennen sind:

- Alt-Rudow/Krokusstraße (Umsetzung September 1992)

- Teltower Damm im Bereich der John-F.-Kennedy-Schule (Umsetzung August 1994)

- Bouche'straße in Höhe Grundstück 5­9 (Umsetzung November 1997

- Werneuchener Straße (Nr. 14) (Umsetzung August 1998)

- Straße Am Nordgraben/Humboldt-Krankenhaus (Anordnung ist 1998 veranlaßt)

- Ziegrastraße (Umsetzung August 1998) FGÜ sind ein seit Jahrzehnten bekanntes straßenverkehrsbehördliches Regelungsinstrument und mit den in Berlin vorhandenen 98 FGÜ auch kein so seltenes, dass der Kraftfahrer seine Bedeutung und vor allem die Beachtung nicht kennen könnte.

Dennoch wird die Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr gemeinsam mit der Berliner Polizei bis spätestens zum Frühjahr 1999 eine das gesamte Stadtgebiet umfassende Sonderaktion zur Überprüfung des Verhaltens der Verkehrsteilnehmer an FGÜ durchführen. Diese Aktion wird im Rahmen der Verkehrsaufklärung mit entsprechenden Informationen wie verkehrserzieherische Gespräche vor Ort, der Darstellung des richtigen Verhaltens auf Flugblättern und einer entsprechenden Pressearbeit begleitet.

II. Der Senat wird darauf hinwirken, dass FGÜ in Zukunft auch weiterhin als Sicherungsmaßnahme für Fußgänger zum Einsatz kommen. So ist auch eine kritische Prüfung der angeordneten LZA mit dem Ziel durchgeführt worden, statt der LZA FGÜ vorzusehen, wenn auf Grund einer kritischen Sicht die Voraussetzungen der StVO-VwV vorliegen oder durch flankierende Maßnahmen geschaffen werden können. Nach dem Ergebnis der Prüfung wird für folgende LZA die Anordnung aufgehoben und statt dessen ein FGÜ angeordnet werden, wobei gegebenenfalls durch bauliche Maßnahmen erreicht werden muß, dass nur jeweils ein Fahrstreifen je Richtung zu überqueren ist. Der Senat wird darauf dringen, dass die Einrichtung der FGÜ schnellstmöglich umgesetzt wird:

1. Vincent-van-Gogh-Straße (Randowstraße oder Welsestraße)

2. Kiefholzstraße (Krematorium)

3. Buddestraße/Grußdorfstraße

4. Provinzstraße/Kühnemannstraße-Schwabstraße

5. Hauptstraße (S-Bhf Ostkreuz)

6. Stresemannstraße/Großbeeren-/Hallesche Straße

Im Zusammenhang mit der zuvor genannten Prüfung sind sämtliche Anordnungen von LZA daraufhin untersucht worden, ob sie tatsächlich unabweisbar notwendig sind oder ob durch Änderung der Verkehrsverhältnisse, bauliche Umgestaltungen oder andere Verkehrsmaßnahmen eine neue Beurteilung der Voraussetzung der seinerzeitigen Anordnung zum Ergebnis führt, die Anordnung aufheben zu können.

Mit Stand Juni 1998 sind 189 LZA angeordnet, deren Bau noch aussteht. Weitere 86 Anordnungen betreffen Ersatzbauten für die bereits vorhandenen oder provisorisch in Betrieb genommenen und künftig durch endgültige Bauten zu ersetzenden Anlagen sowie LZA, die im Rahmen des Bauprogramms 1998 realisiert werden. Diese 86 Anordnungen stehen daher nicht zur Disposition.

Die 189 straßenverkehrsbehördlich angeordneten neuen LZAStandorte verteilen sich auf die Bezirke wie aus der Tabelle der Anlage ersichtlich: 45 Anordnungen werden aufgehoben, sechs durch die v. g. FGÜ ersetzt. In der Liste der verbleibenden

LZA sind 48 LZA enthalten, die im Zusammenhang mit dem Straßenbahnbau, der Straßenbahnbeschleunigung und der Absicherung von Straßenbahntrassen stehen. Diese Anlagen werden im Zuge des laufenden Projekts „linienbezogene Straßenbahnbeschleunigung" der BVG gesondert überprüft. Wieviele der Anlagen möglicherweise entfallen, ist gegenwärtig noch offen.

Das Projekt soll 2001 abgeschlossen sein. Außerdem sollen zwei LZA durch Kreisverkehrsanlagen ersetzt werden (die Aufhebung der Anordnungen erfolgt im Zuge der Baudurchführung; ein Termin dafür steht noch nicht fest).

Die Anordnungen für die übrigen LZA müssen bestehen bleiben, weil sie aus Verkehrssicherheitsgründen unabweisbar notwendig sind. Die Überprüfung hat gezeigt, dass in der Vergangenheit ein vergleichsweise weites Ermessen als Beurteilungsmaßstab angelegt wurde, insbesondere konnte den Forderungen von Eltern, Schulen, Senioreneinrichtungen, Bezirksgremien u. ä. nicht immer konsequent begegnet werden. Im Hinblick auf die Vielzahl der bereits vorhandenen und angeordneten LZA und der angespannten Haushaltslage wird künftig noch intensiver und gegebenenfalls unter Inkaufnahme von Umwegen für Fußgänger, Radfahrer und Kraftfahrern zu bereits bestehenden Sicherungsmaßnahmen zu prüfen sein, ob tatsächlich eine LZA erforderlich ist oder gegebenenfalls andere Maßnahmen ausreichen.

Wir bitten, den Beschluß damit als erledigt anzusehen.