Anwendung des novellierten Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG)

Der Senat wird aufgefordert, die Weisung zur Ausführung des AsylbLG vom August 1998 zurückzunehmen und eine neue zu erlassen, in der wie folgt zu verfahren ist:

1. Bei der Prüfung von Anspruchseinschränkungen nach § 1 a AsylbLG, liegt die Beweislast bei den Behörden und nicht bei den Antragstellern/-innen.

2. Als unabweisbar gebotene Leistungen im Sinn des § 1 a AsylbLG sind generell zu gewähren: medizinische Versorgung, Unterkunft, Ernährung, Kleidung und Hygienebedarf.

Sie dürfen nicht gekürzt bzw. in Zusammenhang mit der Anwendung von § 1 a AsylbLG eingestellt werden. Darüber hinaus ist der Mindestbedarf für die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs in Bar zu übernehmen.

3. Auf Staatenlose und Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit ist § 1 a AsylbLG grundsätzlich nicht anzuwenden.

4. Bei der Praxis der Leistungsgewährung ist die Einreise über Drittstaaten allein kein Grund, Leistungen nach § 1 a AsylbLG einzuschränken. Es gilt der Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes Berlin vom 4. Februar 1999 (Aktenzeichen OVG 6 SN 230.96/OVG 6 SN 11.99), dass die Einreise auf dem Weg über „sichere Drittländer" nicht als Missbrauch im Sinne des § 1 a Nr. 1 AsylbLG zu bewerten ist und deshalb nicht zu Leistungsverweigerung führen darf.

Begründung:

Nach der erneuten Änderung des Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) im Sommer 1998 ist die Möglichkeit weitreichender Leistungskürzungen gegeben, die durch die Sozialbehörden einiger Bezirke willkürlich dazu benutzt werden, Flüchtlingen jegliche Sozialleistungen zu entziehen bzw. Leistungen einzuschränken.

Der Entzug jeglichen Bargeldes, aber auch die Einstellung der Versorgung und das obdachlos Aussetzen der Flüchtlinge ist nicht verfassungskonform. Es widerspricht dem Sozialstaatsgebot in Artikel 20 GG sowie dem Schutz der Menschenwürde und der körperlichen Unversehrtheit nach Artikel 1 und 2 GG. Wenn die

Sozialhilfe die Funktion hat, jedem Menschen eine menschenwürdige Existenz zu sichern, verstößt somit der Entzug jeglicher Hilfen oder die Einschränkung der Hilfe unter das gesetzlich vorgeschriebene Minimum gegen dieses Verfassungsprinzip.

Darüber hinaus liegt ein Verstoß gegen die Allgemeine Deklaration der Menschenrechte, insbesondere Artikel 25 vor. Danach hat jede Person Anspruch auf eine Lebenshaltung, die ihre und ihrer Familie Gesundheit und Wohlfahrt und insbesondere das Recht auf Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Fürsorge sowie weitere erforderliche soziale Leistungen sichert.

Über die gesetzlich geregelte Mitwirkungspflicht hinaus, wird den betroffenen Flüchtlingen häufig zugemutet, die Beweise dafür zu erbringen, dass sie nicht eingereist sind, um Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen. Ihnen wird vorgeworfen, dass sie nicht an der Feststellung ihrer Identität mitwirken, obwohl sie gültige Personaldokumente vorgelegt und an einer ED-Behandlung mitgewirkt haben. Diese Praxis öffnet, wie zahlreiche Fälle inzwischen belegen, der Willkür Tür und Tor und muss sofort beendet werden. Dies beeinträchtigt nicht den legitimen Grundsatz der Mitwirkungspflicht von Antragstellern.

Darüber hinaus ist es geboten, gegenüber der Verwaltung klarzustellen, dass staatenlose Palästinenser mit Duldung, die somit unter die Anwendung des § 1 AsylbLG fallen, wieder herausgenommen werden müssen, da die Ausreise bzw. die Feststellung der Identität in der Regel auf Hindernisse stößt, die von Ihnen nicht selbst zu verantworten sind.