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Einige Betriebe verhielten sich eher abwartend (hinsichtlich des Gesamtprogramms der Münchner Arbeitsverwaltung), andere Betriebe lagen außerhalb Münchens, sodass für manche Teilnehmerinnen (Mütter mit kleinen Kindern) der Anfahrtsweg zu lang war. Aufgrund dieser Erfahrungen wird das Programm in Zukunft auf Praktikumsbetriebe außerhalb der Reycling-Branche ausgeweitet.

München: Projekt „21 Häuser"

Ein Projekt, das verdeutlicht, wie sich unterschiedliche Dimensionen der Nachhaltigkeit integrieren lassen, ist das Pilotprojekt „21 Häuser: Beschäftigung durch Klimaschutz" des Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramms in München gegründet Ende 1997 und auf eine dreijährige Laufzeit angelegt.

Zwei Ausgangspunkte führten zu diesem Projekt:74 Erstens fanden sich in dem Bereich der Bauund Energieerzeugung große Beschäftigungspotentiale. Zweitens baut das Projekt auf der einhelligen Feststellung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 2. Münchner Klimagipfels auf (einem vom Umweltschutzreferat organisierten klimaschutzorientierten Fachgespräch der Münchner Wohnungswirtschaft), dass auf dem Gebiet der Sanierung von Altbau-Wohngebieten weit weniger geschieht, als technisch machbar und sowohl unter ökologischen als auch unter beschäftigungspolitischen Gesichtspunkten notwendig wäre.

Das Hemmnis der energetischen Sanierung von Altbauten beruht auf folgendem Dilemma. Die Sanierung ist für die Hauseigentümer nicht interessant, denn es gibt weder einen gesetzlichen Zwang zur Sanierung von alten Heizungsanlagen, noch lohnen sich die Investitionen aus finanziellen Gründen, da die Nebenkosten auf die Mieter umgelegt werden. Die Mieter, denen die Senkung der Nebenkosten nach einer Sanierung unmittelbar zugute käme, können die notwendigen Maßnahmen allein nicht durchführen.

Das Projekt bezieht daher alle für den Mietwohnungsbereich relevanten Akteure mit ein. Es richtet sich an Vermieter (Verwaltungen, Eigentümer), Mieterinnen und Mieter und an Mietervereine, ferner an Ingenieurbüros, Architekten, an Wirtschaftsakteure wie die Bauinnung sowie schließlich an Hersteller von Heizanlagen und Dämmstoffen. Kontaktiert wurden darüber hinaus lokale Medien und Fachzeitschriften für Baugewerbe und Multiplikatoren in den Verwaltungen.

Dieses Projekt darf nicht mit dem Projekt „21 Haushalte testen nachhaltige Lebensformen" verwechselt werden. Hierbei geht es um die einjährige freiwillige Erhebung der Konsum-, Mobilitäts-, Freizeit- und Ernährungsgewohnheiten der in diesen Haushalten lebenden Personen durch Betreuer/-innen. Diese arbeiten mit verschiedenen Akteuren zusammen, die gemeinsam die erhobenen Daten auswerten: Stadtverwaltungen, Volkshochschulen, Stadtwerke, Verbraucherzentrale, Bund Naturschutz und die Bayerische Hausfrauenvereinigung. Ziel ist es, das Verhalten bzw. den jeweiligen Lebensstil im Sinne nachhaltigen Verhaltens und Handelns zu ändern. Vgl. Thome (1998) 122ff.

Vgl. Hengstenberg (1998) 59ff.

Vgl. Bahl-Benker (1998) 102.

Vgl. Bahl-Benker (1998) 103.

Konzeption, Koordination und fachliche Begleitung des Projekts der Sanierung von 21 Wohngebäuden (zusammen mit Fachfirmen und Wohnungswirtschaft) sowie der Öffentlichkeitsarbeit hat die Münchner „ArbeitsGruppeEnergie" (AGE) übernommen.

Das Projekt ist insofern ein gutes Beispiel für gelungene Akteurskooperation, als die Akteure aus der Wohnungswirtschaft (Eigentümer und Wohnungsverwaltungen) schon im Vorfeld für die Teilnahme gewonnen werden konnten. Ebenso zugesagt hatten die Münchner Energieagentur, die beiden Mietervereine und der Haus- und Grundbesitzerverein. Diese Kooperation setzt sich bei der Durchführung der Sanierung selbst fort. Die „ArbeitsGruppeEnergie" (AGE) errechnet z. B. für Vermieter und Mieter, welche Investitionskosten welcher Nebenkostenreduzierung pro m2 gegenüberstehen. Da die Ersparnisse oft doppelt so hoch sind wie die Investitionskosten, lässt sich über eine Erhöhung der Kaltmiete verbunden mit einer darüber hinausgehenden Senkung der Nebenkosten ein für beide Seiten attraktiver Kompromiss finden, der als Rahmenvereinbarung vor Beginn der Sanierungsmaßnahmen festgehalten wird.

Von ebenso zentraler Bedeutung sind die Beschäftigungseffekte des Projektes. Ein kleines Team bislang arbeitsloser Ingenieurinnen und Ingenieure, Betriebswirte und Bürofachkräfte (u.a. Organisationsmanagement), die auf ABM-Basis eingestellt wurden, analysiert und koordiniert das Gesamtprojekt und erarbeitet übertragbare Lösungen. Die detaillierten Ausführungen der Sanierungsmaßnahmen erfolgen dann jeweils durch Fachfirmen der betreffenden Gewerke im Auftrag der Gebäudeeigentümer.

Setzt sich das Sanierungsmodell wie erhofft in weiten Teilen der Münchner Wohnungswirtschaft fort, dürfte ein geschätztes Investionsvolumen von ca. 1 Mrd. DM allein im Raum München für viele weitere Dauerarbeitsplätze im Baugewerbe sorgen.

Das Projekt kann noch in anderer Hinsicht auf Erfolge verweisen. Für 10 Wohnhäuser, für die als Altbauten kein rechtlicher Sanierungszwang bestand, wurden im Rahmen des Projektes „21-Häuser" bereits Sanierungskonzepte entwickelt. Die Umwelt profitiert dabei durch die Minderung der raumwärmebedingten CO2-Emissionen, die Vermieter durch die Schaffung von Kostentranzparenz bei der Planung von Sanierungen, durch die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit von Wohngebäuden und durch die Entwicklung eines funktionierenden Modells für die Verteilung von Sanierungslasten und -erfolgen. Die Mieter bzw. Hausbewohner gewinnen schließlich durch die dauerhafte Senkung der Nebenkosten.

Bauen und Wohnen: Flächennutzung

Einleitende Hinweise

Der Bereich Bauen und Wohnen hat für nachhaltige Entwicklungen einen hohen Stellenwert (siehe Kapitel 8.3.2, Seite 257 und 9.1, Seite 467): Hier „zeigen sich die Wechselwirkungen zwischen Umweltbeeinflussung und Lebensstilen, sozialen Strukturen und Bedürfnissen, Arbeits- und Konsumgewohnheiten. Die Neugestaltung dieses zentralen Lebensbereichs nach den Zielvorgaben einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung stellt eine zentrale Herausforderung dar, die auch 77 Vgl. Bahl-Benker (1998) 104. bei der 2. Weltsiedlungskonferenz der Vereinten Nationen (HABITAT II) eine große Rolle gespielt hat."

Als beispielhaft für nachhaltige Flächennutzung im Bereich Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung sind im Folgenden Projekte aus Frankfurt am Main und Hamburg dargestellt.

Frankfurt/Main: Projekt „Agendawald"

Das Frankfurter Projekt „Agendawald" ist ein Resultat der Arbeit zur Lokalen Agenda 21 Frankfurt, die Anfang 1996 ­ basierend auf 19 Fachforen zu allen relevanten ökologischen, ökonomischen und sozialen Themenbereichen ­ mit einem Beschluss der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung begann.79 Die Beteiligten des Forums „Freiflächen" haben im Dezember 1996 beschlossen, als sichtbares Zeichen für Nachhaltigkeit einen Wald von ca. 2,5 ha aufzuforsten. Es entstand die Idee, die dafür erforderlichen Mittel ­ rund 65.000 DM ­ auf eine der Finanzmetropole Frankfurt durchaus „angemessene" Weise zu akquirieren: „Der Agendawald wird als ein Unternehmen angesehen, das sein Startkapital über symbolische Aktien beschafft. Eine Aktie im Nennwert von 50 DM erlaubt die Aufforstung von 20 m2 Agendawald. Auf diesen 20 m2 werden ca. 12 Bäume angepflanzt. (...) Insgesamt gibt das Umweltamt der Stadt Frankfurt am Main vom Sommer 1997 bis Herbst 1998 1.300 Aktien aus."

Das für den Agendawald zugewiesene Gelände ist im Frankfurter Stadtwald am Rande der Schwanheimer Wiesen gelegen und somit Bestandteil des Frankfurter Grüngürtels.

Es werden dort, zunächst vor Wildtieren geschützt, nur heimische Baum- und Straucharten, also keine exotischen Gewächse gesetzt. Das Forstamt der Stadt pflanzte Ende November 1997 zusammen mit den „Aktionärinnen" und „Aktionären" den ersten Hektar Wald an. Die Pflanzaktionen im Jahr 1998 fanden in der städtischen und regionalen Tagespresse ein breites Echo. Hervorgehoben wurde, dass es sich um die erste bundesweite Aktion dieser Art überhaupt gehandelt habe. Inhaber der Aktien seien sowohl Privatpersonen als auch Firmen und Großunternehmen (z.B. AEG, das Chemieunternehmen Clariant, der LionsClub). Clariant und der Lions-Club waren ­ jedenfalls bis Sommer 1998 ­ die „Hauptaktionäre", beide zusammen halten insgesamt 300 Aktien, im Wert von

Enquetekommission „Schutz des Menschen und der Umwelt" (1998) 232.

Vgl. Projektgruppe Lokale Agenda 21 Frankfurt/Main (1998) 1ff.

Internet-Adresse: http://www.stadt-frankfurt.de/stadtverwaltung/umweltamt; Stadt Frankfurt/Main, Dezernat für Umwelt, Energie und Brandschutz (1997). 80 Projektgruppe Lokale Agenda 21 Frankfurt/Main (1998) 15.

Das Gelände wurde bis 1996 durchgehend militärisch genutzt: Die deutsche Wehrmacht betrieb dort bis Kriegsende eine Sendeanlage; danach nutzten die US-Streitkräfte auf dem Gelände ein NATO-Eichlabor für Raketensprengköpfe. Im Jahre 1996 konnte dann die Stadt Frankfurt das Grundstück vom US-Militär erwerben. Mit der Aufforstung bekommt das Gelände eine „idealtypische" ökologische Aufwertung.