Der Bezug zur Nachhaltigkeit besteht im Kommunlen Forum Wedding in der Aktivierung brachliegender Ressourcen

Gesellschaftliche Aktivitäten

Die notwendige soziale Betreuung bzw. soziale Versorgung wird dem Land Berlin in nicht unerheblichem Maß nicht nur von den etablierten „Freien Trägern", sondern auch von zahllosen Vereine und Initiativen abgenommen. Das gilt insbesondere für die Strategie der sozialen Aktivierung in den Bezirken und Quartieren. Aus dem unübersichtlichen Angebot an Initiativen und Projekten sollen im Folgenden einige beispielhaft genannt werden.

Den Ansatz der gemeinwesenorientierten Gebietsentwicklung verfolgt das „Kommunale Forum Wedding e.V."

Die hohe Arbeitslosigkeit und die überdurchschnittliche Sozialhilfeabhängigkeit im Bezirk Wedding belegen zwar den ökonomischen „Abstieg" dieses Stadtteils. Sie sind jedoch kein Indiz für einen Mangel an Arbeit, wenn unter Arbeit eine Tätigkeit verstanden wird, die sich am gesellschaftlichen Bedarf orientiert. Von dieser Prämisse geht das Kommunale Forum aus. Zur Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse, die der Markt nicht aufgreift und auf die auch der öffentliche Sektor immer weniger eingeht, ist dem Kommunalen Forum zufolge ein gebietsbezogenes Entwicklungskonzept erforderlich. Es soll einerseits lokale Ressourcen mobilisieren und andererseits neuartige Partnerschaften zwischen privatem, öffentlichem und gemeinnützigem Sektor entwickeln. Hierzu bedarf es einer intermediären Einrichtung, die zunächst den jeweiligen Bedarf sichtbar macht und die lokalen Partnerschaften organisiert. Hierin sieht das Kommunale Forum seine Aufgabe. Ziel ist die Initiierung sozialer und ökonomischer Stabilisierung durch mehrere Handlungsfelder: Stärkung des Selbsthilfepotentials der Bewohner, Verbesserung der Beschäftigungssituation durch lokale Beschäftigungsinitiativen, Ausweitung der Kooperation zwischen lokalen Akteuren. Alle Vorhaben werden in einer örtlichen Unterstützungseinrichtung, einem „Nachbarschaftsladen", logistisch gebündelt.

Der Bezug zur Nachhaltigkeit besteht im Kommunlen Forum Wedding in der Aktivierung brachliegender Ressourcen. Das Kommunale Forum Wedding bekämpft nicht nur die Folgen der Arbeitslosigkeit, es ist auch ein Beispiel, wie existierende ­ aber vom Markt nicht befriedigte ­ Ansprüche wirtschaftlich aufgegriffen werden und dabei sozialen Wohlstand fördern und die ökologischen Lebensbedingungen (Stärkung der Nachbarschaften) verbessern können. Ein wesentliches Element der nachhaltigen Entwicklung ist die Mitwirkung der Bewohner: Nur durch eigenes Mitmachen, in den Alltag integrierte Erfahrungsmöglichkeiten und Mitverantwortung werden die Wechselwirkungen zwischen eigenem Verhalten und sozialen sowie Umwelteffekten bewusst und können so zu einem soziale(re)n und umweltgerechteren Verhalten führen. Das Kommunale Forum stellt eine geeignete Infrastruktur für eine quartiersbezogene und an den konkreten Bewohnerinteressen orientierte gesellschaftliche Aktivierung dar.

Ein weiteres beispielhaftes Projekt, das sich dem Prinzip der Nachhaltigkeit verpflichtet fühlt und dabei die soziale Dimension in seiner Arbeit hervorhebt, ist die KirchBauhof gGmbH.

Vgl. Achter, Schwarz (1999); vgl. Kommunales Forum Wedding e.V. (1996). 89 Vgl. das Faltblatt der KirchBauhof GmbH; vgl. www.kirchbauhof.de.

Das Motto der KirchBauhof gGmbH lautet „Ökologisch bauen, sozial beschäftigen, praxisnah qualifizieren und gemeinnützig arbeiten". Der KirchBauhof ist ein Unternehmen zur Modernisierung und Neunutzung sanierungsbedürftiger und kaum noch besuchter alter Kirchen. Es wurde 1991 von der STATTBAU GmbH (treuhänderischer Sanierungsträger des Landes Berlin) zu dem Zweck gegründet, die Kreuzberger Kirche „Zum Heiligen Geist" umzubauen und zu sanieren. Seit 1994 beschäftigt der KirchBauhof rund 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus ganz Berlin.

Während in der Anfangsphase vor allem Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) in den Gewerben der Maurer, Tischler und Schlosser angeboten wurden, finden inzwischen auch ABM für Trockenbauer, Maler und Steinmetze statt. Seit 1994 gibt es für 40 Beschäftigte die Möglichkeit, an Umschulungsmaßnahmen teilzunehmen und auf diese Weise einen qualifizierten Berufsabschluss zu erwerben. Die KirchBauhof gGmbH ist inzwischen eine eigenständige Gesellschaft und wird zu je einem Drittel von STATTBAU, der Evangelischen Kirchengemeinde „Zum Heiligen Geist" sowie von der Mitarbeiter/-innen-GbR getragen.

In ihrer Bedeutung für die Nachhaltigkeit ist die KirchBauhof gGmbH insbesondere wegen ihrer Orientierung am „genius loci" (Geist des Ortes) hervorzuheben. Denn die Verfügbarkeit emotionaler Haltepunkte im Wohnquartier und die erlebbare Beziehung zu einer Stadt bzw. zu einem Stadtteil durch bauliche und städtebauliche Mittel, die eine ortscharakteristische Situation hervorbringen, ist eine Grundvoraussetzung für die menschliche Identitätsbildung.

Weitere Projekte

Diesem Ziel dienen auch eine Reihe von Projekten, die die Partizipation in den Stadtbezirken fördern sollen. Beispielhafte Projekte sind in Großsiedlungen vorhanden:

­ Als Pilotprojekt gilt das Beiratsverfahren zur Wohnumfeldverbesserung im Märkischen Viertel.

Es wurde in den 80er Jahren als Pilotprojekt zwischen Bundesbauministerium, der Berliner Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen und der Wohnungsbaugesellschaft GeSoBau vor dem Hintergrund drohender Leerstände und einer ungünstigen Entwicklung der sozio-demographischen Strukturen initiiert. Die Erhöhung der Attraktivität und Akzeptanz des Wohnviertels sollte durch Wohnumfeldverbesserungen und Instandsetzungsmaßnahmen erreicht werden, an deren Konzeption und Entwicklung die Bewohner beteiligt wurden. Ein ähnliches Projekt wurde in der Gropiusstadt konzipiert.

­ In den Ostberliner Plattenbausiedlungen laufen seit 1991 ähnliche Projekte im Rahmen des Forschungsvorhabens „Städtebauliche Entwicklung großer Neubaugebiete in den fünf neuen Ländern und Berlin-Ost".91 Berlin beteiligt sich mit vier Projekten des experimentellen Wohnungs- und Städtebaus in Marzahn, Hel90 Vgl. GeSoBau (1988). 91 Vgl. Urban Plan (1993). lersdorf, Alt-Glienicke und in der Greifswalder Straße. In jedem dieser Projekte stellt die Entwicklung und Durchführung von Verfahren zur Bürgerbeteiligung einen eigenen Baustein dar.

­ In Marzahn setzt sich der Baustein „Bürgerbeteiligung" aus drei Modulen zusammen: aus der Plattform als übergreifendem Instrument zur Beteiligung der Bürger und Akteure, aus der Begleitforschung und der Ideenwerkstatt. In der Großsiedlung Hellersdorf steht bei den laufenden Projekten der Weiterausbau der Siedlung mit ökologischen Zielsetzungen im Mittelpunkt. Dementsprechend ist die Bürgerbeteiligung konzipiert. Sie hat zwei Ebenen: Zum einen sollen der Informationsfluss und die Transparenz auf der Gesamtsiedlungsebene gewährleistet, zum anderen die Bürger an den konkreten Maßnahmen beteiligt werden. Hierbei stellte das „Umweltforum", das ab Juni 1992 zwei Jahre lang lief, ein Informations- und Diskussionsforum für die grundsätzlichen Arbeiten in der Siedlung dar.

Es sollte gleichzeitig die Verbindung zu den Umweltinitiativen und -gruppen herstellen. Die soziale Dimension des Umweltforums war am Motto seiner ersten Sitzung abzulesen: „Sich miteinander bekannt machen, sich vorstellen, sich kennenlernen".

Eine Reihe von Projekten orientiert ihre Aktivitäten an den Problemen der besonders armen und an der aus dem gesellschaftlichen „Mainstream" ausgegrenzten Schicht der Bevölkerung. Der Bezug dieser Projekte zur Nachhaltigkeit besteht darin, dass der betreffenden Bevölkerung erste Impulse zur Wiedereingliederung in ein geregeltes Leben gegeben werden. Dazu gehören die Unterstützung und Hilfestellung bei Bewerbungen, die Verbesserung der Artikulationsfähigkeit, die Kinderbetreuung sowie Familienhilfe ebenso wie die kontinuierliche medizinische Versorgung oder die Reduzierung von Alkohol- und Drogenabhängigkeit.

Bei diesen Projekten werden mehrere Probleme integriert angegangen: Die Förderung und Begleitung von Familien und Kindern durch gezielte Kinder- und Jugendarbeit wirkt der Perspektivlosigkeit und Langeweile von Kindern und Jugendlichen entgegen, die oft Nährboden für Jugendkriminalität und Drogenmissbrauch sind.

Wird durch die Begleitung von Familien und Kindern (alleinerziehenden) Frauen Erwerbstätigkeit und gesellschaftliches Engagement ermöglicht, so wird damit auch ein Beitrag zur Gleichstellung der Geschlechter im Arbeitsleben und in der Gesellschaft geleistet. Und schließlich beeinflussen Verbesserungen der schulischen Bildung und Sprachkompetenz bei Kindern ethnischer Minderheiten deren künftige Teilhabechancen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft.

Im Folgenden können nur einige der unzähligen Initiativen genannt werden:

­ Der Verein Nachbarschaftshaus Prinzenalle e.V. ist Treffpunkt und Anlaufstelle für die Bewohnerinnen und Bewohner in der Weddinger Nachbarschaft. Er organisiert Veranstaltungen für die Nachbarschaft und stellt Räume für Initiativen zur Verfügung. Ein besonderer Schwerpunkt des Vereins liegt bei der Organisation von Kursen und Bereitstellung von Services für Bürgerinnen und Bürger mit und ohne Behinderungen und mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund.