Umweltschutz

Mietobergrenzen

Die Mietobergrenzen werden als Nebenbestimmung in den Genehmigungsbescheid aufgenommen. In manchen Bezirken wird eine Bindungsfrist festgelegt. Die Fortschreibung erfolgt fast überall im 2- bis 3-jährigen Rhythmus über eine empirische Kontrolluntersuchung. Allerdings ist diese Kontrolle sehr zeitintensiv, u. a., weil einige Vermieter erst nach wiederholten Aufforderungen die Mietverträge vorlegen.

Investitionstätigkeit in Erhaltungsgebieten

Der Milieuschutz hat bisher nach Auskunft der Bezirke zu keinen erkennbaren Investitionshemmnissen geführt. Das Stadtplanungsamt Prenzlauer Berg hat beispielsweise in einer ersten Auswertung nach Inkraftsetzung der Erhaltungsverordnungen (ca. 18 Monate) festgestellt, dass die Modernisierung in den festgelegten Gebieten weiterhin in hohem Tempo fortgesetzt wurde.

Insgesamt wurden in dieser Zeit in den Gebieten Genehmigungen für Modernisierungsarbeiten in 1 498 Wohnungen erteilt.

Dies entspricht einem Anteil von ca. 10 % der Wohnungen in den Gebieten überhaupt und von ca. 15 % der Wohnungen, die vorher über keinen Vollstandard verfügten.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Rahmenbedingungen für Investitionen in den Wohnungsbestand im Geltungsbereich des Fördergebietsgesetzes (FörderG) vom Jahresbeginn 1999 an entscheidend verändert haben.

Die erheblichen Steuervorteile für Wohnungsmodernisierung nach §§ 3 und 4 FörderG galten bis zum Jahresende 1998. Sonderabschreibungen auf die Instandsetzungs- und Modernisierungskosten können noch für Maßnahmen in Anspruch genommen werden, auf die bis zum 31. Dezember 1998 vom Käufer bzw. Gesellschafter einer Personengesellschaft Anzahlungen geleistet worden sind und die bis zum 31. Dezember 1999 abgeschlossen werden. Wie sich die Investitionstätigkeiten ab 2000 entwickeln werden, hängt vor allem von den weiteren steuerpolitischen Entscheidungen der Bundesregierung ab und können an dieser Stelle nicht eingeschätzt werden.

Die bis Ende 1999 fertiggestellten, modernisierten Wohnungen müssen erst vom Markt aufgenommen werden. Es ist damit zu rechnen, dass sich Investoren vorsichtig beobachtend verhalten werden. Diese Entwicklung ist vorhersehbar und darf nicht als Auswirkung von Mietobergrenzen fehlinterpretiert werden.

4. Milieuschutzverordnung für den Boxhagener Platz

Das Gebiet „Boxhagener Platz" ist exemplarisch für die stark erneuerungsbedürftigen Altbaubereiche im Ostteil der Stadt.

Als Innenstadtgebiet kommt dem Gebiet durch seine zentrale Lage und sehr guten Verkehrsanbindungen besondere Bedeutung zu. Das Gebiet zeichnet sich durch eine Vielzahl städtebaulicher Qualitäten aus wie z. B. die vorhandene Nutzungsmischung, Einrichtungen der sozialen Infrastruktur und Angebote zur Freizeitgestaltung.

Die überwiegend kleinen Wohnungen haben zur Ansiedlung von entsprechend kleinen Haushalten geführt. Durch die zentrale Lage und das günstige Mietpreisniveau haben sich viele Studierende und Haushaltsgründer in diesem Gebiet niedergelassen.

Das durchschnittliche Alter im Gebiet beträgt 32 Jahre und ist im Verhältnis zu den anderen Erhaltungsgebieten relativ niedrig. Die Haushaltseinkommen im Gebiet Boxhagener Platz liegen deutlich unter den mittleren Einkommen in den östlichen Bezirken.

Ein offensichtliches Defizit besteht an familiengerechtem Wohnraum.

An mehr als 3/4 der Wohnungen sind mehr oder weniger umfangreiche bauliche Aktivitäten erforderlich. Das bedeutet, dass:

a) ein Großteil der Wohnungen nicht alle zum Vollstandard zählenden Ausstattungsmerkmale aufweist und daher die Investitionen in den Wohnungsbestand eine potentielle Verdrängungsgefahr für die vorhandene Bewohnerstruktur darstellen und

b) zusätzlich die begrenzte Mietzahlungsfähigkeit der Bewohnerschaft eine sozialverträgliche Steuerung des Modernisierungsgeschehens erforderlich macht, um den Erhalt der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu gewährleisten.

Die Lebensqualität im Gebiet wird stark durch Verkehrs- und Umweltprobleme belastet. Die Versorgung mit Frei- und Grünflächen und kindergerechten Freizeitangeboten ist nicht ausreichend.

Seit dem 16. April 1999 ist die Erhaltungsverordnung „Boxhagener Platz" in Kraft. Damit ist eine wichtige Voraussetzung zum Schutz und zur Stabilisierung der gewachsenen Bevölkerungsstruktur geschaffen und gleichzeitig ein Rahmen für die so notwendigen gebietsstabilisierenden Modernisierungsmaßnahmen gegeben. Bei der Erarbeitung der Milieuschutzverordnung „Boxhagener Platz" wurden die Besonderheiten des Gebietes ausführlich diskutiert und konnten einvernehmlich zwischen allen Beteiligten geklärt werden. Die Ergebnisse werden in die Genehmigungspraxis einfließen.

Durch die dem Mietspiegel des Ostteil Berlins angepassten Mietobergrenzen wurde in besonderer Weise der ökonomischen Lebensbedingungen der vorhandenen Bewohner entsprochen.

Um sicherzustellen, dass die Milieuschutzsatzung nicht den Stillstand erforderlicher Erneuerungsmaßnahmen durch Abschreckung potentieller Investoren aus Furcht vor übermäßigen bürokratischen Hemmnissen im Rahmen der Baugenehmigung verursacht, hat der Bezirk in Abstimmung mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie eine Allgemeinverfügung erlassen, die bauliche Änderungen vorab genehmigt, wenn sie:

1. der Instandhaltung oder Instandsetzung von Wohngebäuden oder einzelnen Wohnungen dienen und nicht mietenwirksam werden;

2. dem Ersteinbau einer Innentoilette, eines Waschraumes mit Dusche oder Badewanne, dem Ersteinbau einer Sammelheizung (jeweils in Standardausführung) und der Grundausstattung mit Sanitär-, Frischwasser-, Abwasser- sowie Elektroinstallationen dienen und zu keiner Überschreitung der jeweils gültigen Mietobergrenze führen;

3. in selbstgenutzten Eigentumswohnungen oder von Mietern selbst zur Verbesserung des Wohnwertes (Mietermodernisierung) durchgeführt werden.

Diese Baumaßnahmen sind bis spätesten 3 Monate vor deren Ausführung dem Bezirksamt entsprechend anzuzeigen. Damit soll bei regelmäßig genehmigungsfähigen Anträgen das Verfahren vereinfacht und beschleunigt werden. Erwünschte Investitionen sollen nicht mehr als unbedingt erforderlich durch zeitaufwendige Prüfverfahren behindert werden.

Am 30. März 1999 hat der Senat den Boxhagener Platz als ein Gebiet für das Quartiersmanagement beschlossen. Seit Mitte Mai 1999 ist das Quartiersmanagement am Boxhagener Platz tätig.

5. Milieuschutz als Instrument der sozialorientierten Stadtentwicklung in Berlin

Die Erhaltungsverordnung ist ein Instrument, das relativ spät in städtebauliche Umstrukturierungsvorgänge eingreift. Es kann deshalb nicht als Allheilmittel gegen unerwünschte Veränderungsprozesse eingesetzt werden. Die Stärken dieses Instrumentes entfalten sich erst in einem kombinierten Instrumenteneinsatz auf verschiedenen Handlungsebenen, da es z. B. notwendige Investitionen in einem Gebiet (erwünschte Modernisierungen, Instandhaltungen) nicht direkt fördert. Vielmehr kann die Erhaltungssatzung als flankierende Maßnahme einer kommunalen, sozialen Wohnungspolitik angesehen werden.

Sie eröffnet vor allem neue Verhandlungsspielräume mit den Eigentümern, weil sozialverträgliche Lösungen ausgehandelt werden können. Zusätzlich können nicht nur unerwünschte Effekte abgewehrt, sondern auch erwünschte gefördert werden.

Die Milieuschutzverordnung ist geeignet, die Handlungsbereitschaft der Politik und der Verwaltung auszudrücken. Dadurch wird demonstriert, dass die Stadt gewillt ist, das Satzungsgebiet zu schützen.

Weiterhin sind Auflagen bzw. auferlegte Bindungen, die durch die Erhaltungsverordnung möglich sind, geeignet, kurzfristige Verwertungsinteressen zu dämpfen. Die Einflussnahme auf das Marktgeschehen gewährleistet, dass „unseriöse" Investoren eher zurückgehalten werden können, da Verfahrensrisiken und Zeitverluste nicht berechenbar sind. Außerdem bewirken informierte Mieter und politische Interventionen der lokalen Öffentlichkeit einen Kumulationseffekt.

Der Einsatz des § 172 BauGB kann als Instrument der sozialorientierten Stadtentwicklung zur Vermeidung von sozialer Segregation in allen Gebieten der Stadt, in denen es aus den verschiedensten Gründen, wie z. B. dem baulichen Verfall und einen durch Modernisierungsbestrebungen entstehenden Aufwertungsdruck zum Wegbrechen der gewachsenen Bevölkerungsstrukturen kommen kann, eingesetzt werden.

Dabei gilt es einerseits die einkommensschwachen Haushalte vor der Verdrängung durch überhöhte Mietsprünge zu bewahren.

Andererseits muss angesichts der zunehmenden Abwanderung von mittelständischen Haushalten und Familien mit Kindern aus den Innenstadtbezirken, in denen eine Vielzahl der Milieuschutzgebiete liegen, die Möglichkeiten für gebietsstabilisierende Modernisierungsmaßnahmen gegeben werden.

Die Abwanderungen von Familien mit Kindern aus den betroffenen Gebieten dokumentiert auch den Wunsch der Bewohner nach entsprechend modernisiertem zeitgemäßem Wohnstandard.

Das bedeutet, dass die Bezirke die Notwendigkeit von gebietsstabilisierenden Modernisierungsmaßnahmen in der Genehmigungspraxis berücksichtigen und im Einzelfall genügend Flexibilität zeigen müssen.

Der § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB soll auch zukünftig als Instrument zur Steuerung der Stadterneuerung angewendet werden. Er ist für einen behutsamen Erneuerungsprozess und zum Schutz der angestammten Bewohner einzusetzen.

Für die weitere Anwendung des § 172 BauGB in Berlin wird die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie gemeinsam mit den Bezirken Richtlinien zur einheitlichen Anwendung des Milieuschutzes erarbeiten. Dabei sollen insbesondere Fragen der Vereinheitlichung der Anwendung des § 172 BauGB durch die Bezirke gemeinsam diskutiert werden, wie zum Beispiel einheitliche Bestimmungsmethoden für die Mietobergrenzenberechnungen, die Definition des zeitgemäßen Ausstattungszustandes und das Thema Allgemeinverfügungen in der Anwendungspraxis.

Wir bitten, den Beschluss damit als erledigt anzusehen.

Berlin, den 1. Juli 1999 Senator für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie