Erfassung der Gewerbeflächen nach ihrer Struktur und Darstellung im Analyseplan

Warum ein Stadtentwicklungsplan Gewerbe?

Stadtentwicklungsplanung sieht sich mit einer weiter verschärfenden interkommunalen Konkurrenz um mobile Betriebe konfrontiert. Die interkommunale Konkurrenz bezieht sich dabei sowohl auf innerregionale als auch überregionale Verlagerungstendenzen von Betrieben. Auslöser der massiv gestiegenen Standortdynamik von Wirtschaftsunternehmen sind zum einen generelle Trends wie Globalisierungstendenzen der Wirtschaft, kürzere Produktionszyklen etc. und zum anderen berlinspezifische Faktoren wie aufgestauter Mobilitätsbedarf der Betriebe und der beschleunigte wirtschaftliche Strukturumbruch in der Region.

Mit dem dramatischen Strukturwandel der letzten Jahre hat das produzierende Gewerbe die prägende Bedeutung für den Arbeitsmarkt Berlins weitgehend verloren. Nur noch etwa 22,5 % der Erwerbstätigen Berlins sind in diesem Wirtschaftssektor tätig (1997). Investitionen und Beschäftigtenzuwächse konzentrierten sich in den 90er Jahren vorrangig auf den Bürosektor. Entsprechend dieses wirtschaftsstrukturellen Wandels befinden sich die Gewerbe- und Industriegebiete Berlins im Wandel: Flächenfreisetzungen nach Betriebsverlagerungen bzw. -schließungen, Zwischennutzungen und industrielle Brachen, aber auch neu errichtete Technologiezentren und tertiäre Nutzungen wie Bürogebäude und Einzelhandelszentren prägen vielfach das Bild der Gewerbestandorte ­ neben weiterhin ansässigen Betrieben des verarbeitenden Gewerbes. Dabei haben die industriellen Betriebe

­ trotz schwindender direkter Bedeutung für den Arbeitsmarkt ­ weiterhin eine Schlüsselrolle für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt. Denn nur mit einer starken regionalen, innovationsorientierten industriellen Basis kann der Dienstleistungssektor tatsächlich zum Wachstumsmotor der Beschäftigtenentwicklung werden.

Eine vorausschauende und angemessene Flächenausweisung und -entwicklung an den geeigneten Standorten ­ ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzungen für die wirtschaftliche Entwicklung. Der in den 80er Jahren in West-Berlin bestehende Flächenengpaß, der damals ein gravierendes Hemmnis für die wirtschaftliche Entwicklung Berlins bildete, ist ausgeräumt. Aber auch heute muss das stadtentwicklungsplanerische Aufgabenfeld Gewerbeflächenpolitik problemadäquat und differenziert weiterentwickelt werden, um den Modernisierungsprozeß der Berliner Industrie und Neuansiedlungen zu unterstützen.

Eine Beschränkung auf die quantitative Ausweisung und Entwicklung neuer Gewerbeflächen greift unter den heutigen Bedingungen jedoch zu kurz. Vielmehr bedarf es eines akquirierenden, werbenden räumlichen Leitbildes für den Wirtschaftsstandort Berlin.

In dieser Situation des Wandels der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der daraus resultierenden Veränderungen in der Nutzungsstruktur der Gewerbeflächen stellen sich für die Stadtentwicklungsplanung grundlegende Fragen nach der Zukunft der räumlichen Struktur der produktionsgeprägten Arbeitsplätze und nach der künftigen Nutzungsstruktur für Gewerbeflächen:

- Wie kann Stadtentwicklungsplanung den Prozeß der Modernisierung der Berliner Wirtschaft unterstützen und Betriebsansiedlungen fördern?

- Wie hoch ist der künftige Gewerbeflächenbedarf? Mit welcher Beschäftigtenentwicklung ist bei den Gewerbeflächen nachfragenden Wirtschaftsbranchen zu rechnen?

- Welche Gewerbeflächen sind im Interesse einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung prioritär, welche Gewerbeflächen sind erst längerfristig und nachrangig zu entwickeln?

- Wo werden aus gesamtstädtischer Sicht räumliche Prioritäten gesetzt?

- Wo bestehen welche (planungsrechtliche) Handlungsbedarfe?

- Wie kann durch Qualifizierung und Profilierung von Standorten ein Beitrag zur Revitalisierung von Quartieren und zum Anstoß zu einer technolgieorientierten Entwicklung gegeben werden?

- Welche „harten" und „weichen" Standortfaktoren müssen in den einzelnen Gewerbegebiete verbessert werden?

- Soll dem Prozeß der Entmischung von Gewerbe und Wohnen begegnet werden und wenn ja, wie? Hat die Tradition der kleinräumigen „Berliner Mischung" von Wohn- und Gewerbestandorten eine Zukunft?

Funktion, Inhalte und Grundlagen

Vor dem Hintergrund dieser Fragestellungen hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie in Zusammenarbeit mit der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Betriebe den Stadtentwicklungsplan Gewerbe (StEP Gewerbe) erarbeitet.

Der StEP Gewerbe geht im wesentlichen der Frage nach den Entwicklungstendenzen der im Flächennutzungsplan dargestellten Gewerblichen Bauflächen sowie den räumlichen Anforderungen des produktionsgeprägten Gewerbes (Verarbeitendes Gewerbe, Baugewerbe, Transport, Speditionen u. ä.) nach.

Damit behandelt der StEP Gewerbe nicht den gesamten Themenbereich „Räumliche Planung der Arbeitsstättenentwicklung". Die Entwicklung des Dienstleistungsbereichs (Büroflächen, Einzelhandel) und die für diese prioritär vorgesehenen (Kerngebiets-) Flächen werden im Rahmen des StEP Gewerbe nur tangiert. Grund für diese Eingrenzung ist die völlig unterschiedliche Entwicklung der beiden Bereiche, die spezifische stadtplanerische Antworten erfordert:

- Der Dienstleistungssektor ist ­ abgesehen von konjunkturellen Schwankungen ­ nachhaltig expandierend, wirtschaftlich stark und zahlungskräftig. Die Standortwahl von Büronutzungen ist mit stadtplanerischen Instrumenten nur bedingt zu steuern, da Büronutzungen nach BauNVO in vielen Gebietskategorien zulässig sind.

- Der produzierende Sektor ist wirtschaftspolitisch von herausragender Bedeutung, da er die Basis für eine expandierende Dienstleistungsentwicklung bildet. Als auf dem Bodenmarkt „zahlungsschwache" Nutzungsart sind spezifische stadtplanerische Strategien anzuwenden.

Der StEP Gewerbe unterscheidet sich hinsichtlich seiner Inhalte und Ziele ganz wesentlich von seinem Vorgänger aus dem Jahr 1989. Dieser war vor allem durch quantitative Aussagen geprägt, denn er stand primär im Zeichen der knappen Flächenressourcen. Dem Aufzeigen von Verdichtungsmöglichkeiten innerhalb des Bestandes an gewerblichen Bauflächen galt deshalb das fast ausschließliche Interesse.

Mit der grundlegenden Veränderung der politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich auch die mit dem StEP Gewerbe zu verfolgenden Ziele verändert und es waren die Ansprüche an seine inhaltlichen Aussagen und Maßnahmeempfehlungen zu erweitern.

Im Kontext der stadtentwicklungs- und wirtschaftspolitischen Ziele, insbesondere der Flächenpolitik des Senates von Berlin, hat der StEP Gewerbe die folgenden Aufgaben zu erfüllen:

- Überprüfung des Bedarfs nach Gewerblichen Bauflächen Aufbauend auf einer Darstellung der Perspektiven der Berliner Wirtschaft mit Prognose der Beschäftigtenentwicklung erfolgt die Überprüfung des Flächenbedarfs und der Abgleich mit dem Flächenpotential des FNP.

- Sicherung der Flächenvorsorge für den produzierenden Sektor Prioritäten der Inanspruchnahme neuer Gewerbeflächen (Wachstumsreserve) werden überprüft und diese in drei Stufen differenziert, um eine räumlich ausgewogene Strategie der Siedlungsentwicklung zu sichern.