Bedeutung gemeinnütziger Beschäftigungsträger für den Wirtschaftsstandort Berlin

Ich frage den Senat:

1. Wieviel EU-Fördermittel (bitte nach den verschiedenen Fonds und Programmen aufschlüsseln) flossen durch gemeinnützige Beschäftigungsträger in den Jahren 1994 und 1995 in den Berliner Wirtschaftskreislauf?

2. Wie hoch sind die Mittel aus den Etats von Bundesministerien, die durch Modellprojekte in gemeinnützigen Beschäftigungsträgern gebunden werden konnten?

3. Wieviel Mittel der Bundesanstalt für Arbeit konnten 1994 und 1995 durch gemeinnützige Beschäftigungsträger gebunden werden?

4. Wie hoch ist der Betrag, den die Bundesanstalt für Arbeit an Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe durch die Arbeit gemeinnütziger Beschäftigungsträger somit eingespart hat?

5. Welche Einnahmeausfälle sind bei Sozialversicherungsbeiträgen, Steuern und zusätzlichen Sozialleistungen (Sozialhilfe und Wohngeld) durch die Arbeit gemeinnütziger Beschäftigungsträger nicht entstanden?

6. Hält der Senat die Arbeit gemeinnütziger Beschäftigungsträger auch zukünftig für einen unverzichtbaren Teil der Berliner Arbeitsmarktpolitik?

Im Namen des Senats von Berlin beantworten wir Ihre Kleine Anfrage wie folgt:

Zu 1.: Die Berliner Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik erfährt in zunehmendem Maße Unterstützung durch die Bereitstellung von Fördermitteln aus den Strukturfonds der Europäischen Union (EU). Träger von Beschäftigungsmaßnahmen erhalten im Rahmen dieser Förderung Mittel, die dem Land Berlin aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) zur Flankierung arbeitsmarktpolitischer Programme zur Verfügung gestellt werden. Die Verwendung der ESF-Mittel wird in einem weitgehend EDV-technisch unterstützten Verwaltungsverfahren erfaßt, in dem eine Vielzahl von Daten zu den Inhalten und institutionellen Gegebenheiten der Förderprojekte erhoben wird. Es ist allerdings nicht möglich, im derzeit vorhandenen Datenbestand eine Sortierung der Beschäftigungsträger nach dem Status gegebener bzw. nichtgegebener Gemeinnützigkeit vorzunehmen, da dieser Status kein für die Antragsbearbeitung relevantes Kriterium ist. Die gewünschte differenzierte Aussage zu den gemeinnützigen Beschäftigungsträgern wäre nur mit erheblichem personellen, technischen und zeitlichen Aufwand zu ermitteln, der zum gegebenen Zeitpunkt nicht vertretbar erscheint.

Der Senat ist dennoch bemüht, die Frage im Wege einer Schätzung zu beantworten. In deren Ergebnis kann davon ausgegangen werden, dass 1995 ca. 60 bis 65 % der für Berlin bewilligten ESFMittel an gemeinnützige Beschäftigungsträger ausgereicht wurden. Diese verteilen sich zu je ca. 50 % ­ entsprechend der Mittelausstattung der verschiedenen Programme ­ auf die Förderung im Ostteil (Ziel 1-Programm) bzw. im Westteil (Ziele 2, 3 und 4) Berlins.

Der Senat wird prüfen, ob künftig die Erhebung des Kriteriums der Gemeinnützigkeit von den Projektträgern der ESF-Fördermittel ermöglicht werden kann.

Zu 2. bis 4.:

Der Senat kann dazu grundsätzlich keine Auskunft geben. Der in die Beantwortung der Kleinen Anfrage einbezogene Präsident des Landesarbeitsamtes Berlin-Brandenburg teilte folgendes mit: „Eine konkrete Beantwortung der Fragen ist nicht möglich, da die Förderungsleistungen der Bundesanstalt für Arbeit grundsätzlich als individuelle Hilfen für die betroffenen Arbeitslosen zur Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt oder bei vorübergehender Aufnahme einer Beschäftigung im Rahmen von ABM bzw. Maßnahmen zur produktiven Arbeitsförderung gewährt werden. Die Förderung erfolgt somit nicht projektorientiert. Die Leistungen fließen je nach Zielsetzung der Förderung den Arbeitnehmern unmittelbar oder mittelbar über den Träger eines Projektes zu. Projektträger können juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts sein. Daten über den Anteil gemeinnütziger Einrichtungen als Empfänger der einzelnen Förderungshilfen werden nicht erhoben. Bei der Verwendung der Mittel spielen die gemeinnützigen Beschäftigungsträger aber eine hervorragende Rolle."

Zu 5.: Erfassungen/Berechnungen über nicht entstandene Einnahmeausfälle infolge der Tätigkeit gemeinnütziger Beschäftigungsträger im Land Berlin liegen dem Senat nicht vor.

Es kann jedoch in diesem Zusammenhang auf gesamtfiskalische Berechnungen verwiesen werden, wonach sich arbeitsmarktpolitische Maßnahmen in hohem Grade selbst finanzieren. Nach Untersuchungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit bestehen die durchschnittlichen gesamtfiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit aus den Ausgaben für Arbeitslosenunterstützung (Anteil von 43,6 % im Westen, 64 % im Osten) und Sozialtransferleistungen (6,4 % West, 1,6 % Ost) sowie aus Mindereinnahmen an Steuern (23,8 % West, 14 % Ost) und Sozialversicherungsbeiträgen (26,1 % West, 19,8 % Ost). Wenn man vereinfachend von dem Fortbestand dieser für den Zeitraum 1989 bis 1992 erhobenen Anteilsrelationen ausgehen würde, lägen allein die durch beschäftigungspolitische Maßnahmen eingesparten Einnahmeausfälle in Westdeutschland bei ca. der Hälfte, in Ostdeutschland bei ca. einem Drittel der gesamtfiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit. Als wirksames Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und damit auch zur Vermeidung dieser Kosten bzw. Einnahmeausfälle hat sich neben der aktiven Arbeitsmarktpolitik, die den ersten Arbeitsmarkt stärkt, vor allem auch die öffentlich geförderte Beschäftigung erwiesen, die vielfach über gemeinnützige Beschäftigungsträger verwirklicht wird. Diese tragen dazu bei, die knappen finanziellen Mittel für sinnvolle und gesellschaftlich nützliche Arbeit anstelle der Finanzierung von Arbeitslosigkeit einzusetzen.

Zu 6.: Die gemeinnützigen Beschäftigungsträger erfüllen eine wichtige Funktion bei der Eingliederung Arbeitsloser in den Arbeitsmarkt. Sie initiieren und führen Beschäftigungsmaßnahmen durch und nehmen durch die Verknüpfung solcher Maßnahmen mit beruflichen Weiterbildungsangeboten gezielt Einfluß auf Erhalt und Ausbau des Qualifikationsniveaus der geförderten Personen. Zugleich werden mit den bei den gemeinnützigen Beschäftigungsträgern realisierten Projekten gesellschaftlich notwendige und sinnvolle Arbeiten in ausgewählten Tätigkeitsfeldern durchgeführt. Sie unterstützen auf diese Weise eine wesentliche Zielstellung der Berliner Arbeitsmarktpolitik, nämlich „Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren" (siehe hierzu auch die Antwort zu 5.). Der Senat hält deshalb die Arbeit der gemeinnützigen Beschäftigungsträger für unverzichtbar und wird sie auch künftig weiter fördern.