Bedarfsgerechtes Angebot zur Tagesbetreuung

Ich frage den Senat:

1. Welche Mittel und Möglichkeiten stehen den Bezirken zur Verfügung, einen nach den Anmeldungen über das im Bezirk vorhandene Angebot an Tageseinrichtungen hinausgehenden festgestellten Bedarf abzudecken?

2. Welche Kriterien gelten für die Feststellung eines Härtefalles und der Dringlichkeit für die Aufnahme in eine Tageseinrichtung?

3. Wie wird sichergestellt, dass zur Zeit der Anmeldung oder Aufnahme des Kindes eine Tageseinrichtung erwerbslose oder teilzeitbeschäftigte Eltern einen dem veränderten Bedarf entsprechenden Platz in einer Tageseinrichtung erhalten, wenn sie eine Arbeit aufnehmen oder auf eine Vollzeitbeschäftigung wechseln?

4. Wie wird besonderer Bedarf durch Schichtarbeit oder andere Arbeitszeiten außerhalb der regulären Öffnungszeiten der Tageseinrichtungen in den Bezirken abgedeckt?

Im Namen des Senats von Berlin beantworten wir Ihre Kleine Anfrage wie folgt:

Zu 1.: Für die Sicherung der Umsetzung des Rechtsanspruchs durch ein einheitliches Verwaltungshandeln hat die Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport in Abstimmung mit Vertretern der Bezirksämter von Berlin und der freien Träger der Jugendhilfe Verwaltungsvorschriften vorbereitet.

Danach ist das für den Wohnbezirk der Erziehungsberechtigten zuständige Jugendamt verpflichtet, den Kindern mit einem Rechtsanspruch, für die ein entsprechender Betreuungsbedarf angemeldet worden ist, einen Platz zur Verfügung zu stellen.

Dieser Verpflichtung wird durch den Nachweis freier Plätze in Tageseinrichtungen des Landes Berlin, in Einrichtungen öffentlich geförderter freier Träger, in Tagespflege und in den gleichwertigen Angeboten der Schule Genüge getan. Das Jugendamt kann auch Plätze in Kindertagesstätten anderer Bezirke anbieten.

Daher unterrichten sich die Jugendämter wechselseitig über die zum 1. August eines Jahres jeweils freiwerdenden Platzkapazitäten.

Ist also das Platzangebot der öffentlichen und öffentlich geförderten freien Träger sowie der Schulen im Bezirk nicht ausreichend, stellt das Wohnsitzjugendamt durch eine bezirksübergreifende Abstimmung die Bedarfsdeckung mindestens der Kinder sicher, die einen Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Tageseinrichtung nach § 1 Abs. 1 KitaG haben. Erforderlichenfalls sind in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den Einrichtungsträgern und in Abstimmung mit dem Landesjugendamt kurzfristig zusätzliche Plätze in vorhandenen Einrichtungen einzurichten.

Das für zusätzliche Plätze erforderliche Personal soll durch Umsetzung des Überhangpersonals aus den östlichen Bezirken einschließlich der dafür vorgesehenen Personalmittel zur Verfügung gestellt werden.

Zu 2.: Durch die bundes- und landesrechtliche Härtefallregelung soll sichergestellt werden, dass Kinder auch dann einen Kindergartenplatz erhalten, wenn sie erst nach dem Stichtag 1. August drei Jahre alt werden und wenn sich für deren Eltern ohne diesen Platz eine besondere Härte ergibt.

Ein Härtefall im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 3 KitaG liegt insbesondere vor, wenn das Kind bis zu dem in § 1 KitaG festgesetzten Stichtag das zweite Lebensjahr vollendet hat und der Erziehungsberechtigte des Kindes alleinerziehend sowie erwerbstätig ist oder eine Erwerbstätigkeit nachweisbar aufnehmen will bzw. an einer Ausbildung oder notwendigen beruflichen Qualifizierung teilnimmt oder nachweisbar teilnehmen will. Für das Betreuungsjahr 1996/1997 entsteht der Anspruch am 1. August 1996.

Ein Härtefall im Sinne des § 24 a Abs. 5 SGB VIII liegt insbesondere vor, wenn das Kind bis zu dem in § 1 KitaG festgesetzten Stichtag das dritte Lebensjahr vollendet hat und der Erziehungsberechtigte des Kindes alleinerziehend sowie erwerbstätig ist oder eine Erwerbstätigkeit nachweisbar aufnehmen will bzw. an einer Ausbildung oder notwendigen beruflichen Qualifizierung teilnimmt oder nachweisbar teilnehmen will. Die Verpflichtung zur Sicherstellung der Betreuung entsteht mit dem Tag, an dem das Kind das dritte Lebensjahr vollendet hat.

Solange das Angebot an Tagesbetreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren und für Kinder im Grundschulalter noch nicht bedarfsgerecht ausgebaut ist, werden Dringlichkeitsstufen gemäß § 19 Abs. 2 KitaG festgelegt, die weitgehend den bisherigen Regelungen entsprechen.

Die Dringlichkeitsstufe B 1 wird zuerkannt:

a) Kindern alleinerziehender Erziehungsberechtigter, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder sich in Ausbildung befinden bzw. eine Erwerbstätigkeit oder Ausbildung nachweisbar aufnehmen wollen.

b) Kindern von nicht alleinerziehenden Erziehungsberechtigten in ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen. Ungünstige wirtschaftliche Verhältnisse liegen vor, wenn die Erziehungsberechtigten erwerbstätig sind und das Einkommen der Erziehungsberechtigten mit einem Kind im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich nicht mehr als 30 000 DM beträgt. Für jedes weitere Kind sind diesem Betrag noch jeweils 6 000 DM hinzuzuzählen. Entsprechendes gilt, wenn ein Erziehungsberechtigter erwerbstätig und der andere in Ausbildung ist.

c) Kindern von Eltern, denen gem. § 24 Abs. 2 AG KJHG eine bedarfsgerechte Betreuung ihrer Kinder gewährleistet werden soll. Voraussetzung dafür ist, dass die Mutter oder der Vater noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat und noch nicht über eine abgeschlossene Ausbildung verfügt und daß der betreffende Elternteil mit dem Kind zusammenlebt.

d) Kindern, die mit ihren Familien in Einrichtungen der Obdachlosenhilfe oder in anderen Not- und Sammelunterkünften leben, soweit in diesen Einrichtungen eine kindgerechte Betreuung nicht gegeben ist.

e) Kindern, bei denen wegen besonders dringender sozialpädagogischer Gründe eine Einzelfallentscheidung notwendig war.

Die Dringlichkeitsstufe B 2 wird zuerkannt:

a) Kindern von nicht alleinerziehenden Erziehungsberechtigten, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder sich in Ausbildung befinden bzw. eine Erwerbstätigkeit oder Ausbildung nachweisbar aufnehmen wollen.

b) Kindern, die auf Dauer bei Pflegepersonen leben.

c) Kindern, bei denen wegen dringender sozialpädagogischer Gründe eine Einzelfallentscheidung notwendig war.

Die Dringlichkeitsstufe B 3 erhalten alle übrigen Kinder.

Obwohl es nach Bundesrecht nur einen Rechtsanspruch auf einen Halbtagsplatz gibt, sieht das Kindertagesbetreuungsgesetz vor, dass der Betreuungsumfang von Kindern mit einem Rechtsanspruch den familiären Bedürfnissen entsprechen soll. Bei Bedarf soll das Jugendamt also einen Ganztagsplatz anbieten.

Diese Ganztagsplätze werden ebenfalls auf der Basis des § 19 Abs. 2 KitaG entsprechend ihrer Dringlichkeit nachgewiesen.

Die Dringlichkeitsstufe G 1 wird zuerkannt:

a) Kindern alleinerziehender Erziehungsberechtigter, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder sich in Ausbildung befinden bzw. eine Erwerbstätigkeit oder Ausbildung nachweisbar aufnehmen wollen.

b) Kindern nicht alleinerziehender Erziehungsberechtigter, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen oder sich in Ausbildung befinden bzw. eine Erwerbstätigkeit oder Ausbildung nachweisbar aufnehmen wollen.

Die Dringlichkeitsstufe G 2 wird Kindern zuerkannt, die aus sozialpädagogischen Gründen eine mehr als fünfstündige Betreuung und Förderung benötigen.

Die Dringlichkeitsstufe G 3 erhalten alle übrigen Kinder.

Zu 3.: Da die Erwerbslosigkeit mit der Berufstätigkeit im Hinblick auf die Zuordnung von Dringlichkeitsstufen gleichgestellt ist, sollen die Kinder von arbeitssuchenden Erziehungsberechtigten ohnehin bei Dringlichkeitsstufe G 1 oder B 1 in aller Regel einen Ganztagsplatz erhalten.

Die genaue Festlegung des Betreuungsumfanges wird dann

­ wie bei allen anderen Kindern auch ­ im Einvernehmen mit dem Jugendamt korrigiert, wenn sich die Lebensverhältnisse der Eltern ändern.

Zu 4.: Gemäß § 12 KitaG sind Öffnungszeiten außerhalb der Regelöffnungszeiten mit Erlaubnis des Landesjugendamtes zulässig. Darüber hinaus ist vorgesehen, dass in besonders begründeten Einzelfällen die Unterbringung in einer Kindertagesstätte durch die Unterbringung in einer Tagespflegestelle ergänzt werden kann, sofern das Angebot der Öffnungszeiten für Kindertagesstätten gem. § 12 KitaG nicht ausreicht. Hier handelt es sich um eine Ermessensentscheidung des Jugendamtes.

Der Senat verweist in diesem Zusammenhang auf die Mitteilung ­ zur Kenntnisnahme ­ über flexiblere Öffnungszeiten für Kindertagesstätten (Drucksache 12/5545).