Glanz und Elend eines Kulturhauses

Ich frage den Senat:

1. Wer ist gegenwärtig Besitzer des früheren Kulturhauses des VEB-Werkes für Fernsehelektronik (WF) in Oberschöneweide?

2. Welche Pläne für das Kulturhaus sind dem Senat von Berlin bekannt, und wie bewertet er sie?

3. Welche Gutachten über das Gebäude sind von wem wann und an wen in Auftrag gegeben worden, und welche Kosten sind entstanden?

4. Steht das Gebäude unter Denkmalschutz bzw. ist beabsichtigt, es unter Denkmalschutz zu stellen, und worin besteht die Denkmalswürdigkeit bzw. die Eigenart des Gebäudes?

5. Welche zukünftige Nutzung für den Gebäudekomplex hält der Senat von Berlin in Abstimmung mit dem Bezirksamt Köpenick für das Sanierungsgebiet Oberschöneweide für zweckmäßig, angemessen und finanzierbar?

Im Namen des Senats von Berlin beantworten wir Ihre Kleine Anfrage wie folgt:

Zu 1.: Durch Bescheid der Treuhandanstalt vom 9. Oktober 1992 und Vereinbarung zwischen Land Berlin und Werk für Fernsehelektronik GmbH i. L. (WF) vom 13. März/14. April 1994 verblieb das frühere Kulturhaus in der Wilhelminenhofstraße 66/67 im Eigentum des WF.

Zu 2., 3. und 5.: Die Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr hat, ausgehend von dem nachdrücklich vorgetragenen Wunsch der Sanierungsbetroffenen in Oberschöneweide bei den Erörterungsveranstaltungen zum Neuordnungskonzept im April 1994, im Sommer 1994 ein Aus- und Umbaukonzept für das WF-Kulturhaus als vorgezogene Maßnahme entwickelt.

Modell hierfür war die „Passage" in der Neuköllner Karl-MarxStraße, wo es glungen war, ein leerstehendes Baudenkmal mit Unterstützung eines privaten Investors kulturell zu nutzen.

Durch höhere Mieten für Gastronomie und Läden in Verbindung mit Zuschüssen zu den Umbaukosten aus Sanierungsförderungsmitteln konnten im Kulturbereich (Neuköllner Oper) niederigere Mieten angesetzt und für 20 Jahre gesichert werden. Der Kinobetrieb arbeitet kostendeckend.

Ein von der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr mit dem Bezirksbürgermeister von Köpenick, dem Bezirksstadtrat für Kultur und Sport, einem privaten Investor und einem Kinobetreiber abgestimmten Nutzungskonzept sah für das WF-Kulturhaus im EG gastronomische Einrichtungen und einen Altentreffpunkt, im 1. OG Gastronomie und kulturelle Nutzungen (inklusive Stadtteilbibliothek), im 2. OG weitere kulturelle Nutzungen und Kinotechnik sowie im 3. und 4. OG insgesamt 5

Kinos vor (bzw. in einer Variante 3 Kinos und Ateliers im 4. OG).

Um eine qualifizierte Entscheidungsgrundlage für die Verhandlungen mit dem potentiellen Investor zu erhalten, der seine Investitionsbereitschaft von einem funktionierenden kulturellen Nutzungskonzept abhängig gemacht hatte, wurden von der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr zwei in vergleichbaren Projekten erfahrene Architekturbüros mit einer detaillierten Bestandsaufnahme und Kostenschätzung für die beabsichtigten Instandsetzungs-, Ausbau- und Umbaumaßnahmen beauftragt:

1. das Büro Ungerer und Partner (1. und 2. OG, Außenhaut und Haustechnik), Kosten: 80 000 DM;

2. das Büro Dipl.-Ing. Wolfgang Classen (3. und 4. OG, Kinobereich), Kosten: 32 500 DM.

Nach den Ergebnissen dieser Kostenschätzungen sind für die Gesamtmaßnahme ohne kinospezifische Einbauten zwischen 14,8 Mio. DM und 16,7 Mio. DM je nach Umbauvariante erforderlich. Als Anfangsinvestition sind mindestens 12 Mio. DM erforderlich, wenn weniger dringliche Instandsetzungsarbeiten zurückgestellt werden. Dazu kommt der Kaufpreis für die Immobilie, der von der 1994 zuständigen Treuhand Liegenschatsgesellschaft (TLG) mit 3,1 Mio. DM angegeben wurde und durch ein aktualisiertes Verkehrswertgutachten im Frühjahr 1995 auf 2 Mio. DM abgesenkt wurde.

Die Verhandlungen der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr mit dem Investor scheiterten im Herbst 1994, weil sich der Kinobetreiber, der für den Nutzungsmix unverzichtbar ist, zurückgezogen hatte. Grund dafür war, dass der Einzugsbereich zu klein sei, um einen wirtschaftlichen Kinobetrieb zu ermöglichen und ein geplantes „Multiplex"-Kino in Adlershof zusätzlich Besucher abziehen würde. Ein Kinobetrieb sei nur möglich, wenn ein wesentlicher Teil der kinospezifischen Ausbauten durch Zuwendungen aufgefangen werden könnte.

Bei zwei Ausschreibungen des ehemaligen WF-Kulturhauses mit der Zweckbindung „überwiegend kulturelle Nutzung" durch die TLG im Sommer und im Herbst 1995 fand sich kein interessierter Investor. Die Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr beabsichtigt, in diesem Jahr die Gespräche mit dem Bezirk wieder aufzunehmen, um den Nutzungsmix attraktiver zu gestalten. Außerdem will sie mit dem potentiellen Kinobetreiber nach Möglichkeiten für einen wirtschaftlichen Kinobetrieb suchen, um so die Rahmenbedingungen für einen Investor zu verbessern.

Zu 4.: Das Gebäude ist in der Denkmalliste für den Bezirk Köpenick verzeichnet unter: Wilhelminenhofstraße 66/67, Arbeiterwohlfahrtsgebäude, 1913 von Felix Lindhorst. Der Denkmalwert liegt sowohl in der qualitätvollen Architektur des Gebäudes als auch in seiner geschichtlichen Bedeutung begründet.