Methadon-Substitution in der JVA Bremen und die Nachsorge nach der Haftentlassung

Die Fraktionen der CDU und der SPD haben unter Drucksache 16/1090 eine Große Anfrage zu obigem Thema an den Senat gerichtet.

Der Senat beantwortet die vorgenannte Große Anfrage wie folgt:

1. Wie viele Insassen der JVA (absolut und in Prozent) nehmen derzeit an einem Therapieprogramm mit Methadon-Substitution teil?

Am 1. September 2006 wurden in Bremen 85, in Bremerhaven 16, also insgesamt 101 Gefangene mit Methadon behandelt. Dies entspricht einem prozentualen Anteil von zwölf (Bremen) beziehungsweise 16 (Bremerhaven).

Aus einer Untersuchung aus dem Jahre 2005 ist bekannt, dass etwa 30 % der Gefangenen der Justizvollzugsanstalt Bremen drogenabhängig sind. Bei einer aktuellen Inhaftiertenzahl von 701 ist von etwa 200 Personen mit Drogenhintergrund auszugehen, von denen etwa die Hälfte mit Methadon behandelt wird.

2. Nach welchen Kriterien oder Richtlinien werden die Gefangenen ausgewählt, die an einem solchen Programm teilnehmen?

Eine Substitutionsbehandlung wird in Haft nach folgenden Kriterien fortgesetzt bzw. begonnen:

Untersuchungshaft:

Eine Behandlung mit Methadon wird

a) fortgesetzt, wenn sie bereits vor der Inhaftierung von einem niedergelassenen Arzt seit mindestens sechs Monaten durchgeführt wurde und der Gefangene keinen Beigebrauch an Opiaten, Benzodiazepinen, Kokain oder Alkohol hatte. Diese Regel gilt als erfüllt, wenn bei der war und ein Alkoholgebrauch nicht erkennbar ist. Anderenfalls wird eine Entzugsbehandlung durchgeführt, weil die Substitutionsbehandlung als gescheitert betrachtet werden muss.

b) Behandlungen mit Suobutex werden unter obigen Bedingungen mit Methadon fortgesetzt.

c) Neue Substitutionsvorhaben werden nicht begonnen.

Ersatzfreiheitsstrafen

Die Regeln der Substitution in Untersuchungshaft werden auch bei Gefangenen, die eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen, angewendet.

Strafhaft Substitution ist Teil des Vollzugskonzeptes und wird im Rahmen der Vollzugsplanung durchgeführt und überwacht. Es gelten zunächst die Fortsetzungsbedingungen, wie unter Punkt Untersuchungshaft genannt.

Eine Aufnahme der Substitution während der Verbüßung einer Freiheitsstrafe ist möglich

a) wie HIV, Hepatitis und Tumoren sowie zur Sicherstellung einer geeigneten Behandlung (somatische Indikation),

b) im Rahmen eines psychosozialen Behandlungskonzeptes bei Inhaftierten, die mit langer Drogenanamnese mit gescheiterten Therapieversuchen und wiederholter Delinquenz auf andere Weise noch nicht oder nicht mehr zugänglich sind (psychosoziale Indikation).

3. Wie lang ist der Behandlungsprozess im Allgemeinen?

Die Dauer einer Methadonbehandlung hängt von der Vorgeschichte, der Dauer der Drogenabhängigkeit, der Persönlichkeitsstruktur und der persönlichen Behandlungskonzeptes anstreben und bekommen.

4. Wie wird der Beikonsum kontrolliert und sanktioniert?

Etwaiger Beikonsum wird über Urinkontrollen überwacht:

a) Beigebrauch kann als Hinweis auf mangelnde Ernsthaftigkeit des Anliegens, die Sucht in den Griff zu bekommen, gewertet werden. Ein Abbruch der Behandlung kann indiziert sein.

b) Der Gebrauch von Opiaten kann aber auch Hinweis darauf sein, dass die Methadondosis noch nicht ausreicht, den Suchtdruck wirksam zu mindern.

In diesen Fällen wird eine Dosissteigerung erforderlich sein. Allgemein gilt, dass Patienten, die sich in der Beratung als nicht zugänglich erweisen oder sich durch Beigebrauch in Gefahr bringen, abdosiert und aus dem Behandlungsprogramm entlassen werden.

Daneben wird der Beigebrauch im Rahmen des Regelwerks der Anstalt bewertet und berücksichtigt.

5. Wie ist der Therapieerfolg für den gesamten Themenkomplex, d. h. die Herstellung der Resozialisierung durch Methadon-Substitution und Anschlusssubstitution, und wie wird er gemessen? nicht mehr zugänglich, verlässliche Informationsstrukturen über den weiteren Werdegang ehemals Inhaftierter gibt es nicht. Auch verlässliche Daten im Sinne einer wissenschaftlich fundierten Verlaufbeobachtung wie auch eine auf dieses Gefangenenklientel ausgerichtete Rückfallstatistik liegen nicht vor.

6. Wie wird die Langzeitperspektive der auf diese Weise therapierten Gefangenen beurteilt?

Es gibt Erfahrungswerte, nach denen sich ein Drittel der Substituierten ohne Drittel gelingt dies nur mit enger Anbindung und Unterstützung durch kompetente psychosoziale Begleitung; ein weiteres Drittel der Substituierten scheitert trotz entsprechender Anstrengungen und ist auch durch substitutionsunterstützte Maßnahmen nicht erreichbar.

7. wieder unter illegalem Drogenkonsum in die JVA zurück?

Hierzu können keine Angaben gemacht werden, weil es insoweit nicht zu einer statistischen Erfassung kommt (vergleiche Antwort zu 5.).

8. Inwieweit gibt es ein Verfahren oder einen strukturierten Weg, durch den sichergestellt wird, dass ehemalige Gefangene nach der Entlassung aus der JVA in einem Nachsorgeprogramm substituiert werden?

Institutionen benannt, bei denen sich die Patienten selbständig melden und vorstellen müssen. Die Justizvollzugsanstalt Bremen unterstützt den Übergang dadurch, dass die Methadonbehandlung nach der Entlassung für vier Wochen fortgesetzt wird, damit die Patienten Gelegenheit erhalten, sich einen Arzt zur weiteren Behandlung zu suchen.

9. Wie viele Anlaufstellen gibt es im Land Bremen für die dabei erforderliche psychosoziale Begleitung, und welche sind das?

Nach dem Umbau des ambulanten Drogenhilfesystems 2005 wurden die unterschiedlichen Angebote der substitutionsbegleitenden Hilfen in drei Einrichtungen zusammengefasst. Es handelt sich um das Kontakt- und Beratungszentrum Tivoli, die Drogenberatungsstelle Mitte und die Drogenberatungsstelle Nord.

10. Ist dem Senat bekannt, inwieweit Ärzte diese psychosoziale Begleitung kostenfrei mit übernehmen?

Dem Senat sind keine Ärzte bekannt, die eine weiter gehende substitutionsbegleitende Hilfe kostenfrei übernehmen.

11. Wie ist die Kontaktaufnahme zwischen der JVA und den Ärzten strukturiert, die eine Methadonsubstitution anbieten, bzw. der ambulanten Drogenhilfe? Wie könnte diese gegebenenfalls noch verbessert werden?

Vor der Entlassung wird es den betreffenden Gefangenen ermöglicht, einen Arzt außerhalb der Justizvollzugsanstalt aufzusuchen, um ein Gespräch hinsichtlich der Behandlung nach der Haftentlassung zu führen. Die Kosten für dieses Erstgespräch werden von der Justizvollzugsanstalt Bremen getragen.