Nutzung von Abwärme

Ich frage den Senat:

1. Ist zu irgendeinem Zeitpunkt von der zuständigen Senatsverwaltung untersucht worden, ob eine Abwärmenutzung mindestens bei einem Teil der Berliner Gewerbe- und Industriebetriebe mömlich und unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll ist?

2. Kann eine konkrete Aussage darüber getroffen werden, ob

a) die Abwärme mit dem Abwasser ausschließlich in die Vorfluter oder in die Schutzwasserkanalisation geleitet wird,

b) das Abwasser wieder aufbereitet wird, und die Abwärme dem Abwasser entzogen wird, um einen Sekundärkreislauf aufzuheizen,

c) wenigstens teilweise die Temperatur, unter Umständen auch durch den Einsatz von Wärmepumpen, wieder soweit angehoben wird, dass mindestens in Teilbereichen eine Warmwasserversorgung Sichergestellt werden kann?

3. Könnte aus der Sicht der zuständigen Senatsverwaltung, falls eine einigermaßen präzise Aussage zu 2. nicht möglich ist, ein Konzept aufgestellt werden, dass bei Beachtung

a) der anfallenden Temperaturen,

b) der jeweiligen Leitungsführungen und

c) der Installationskosten eine wirtschaftliche Lösung denkbar werden lässt und den Energieverbrauch spürbar sinken lassen würde?

Im Namen des Senats von Berlin beantworten wir Ihre Kleine Anfrage wie folgt:

Zu 1.: Die SenSUT hat ein Pilotprojekt unter dem Titel „Abwärmevermeidung und -nutzung in Industrie und Gewerbe in Berlin" in der Zeit zwischen 1990 und 1995 durchgeführt. Ausgangspunkt bildete die seinerzeit im Entwurf vorliegende Wärmenutzungsverordnung, die im § 5 Abs. 2 Nr. 4 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) gefordert wird (Wärmenutzungsgebot). Dieses Gesetz erfaßt sog. genehmigungsbedürftige Anlagen. Daher war u. a. Projektziel, das Energiespar-, CO2-Minimierungs- und Kostensparpotential festzustellen sowie vorliegende Entwürfe mit praktischen Erkenntnissen und Ergebnissen zu unterfüttern.

Hierzu sind für 10 Berliner Betriebe sog. Wärmenutzungskonzepte mit der Prioritätensetzung

Vermeidung unnötiger Energie- bzw. Wärmeströme innerbetriebliche Nutzung der Energie- bzw. Wärmeströme außerbetriebliche Nutzung der Energie- bzw. Wärmeströme

­ wie es auch der Verordnungsentwurf fordert ­ erarbeitet worden.

In anschaulicher Weise können Wärmenutzungskonzepte die betriebliche Energiesituation beschreiben sowie aufzeigen, durch welche Maßnahmen der Energieeinsatz optimiert und die CO2 Emissionen vermieden bzw. reduziert werden können. Somit wird den Unternehmern ein wichtiges Instrument zur Ressourcenschonung, Umweltentlastung und Kosteneinsparung an die Hand gegeben, wie die vorliegenden Ergebnisse zeigen.

Gegenwärtig wird das Projekt insbesondere unter folgenden Gesichtspunkten ausgewertet: betriebliches Investitionsverhalten hinsichtlich der Umsetzung der Konzeptempfehlungen,

Erfassen von unternehmensinternen und -externen Gründen bei möglichen Verzicht auf Maßnahmenrealisierung,

Klärung von zusätzlichen Auswirkungen der Wärmenutzungskonzepte (organisatorische Veränderungen, Informationsverhalten etc.),

Bewertung der Wirksamkeit der Wärmenutzungskonzepte durch die Unternehmen,

Gegenüberstellung der Wirkungslogik des Verordnungsentwurfes mit Handlungsbedingungen und Alltagsroutinen der Betriebe.

Unter den 10 untersuchten Unternehmen waren zwei, die nicht dem BImSchG unterliegen. Ziel war es festzustellen, ob und in welcher Höhe Energie- und CO2-Minimierungspotentiale auch in solchen Betrieben vorliegen. Die Ergebnisse sind in diesen Unternehmen ebenfalls beachtlich und bestätigen die Vermutungen von Experten.

Sowohl die Ergebnisse der betrieblichen Untersuchungen als auch die der Evaluierung werden im Herbst im Rahmen einer Fachtagung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, um das Interesse bei den Unternehmen für Umweltentlastungseffekte bei gleichzeitigen Kostenreduzierungen zu schaffen und zu stärken.

Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund von erheblicher Bedeutung, da gegenwärtig die Bundesregierung verstärkt auf die freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen, denn auf ordnungspolitische Maßnahmen setzt.

Zu 2.: Nein.

Zwar sind allgemeingültige Aussagen über Spar- und Nutzungspotentiale grundsätzlich möglich, sie ersetzen nicht die Analyse im Einzelfall. Dies gilt insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die biologische Abwasserreinigung nicht beeinträchtigt wird.

Grundsätzlich wichtig für eine wirtschaftliche Nutzung ist beispielsweise der Zeitpunkt der Verfügbarkeit, das Temperaturniveau, die Wassermenge, geeignete Abnehmerstruktur etc. Die wirtschaftlich und ökologisch sinnvollen Maßnahmen sind im Einzelfall abzuklären und müssen sich in das energetische Gesamtkonzept des Unternehmens einfügen. Damit wird dem originären Ansatz von Wärme- bzw. Energienutzungskonzepten entsprochen, die, wenn sinnvoll, zum Zweck der Gesamtoptimierung über betriebliche Einzelfallbetrachtungen hinausgehen sollten.

Zu 3.: Weil die Bundesregierung auf die freiwillige Selbstverpflichtung setzt, wird gegenwärtig im Bund/Länderarbeitskreis Wärmenutzung eine Musterverwaltungsvorschrift (MVV) anstelle der WärmenutzungsVo erarbeitet. Die MVV orientiert sich an Entwürfen zur WärmenutzungsVo und wird als zentrale Anforderung ebenfalls ein Energie- bzw. Wärmenutzungskonzept zum Inhalt haben. Die Rechtsgrundlage bildet hierbei lediglich § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG (Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch Maßnahmen zur Emissionsbegrenzung). Auf Grund dieser Regelung ist allerdings die Erschließung des betrieblichen CO2-Minderungs- und Energiesparpotentials rechtlich und örtlich eingeschränkt. Die Regelung greift grundsätzlich nur bei der genehmigungsbedürftigen Anlage selbst und erstreckt sich nicht auf den Betriebsstandort mit weiteren und gegebenenfalls nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen.

Inwieweit diesem Defizit durch beispielsweise Energiesparmarketingstrategien, Öko-Audit oder Contracting entgegengewirkt werden kann, ist gegenwärtig nicht eindeutig zu beantworten. Die geplante Veranstaltung im Herbst (s. 1.) soll dazu beitragen, Hemmnisse für ein den ökologischen Anforderungen gerecht werdendes Wirtschaften abzubauen und sich zu öffnen für notwendige Innovationen.

Als ein wichtiges Zwischenergebnis der Evaluierung ist die Aussage zu betrachten, dass die am Projekt beteiligten Firmen das Energie- bzw. Wärmenutzungskonzept als ein sinnvolles Instrument ansehen.

Hier gilt es flankierende Maßnahmen anzusetzen, um die brachliegenden Potentiale in den Unternehmen zu erschließen, gegebenenfalls auch ohne Rechtsmittel.