Obdachlosigkeit

Ich frage den Senat:

1. Wie wird die medizinische Versorgung von Obdachlosen gewährleistet, wenn ein fachärztlicher Einsatz notwendig ist (z. B. Gynäkologie, HNO, Zahnmedizin)?

2. Hält der Senat die Bereitstellung von 16 Krankenwohnheimbetten für ausreichend, obgleich bekannt ist, dass zwar nur ca. 50 % der Betten von abrechnungsfähigen Patienten belegt werden, aber die restlichen Betten für obdachlose Patienten, die nicht krankenversichert und zum Teil auch nicht bei Sozialämtern gemeldet sind, gebraucht werden und deshalb von einer Überversorgung nicht ausgegangen werden kann?

3. Welche Mindeststandards sind bei der Einrichtung von Krankenwohnheimbetten für Obdachlose zu erfüllen?

4. Ist angesichts der Zunahme von Obdachlosigkeit und der damit einhergehenden Ausweitung von parasitären Erkrankungen die Existenz einer Desinfektionseinrichtung in Berlin ausreichend, und wenn ja, wie begründet der Senat seine Auffassung?

5. Wie wird die Verzahnung von medizinischen und sozialen Betreuungsangeboten gewährleistet und ausgebaut?

6. Welche Ost-West-Unterschiede gibt es bei den von Obdachlosigkeit Betroffenen und wie werden diese berücksichtigt?

7. Welche Veränderungen gibt es beim Frauenanteil der Obdachlosen und wie wurde bzw. Die ambulante medizinische Versorgung der auf der Straße lebenden Menschen ist in der Vereinbarung zwischen Senat, Kassenärztlicher Vereinigung Berlin, Bezirksamt Weißensee

­ Abt. Soziales ­ und freien Trägern in der Wohnungslosenhilfe (Caritas Verband für Berlin e. V. und Diakonisches Werk Berlin-Brandenburg e. V.) vom 24. Februar 1995 geregelt.

Ziel ist die Verbesserung der ambulanten ärztlichen Grundversorgung in Verbindung mit sozialer Beratung als Mittel der gesundheitlichen und sozialen Reintegration.

Soweit der behandelnde Arzt im Rahmen der Grundversorgung und auf Grund der Diagnose eine fachärztliche Weiterbehandlung für notwendig erachtet, ist es erforderlich, dass der Patient bzw. Wohnungslose Kontakt zu seinem zuständigen Sozialamt aufnimmt, sich dort einen Krankenschein ausstellen läßt und mit diesem einen entsprechenden Facharzt aufsucht.

Sowohl Arzt als auch Sozialarbeiter unterstützen und beraten den Patienten bzw. Wohnungslosen in Fragen der Weiterleitung an entsprechende Fachärzte.

Zu 2.: Bei der Krankenstation in der Magdalenenstr. mit zum Teil 16 Betten handelt es sich um eine modellhafte Einrichtung. Die Frage des Bedarfs für den betreffenden Personenkreis wird auf der Basis der wissenschaftlichen Auswertung der Dokumentation gemäß § 7 der Vereinbarung beantwortbar sein. Die Ergebnisse liegen zum Teil noch nicht vor.

Zu 3.: Die derzeit geltenden Mindeststandards sind in den „Rahmenbedingungen für obdachlose Menschen im Rahmen der ambulanten medizinischen Versorgung" festgelegt und als Anlage der „Berliner Rahmenvereinbarung für leistungsgerechte Entgelte im Bereich Soziales-ERV" aufgenommen worden. Sie sind im Amtsblatt Nr. 62 vom 1. Dezember 1995 veröffentlicht.

Zu 4.: Die nach den Um- und Ausbauarbeiten in der Desinfektionsanstalt Schöneberg vorhandene Kapazität wird unter Berücksichtigung einer Zunahme der Nachfrage nach den speziellen Leistungen (Entwesung bei Kleider- und Filzlausbefall sowie Effektenbehandlung) auf der Grundlage vorliegender Fallzahlen der letzten Jahre als ausreichend erachtet.

Die Behandlung bei Kopflausbefall ist eine bezirkliche Aufgabe und wird von den Gesundheitsämtern angeboten.

Zu 5.: Wesentlicher Bestandteil der verschiedenen Maßnahmen zur Verbesserung der ambulanten medizinischen Versorgung von Wohnungslosen im Sinne der Verzahnung von medizinischer und sozialer Betreuung ist die aufsuchende ärztliche (und soziale) Arbeit. Dies bedeutet, dass die Ärzte zu den Treffpunkten oder in die Einrichtungen der wohnungslosen, auf der Straße lebenden Menschen gehen. Sie werden hierbei von Sozialarbeitern in den Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe unterstützt oder, wie bspw. im Arztmobil, dorthin begleitet. Die Sozialarbeiter beraten in allen Fragen der Anspruchsvoraussetzungen und Leistungsansprüche nach dem Bundessozialhilfegesetz.

Zu 6.: Auf Basis der Quartalsstatistik der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales, Stand: IV. Quartal 1995, ist im Ostteil der Stadt ein höherer Anteil der 1-Personen-Haushalte an allen wohnungslosen Personen und ein geringfügig höherer Anteil der männlichen Alleinstehenden an allen alleinstehenden Personen im Vergleich zum Westteil der Stadt feststellbar.

Darüber hinaus ist die Dauer der Wohnungslosigkeit im Ostteil (mit Schwerpunkten bei unter 6 Monaten und 6­12 Monaten) zum Teil noch deutlich kürzer als im Westteil der Stadt.

Bei der Altersstruktur sind die jüngeren Jahrgänge, insbesondere die Altersgruppe der 27- bis 40jährigen, anteilsmäßig stärker als im Westteil der Stadt vertreten.

Den Bezirksämtern von Berlin stehen verschiedene Hilfemaßnahmen zur Verhinderung und Beseitigung von Wohnungslosigkeit auf der Basis des Bundessozialhilfegesetzes zur Verfügung.

Darüber hinaus wird seitens des Senats im Rahmen des Kooperationsvertrages „Geschütztes Marktsegement" eine verbesserte Wohnraumversorgung für alleinstehende Personen, insbesondere im Ostteil der Stadt, angestrebt. Die entsprechenden Verhandlungen mit den Wohnungsbaugesellschaften dauern noch an.

Zu 7.: Ein differenzierterer Vergleich des Frauenanteils an allen Wohnungslosen und dessen Entwicklung für das gesamtberliner Stadtgebiet ist erst für das Jahr 1995 möglich, da zu diesem Zeitpunkt die statistischen Erhebungen für den West- und Ostteil der Stadt auf neuer und einheitlicher Grundlage erfolgten.

Auf Basis der Quartalsstatistik der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales bewegt sich der Frauenanteil (alleinstehende und alleinerziehende Frauen ohne minderjährige Kinder) im Jahr 1995 mit geringen Schwankungen bei rund 12 % an allen wohnungslosen Personen bzw. bei rund 14 % an allen volljährigen wohnungslosen Personen. Damit liegt Berlin im Bundesdurchschnitt bzw. im Durchschnitt anderer größerer Städte.

Zu den verschiedenen Maßnahmen zur Prävention und Beseitigung der Wohnungslosigkeit wird auf Punkt 6. verwiesen.