Umweltambulanz in Berlin

Ich frage den Senat:

1. Welche Leistungen bietet die erste Umweltambulanz in Berlin an, und welche Erfahrungen wurden bisher mit diesem Projekt gesammelt?

2. Ist eine weitere Umweltambulanz in Berlin geplant, und wenn ja, wann und wo wird diese geschaffen?

Im Namen des Senats von Berlin beantworten wir Ihre Kleine Anfrage wie folgt:

Der Senat geht davon aus, dass es sich bei der Frage zur „ersten Umweltambulanz in Berlin" um die Umweltmedizinische Ambulanz des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) in Steglitz handelt.

Zu 1.: Die Umweltmedizinische Ambulanz in Steglitz wurde in Ausgestaltung einer Konzeption der Ärztekammer Berlin im Mai 1990 gegründet und mit Aufnahme ihrer Tätigkeit eine Versorgungslücke gemäß den im Gesundheitsdienst-Gesetz vom 4. August 1994 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin Nr. 44/1994) formulierten Grundsätzen geschlossen. Sie arbeitet nach dem Prinzip der Subsidiarität.

Das Angebot der Ambulanz richtet sich zum einen an die niedergelassene Ärzteschaft, Ärzte aus dem ÖGD und aus Kliniken, die ihre Patienten immer dann in diese Einrichtung schicken können, wenn sie eine spezielle umweltmedizinische Abklärung eines Beschwerdebildes für notwendig erachten, zum anderen werden von der Umweltmedizinischen Ambulanz Bürger aus dem Großraum Berlin direkt beraten, und Multiplikationen aus dem öffentlichen Bereich zu umweltmedizinischen Themenstellungen informiert.

Das Spektrum der Aufgaben für eine „personenbezogene" Umweltmedizin lässt sich unterteilen in

- Beratung in Fragen des umweltbezogenen Gesundheitsschutzes,

- Expositionsabschätzung und -bewertung (persönliches Gesundheitsrisiko?),

- Abklärung fraglich umweltbedingter Gesundheitsbeeinträchtigungen,

- umweltmedizinische Beratung,

- konsiliarisches Angebot für ambulant, klinisch oder behördlich tätige Ärzte, aber auch für andere Sachverständige,

- sachgerechte präventive Maßnahmen,

- Initiierung präventiver Maßnahmen,

- Weiterentwicklung des methodischen Instrumentariums.

Die Umweltmedizinische Ambulanz Steglitz bietet neben ärztlichen Sprechstunden auch ein telefonisches Beratungsangebot für Bürgerinnen und Bürger, niedergelassene und in Kliniken tätige Ärzte sowie Behördenvertreter an.

Der Untersuchungsgang in der Ambulanz umfaßt folgende Teilschritte:

1. Die sorgfältige Erhebung der Anamnese, wobei umwelt-, arbeits-, sozial- und allgemeinmedizinische Aspekte im Vordergrund stehen.

2. Eine gründliche körperliche Untersuchung.

3. Die Expositionsabschätzung, z. B. im Wohnbereich des Patienten, durch die in der Ambulanz tätigen Ärzte und/oder Naturwissenschaftler im Rahmen einer Vor-Ort-Begehung.

Hieran schließen sich in der Mehrzahl der Fälle Messungen an, z. B. Schadstoffbestimmungen in der Innenraumluft, wobei orientierende Untersuchungen mit Hilfe des eigenen Instrumentariums, präzisierende Messungen hingegen im Zusammenwirken mit dem Berliner Betrieb für Zentrale Gesundheitliche Aufgaben (BBGes) erfolgen.

5. Zur Abschätzung der vom Körper aufgenommenen Schadstoffmengen werden bei Bedarf Laboruntersuchungen im Sinne eines Biological Monitorings durchgeführt. Bei mikrobiologischen oder allergologischen Fragestellungen kann teilweise auch auf das BBGes zurückgegriffen werden.

Im Anschluß an eine Zusammenfassung der erhobenen Befunde erfolgt eine eingehende Beratung des Patienten und die fachliche Mitteilung an den behandelnden Arzt.

Derzeit werden aus dem Großraum Berlin jährlich rund 100 bis

Patientinnen und Patienten in der Umweltmedizinischen Ambulanz umfassend untersucht und beraten. Daneben werden bis 700 Bürger, niedergelassene Ärzte und Behördenvertreter beraten.

Die häufigsten Gesundheitsbeschwerden bei erstmaliger Konsultation der Umweltmedizinischen Ambulanz waren Störungen des Allgemeinbefindens, wie abnorme Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Kopfschmerzen, Beschwerden an den Atemwegen/ Lungen sowie im Bereich der oberen Luftwege, Probleme mit der Haut und den Haaren sowie chronisch entzündliche Veränderungen an den Augen. Als ursächlich hierfür wurden von den Patienten insbesondere Innenraumexpositionen gegenüber Holzschutzund Lösemitteln, Formaldehyd und Schädlingsbekämpfungsmitteln angesehen. Daneben spielte in der Arbeit der Einrichtung die Frage, ob und in welchem Umfang Gesundheitsstörungen durch Verwendung bestimmter Dentalwerkstoffe bedingt oder mitbedingt sind, eine große Rolle.

Zu den Beratungsschwerpunkten der Umweltmedizinischen Ambulanz Steglitz gehört auch der Themenkreis „Gestaltung des häuslichen Bereiches bei Vorliegen diverser Allergien", womit noch einmal der präventive Charakter in der Arbeit dieser Einrichtung hervorgehoben wird.

In Auswertung der Arbeitsergebnisse konnte bei 17 % der untersuchten Patienten eine gesundheitsrelevante Umweltbelastung gesichert werden, was aus verschiedenen Gründen aber nicht im Sinne eines monokausalen Geschehens, sondern als exogene Mitursache für die vorliegende Beschwerdesymptomatik gedeutet wurde. Außerdem konnte nach dem Ergebnis der Befunderhebung bei 34 % der Patienten ein Umweltbezug als wahrscheinlich gelten, der Empfehlungen bzw. Maßnahmen im Sinne des vorsorgenden Gesundheitsschutzes nach sich zog.

Die Einrichtung leistet damit einen wichtigen Beitrag auf den Sektoren der Gesundheitsvorsorge und des Gesundheitsschutzes.

Parallel dazu erfolgt kontinuierlich eine epidemiologische Auswertung der Untersuchungsergebnisse, die im Zusammenwirken mit anderen Ambulanzen und Beratungsstellen in der Bundesrepublik Deutschland dazu beitragen soll, das Untersuchungsinstrumentarium zu verfeinern und neue bis dato nicht bekannte umweltmedizinische Frage- und Problemstellungen zu identifizieren.

Zu 2.: Eine weitere umweltmedizinische Ambulanz ist im ÖGD nicht geplant und wird derzeit auch nicht für notwendig erachtet, weil neben der umweltmedizinischen Ambulanz in Steglitz je eine weitere im universitären Bereich (Medizinische Poliklinik, Abteilung Innere Medizin der Humboldt-Universität zu Berlin) sowie im Zentrum für Arbeits- und Umweltmedizin e. V. (ZAUM, 10367 Berlin) bestehen.

Zunehmend qualifizieren sich auch niedergelassene Ärzte für den Erwerb der Zusatzbezeichnung „Umweltmedizin".

Im übrigen bieten die Gesundheitsämter der Bezirke von Berlin gemäß § 1 Abs. 3 Ziffer 4 des Gesundheitsdienstgesetzes umweltmedizinische Beratung und Betreuung an.

Das umweltmedizinische Angebot in Berlin ist kürzlich in der Broschüre „Umweltmedizin in Berlin" ­ Aktueller Stand und Perspektiven (Juli 1996) ­ der Ärztekammer Berlin dargestellt worden.