Erhalt der Produktionsstätte von Alcatel in Berlin

„Der Senat wird aufgefordert, mit der Geschäftsführung von Alcatel Verhandlungen mit dem Ziel fortzusetzen, den Standort Berlin-Neukölln zu erhalten und damit die dortigen Arbeitsplätze zu sichern.

Dieser Betrieb hat eine gute wirtschaftliche Entwicklungs- und Zukunftsperspektive, die Auftragslage ist gut und es werden schwarze Zahlen geschrieben.

Deshalb werden die Forderungen der Belegschaft und des Betriebsrats auf Erhalt des Betriebes vom Abgeordnetenhaus unterstützt."

Hierzu wird berichtet:

Im Nachgang zu dem Gespräch mit Herrn Dr. Gumbel, dem Vorstandsvorsitzenden der Alcatel Kabel Beteiligungs-AG/Hannover, am 3. Juni 1999 hatte Senator Branoner in einem weiteren Schreiben vom 11. Juni 1999 den Präsidenten der Alcatel S.A. in Paris nochmals gebeten, unter Einbeziehung aller Hilfsangebote Berlins die Standortentscheidung des Alcatel-Vorstandes gegen Berlin zu überdenken, und dazu ein persönliches Gespräch angeboten. Weitere Kontaktversuche folgten.

Unter dem Datum des 5. Juli 1999 wurde durch den Präsidenten der Alcatel S.A. auf den Senatorenbrief geantwortet. Aus dem Schreiben geht unmissverständlich hervor, dass die Aufgabe der Kabelproduktion in Berlin im Alcatel-Vorstand nicht mehr zur Diskussion steht. Das Gesprächsangebot des Senators wurde nicht aufgegriffen.

Der Präsident beauftragte den Vorstandsvorsitzenden der Alcatel Kabel Beteiligungs-AG, der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Betriebe weitere Informationen zu übermitteln. Das Gespräch fand am 26. Juli 1999 auf Leitungsebene statt. Es wurde bestätigt, dass in die Grundhaltung des Alcatel-Vorstandes trotz mehrfacher Intervention der Wirtschaftsverwaltung keinerlei Bewegung gekommen sei. Eine Revidierung der Entscheidung gegen Berlin wäre auf Grund konzerninterner Überlegungen verworfen worden.

Bei der Unterrichtung wurde im Übrigen nur die bekannte Konzernargumentation der Alcatel S.A. wiederholt. Auch die bei diesem Gespräch nochmals unterbreiteten Argumente zur Hilfestellung seitens des Senats konnten angesichts der abschließenden Haltung der Alcatel S.A. keine Wende zugunsten des Berliner Standortes bringen.

Der Forderung an Alcatel, wenigstens durch eine stärkere Nachfolgenutzung, beispielsweise durch die Ansiedlung von Zulieferproduktionen für die übrigen Kabelwerke, einen größeren Anteil an Arbeitsplätzen zu sichern, wurde angesichts der geringen Wertschöpfungskette bei Kabelprodukten wenig Erfolg eingeräumt.

Ungeachtet dessen wurde dem Vorstandsvorsitzenden der Alcatel Kabel Beteiligungs-AG nochmals die schwierige Situation im Berliner Werk und die Verärgerung des Senats hinsichtlich der offensichtlichen Verweigerungshaltung des Alcatel-Vorstandes in dieser Angelegenheit mit allem Nachdruck deutlich gemacht.

Dabei standen die vom Vorstand der Alcatel in keiner Weise gewürdigten Bemühungen von Senat, Belegschaft und Gewerkschaft im Vordergrund, durch weitreichende Zugeständnisse einen angemessenen Beitrag zur Kostensenkung und Kompensation der in der Gesamtschau des angebotenen Entgegenkommens von Belegschaft und Senat nur scheinbaren Standortnachteile Berlins zu leisten.

Am 27. August 1999 fand sich schließlich als Reaktion auf die mit der Werksbesetzung eingetretene Öffentlichkeitswirksamkeit der Präsident der Kabelsparte der Alcatel S.A. in Begleitung des Vorstandsvorsitzenden der Alcatel Kabel Beteiligungs-AG/ Hannover in Berlin ein. Im Anschluss an ein Gespräch mit dem Betriebsrat und der Belegschaft kam es zu einem weiteren Kontakt mit der Leitungsebene der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Betriebe.

Dabei wurde von Seiten Alcatels neben der Wiederholung der bekannten Standpunkte ergänzend ausgeführt, dass sich auch das Berliner Werk nach den Prognosen von Alcatel mittelfristig der Verlustzone genähert hätte. Hierbei habe man den Wettbewerb und die Überkapazitäten berücksichtigt, die in den letzten beiden Jahren zu einem Preisverfall von ca. 20 % p. a. geführt hätten. Der Wettbewerb habe sich dieser Situation bereits angepasst, was nun auch bei Alcatel anstünde. Von fünf Alcatel-Werken würden nun drei geschlossen, neben dem Werk in Berlin auch je eines in Frankreich und Belgien.

Die Schließung auch eines französischen Werkes zeige, dass Alcatel nicht ausschließlich „französisch" denke, sondern bei Standortentscheidungen im Rahmen der Globalisierung der Wirtschaft vor allem die langfristige Wettbewerbsfähigkeit im Vordergrund stünde. Hier habe das Berliner Werk im konzerninternen Standortvergleich um 30 % höhere Standortkosten aufgewiesen als die beiden nun bestehen bleibenden und kostengünstigeren Werke in Frankreich und England.

Auch in der Beantwortung eines erneuten Schreibens des Regierenden Bürgermeisters vom 10. September 1999 mit dem Angebot zur Unterstützung des Senats bei einer eventuellen Umstrukturierung des Werkes wiederholte der Präsident von Alcatel lediglich, dass die vom Senat angebotenen Fördermöglichkeiten zwar eine lokale Entlastung bringen könnten, in ihrer Gesamtheit aber kein Äquivalent für den von Alcatel gewählten marktstrategischen Ansatz in europäischem Maßstab darstellten.

Damit beharrt die Konzernleitung von Alcatel auch weiterhin auf der Schließung des Standortes Berlin-Neukölln, stimmt jedoch in Verhandlungen mit dem Betriebsrat einem Sozialplan und der Zahlung von Abfindungen zu. Weiterhin wurde die Gründung einer Beschäftigungsgesellschaft vereinbart, die über einen Zeitraum von 24 Monaten ehemalige Kabelwerker für neue Tätigkeiten qualifizieren und bei der Suche nach einem Arbeitsplatz unterstützen soll. Die Beschäftigten des Kabelwerkes haben dieser Lösung am 17. Oktober 1999 zugestimmt und die Werksbesetzung beendet.

Die für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen zuständige Senatsverwaltung wird sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten bemühen, die Belegschaft bei der Erarbeitung von Konzepten für Beschäftigungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten wie z. B. Jobtransfer-Maßnahmen zu unterstützen.

Von Berlin aus soll nach der nun unausweichlich werdenden Schließung des Kabelwerkes nur noch ein Teil des europäischen Datenkabelgeschäftes mit etwa 35 Arbeitsplätzen vertrieblich gesteuert werden. Darüber hinaus bleibt die Hoffnung, dass Alcatel die Bedeutung des Standortes Berlin zur Erschließung der Märkte der MOE-Staaten bei anstehenden Entscheidungen zur Stabilisierung und für den weiteren Ausbau von Alcatel SEL entsprechend berücksichtigt.

Wir bitten, den Beschluss damit als erledigt anzusehen.