Umweltschutz

Zu den unverzichtbaren konzeptionellen Bausteinen des Gedenkstätten-Rundgangs zählen: 1. das „U-Boot" (Zellentrakt im Keller des Verwaltungsgebäudes), 2. der Vernehmertrakt, 3. der Zellentrakt incl. Freiganghöfe, Schleuse und Gummi-Zellen.

Einen weiteren Schwerpunkt bildet schließlich 4. das Dokumentations- und Begegnungszentrum im Hauptgebäude mit Wechselausstellungen, Bibliothek, Archiv, Seminarräumen, Filmvorführungen etc., das unabhängig vom Rundgang genutzt werden kann.

Festlegung, der Besichtigungsroute ­ Voraussetzungen und Begründung

Der Rundgang durch das frühere Haftgelände Berlin-Hohenschönhausen umfaßt in räumlicher Hinsicht zwei große Blöcke.

Der erste Abschnitt bezieht sich auf das sowjetische Speziallager Nr. 3 und das sowjetische Untersuchungsgefängnis Hohenschönhausen (1945 bis 1951) sowie auf die Anfangsphase der MfS-Haftanstalt. Seine räumliche Präsentation findet dieser Abschnitt im sog. U-Boot. Der zweite Abschnitt erstreckt sich über die Zeit des Staatssicherheitsdienstes der DDR, deren räumlicher Schwerpunkt in den um 1960 errichteten Zellen- und Vernehmerflügeln liegt.

Der Verlauf des Rundganges durch die ehemalige Untersuchungshaftanstalt Hohenschönhausen im einzelnen, d. h. die Reihenfolge der verschiedenen Stationen ist auf die inhaltliche Zielaussage abzustimmen. Die grundsätzliche Ausgansfrage lautet hierbei: Worin bestehen die spezifischen Merkmale dieses Ortes, welche Besonderheiten kennzeichnen seine Geschichte, welche Informationen soll der Besucher empfangen bzw. sich erarbeiten können? Die Feststellung der historischen Charakteristika sollte also für die Festlegung der Besichtigungsroute konstitutiv sein.

Für die Frühzeit des Gefängnisgeländes, die Zeit des Speziallagers Nr. 3 und des U-Bootes, erlaubt die enge und aussagekräftige Verbindung zwischen Raum und Thema einen relativ einfachen Lösungsweg. Chronologisch an erster Stelle, räumlich von besonderer Ausstrahlung steht das U-Boot am Beginn der Besichtigung.

Hier kann die einführende Dokumentation plaziert werden, die die erforderlichen Hintergrundinformationen zu den politischen Rahmenbedingungen und zur Wirkungsweise des Intenierungslagers sowie des anschließend dort betriebenen sowjetischen Untersuchungsgefängnisses anbietet. Darüber hinaus werden Kenntnisse über die Anfangszeit der MfS-Haftanstalt in den fünfziger Jahren vermittelt, d. h. Angaben zur Loslösung aus der sowjetischen Haftregie und zum Aufbau des MfS-Strafsystems.

Weitaus schwieriger erscheint die Abstimmung zwischen historischem Raum und inhaltlicher Zielsetzung für die spätere Zeit, die räumlich gesehen in den neuen Haftgebäuden angesiedelt ist.

Diesen Räumlichkeiten fehlt das sichtbar und unverwechselbar Eigene, sie vermögen nicht ohne weiteres allein für sich zu sprechen. Ohne deutliche Verknüpfung zwischen Besichtigungsweg und inhaltlicher Aussage aber verliert das MfS-Gefängnis seine Besonderheit gegenüber anderen Haftanstalten. Ein Rundgang, der nicht im beschriebenen Sinne zielbewußt auf den spezifischen MfS-Haftcharakter ausgerichtet ist, würde zu inhaltlicher Beliebigkeit und zum Verlust der eigentlichen Kernaussage führen.

Bedenkt man die verschiedenen Details zur Geschichte der MfS-Haftanstalt, so wird deutlich, dass nicht allein die Haftzelle das charakteristische Kennzeichen darstellt. Das Besondere liegt vielmehr in dem ausgefeilten System von Desorientierung, Isolation und Ohnmacht, das die Staatssicherheit gegenüber ihren Häftlingen anwandte. Das Ausgeliefertsein des Inhaftierten an den allmächtigen Staatsapparat in der Person des Stasi-Vernehmers war die prägende Erfahrung, für das Leben in der Untersuchungshaftanstalt. Dieses Motiv muss folgerichtig auch das zentrale Moment der Besichtigung sein.

Schwerpunkt des Rundgangs sollte daher nicht der eigentliche Zellentrakt, sondern das südlich gelegene Vernehmergebäude sein. Hier spielte sich ein großer Teil des Haftlebens ab, hier wurde der Inhaftierte unmittelbar mit seiner rechtlosen Lage konfrontiert, hier war er dem maßlosen Streben des Staates nach Kontrolle, Wissen und Omnipräsenz schutzlos ausgeliefert.

Um die Bedeutung dieses Abschnitts zu unterstreichen, sollte die Besichtigung des Vernehmerkomplexes derjenigen des Zellengebäudes vorangestellt werden:

Diese eher ungewöhnliche Reihenfolge weist nachdrücklich darauf hin, dass es sich eben nicht um ein „normales" Gefängnis gehandelt hat.

Letztlich wird aber in der Zukunft noch zu überprüfen sein, welcher Rundweg und welche Besichtigungsabfolge sich in der Praxis tatsächlich bewähren.

1. Die Stationen des Rundgangs

Vor Beginn der Besichtigung hat der Besucher die Möglichkeit, sich in dem Informationsbüro der Gedenkstätte über den Rundgang, die Dokumentation und das weitere bildungspolitische Angebot der Gedenkstätte zu orientieren (s. a. S. 8). Das Büro liegt im Mittelteil des Verwaltungsgebäudes und ist über den nördlichen Zugang zu erreichen. Die beiden angrenzenden Räume bieten Platz für die allgemeine Einführung zum Thema sowie für Sonderkapitel und Wechselausstellungen (s. a. S. 11).

Der eigentliche Rundgang beginnt mit der Besichtigung des U-Bootes. Der Eingang zum Keller-Zellentrakt liegt neben dem Informationsbüro, d. h. ebenfalls an der nördlichen Seite des Hauptgebäudes. Nach dem Gang durch das U-Boot gelangt man über die südliche Treppe in das Erdgeschoss zum Ausgang an der Südseite des Verwaltungsgebäudes.

Von dort aus geht der Besucher zum gegenüberliegenden Vernehmertrakt (Südflügel) und betritt durch die Eingangstür an der westlichen Frontseite das Erdgeschoss. Die Route führt durch den Gang mit den Vernehmerbüros und. mündet in die Zellengebäude, d. h. zunächst in den Ostflügel, von dort aus in den Nordflügel. Am Übergang zwischen den beiden Zellenflügeln befindet sich der Austritt zu den nordöstlich gelegenen Freiganghöfen („Freigangkäfige").

Am Ende des Nordflügels ist eine Besichtigung der GummiDunkelzellen im Keller möglich. Der Rundgang schließt mit der Besichtigung der Garagenschleuse.

2. Die Einbindung der Dokumentation in den Rundgang

In Verbindung, mit dem Rundgang durch die historischen Räume sind Dokumentationsnischen einzurichten, die den Besuchern historische Daten und Informationen liefern. Die Vermittlung, soll in Form einer Verknüpfung von strukturgeschichtlicher Betrachtung und biographischer Darstellung (anhand exemplarischer Lebensläufe ehemaliger Häftlinge) geschehen. So ist der Besucher in der Lage, die besichtigten Räumlichkeiten historisch einzuordnen, sich das Geschehene zu vergegenwärtigen und zu einer selbständigen Urteilsfindung zu gelangen.

Die erste Dokumentationsnische sollte im Anfangsbereich des U-Boot-Kellers angesiedelt werden. Sie bietet Angaben zu dem historischen Bezugsrahmen (einschließlich des sowjetischen GULag/GUPWI-Systems1) und dem Charakter der sowjetischen Haft- und Internierungsregie sowie zu der Übergabe des Gefängnisses an die Behörden der DDR.

Im Vernehmergebäude fehlt ein entsprechender Freiraum im Eingangsbereich, hier müssen gegebenenfals Büros als Informationsräume herangezogen werden. Inhaltliche Schwerpunkte soll1 GULag: russische Abkürzung für Staatliche Lagerverwaltung. GUPWI: russische Abkürzung für Staatliche Verwaltung für die Angelegenheiten von Kriegsgefangenen und Internierten. In den Lagern des GULag befanden sich verurteilte Gefangene, in den Lagern des GUPWI nicht-verurteilte, so auch ausländische Kriegsgefangene und Zivilinternierte. ten sein: Aufbau und Arbeitsweise der HA IX des MfS (Strafrechtliche Ermittlungen) sowie der Abt. XIV (Untersuchungshaft/Strafvollzug, Schulung und Ausbildung der Vernehmer, Entwicklung der Vernehmungspraxis im Laufe der Jahre (verschiedene Phasen), politische Hintergründe der Ermittlungsverfahren, Anklagepunkte usw.

Im Übergang zwischen Vernehmer- und Zellengebäude gibt es mehrere Möglichkeiten, Dokumentationsecken in den Rundgang zu integrieren. Hier sollten Informationen zur Situation in der UHA, zur Versorgung, zur Organisation des Alltags, zu den Veränderungen der Haftbedingungen im Laufe der Zeit usw. gegeben werden. Rekonstruktionen der chronologisch unterschiedlichen Zellentypen können diese Angaben in plastischer Weise ergänzen. Darüber hinaus sollte in dem Zellentrakt die Haftsituation aus der Sicht der Inhaftierten vermittelt werden: das persönliche Erleben dieser spezifischen Gefängniswelt aus der Einzelperspektive von Häftlingen. Biographische Räume sollten eingerichtet werden, die exemplarisch Einzelschicksale bekannter sowie nicht bekannter Personen vorführen. Insbesondere hier kann der gezielte Einsatz medientechnischer Möglichkeiten (Akustikräume, Video) die Vermittlung auf nachdrückliche Weise unterstützen.

In der Garagenschleuse am Ende des Rundganges bietet es sich an, Informationen über die Umstände der Einlieferung, des Abtransportes sowie der Freilassung weiterzugeben. Beginn und Ende der Haftzeit werden so anschaulich an ihrem räumlichen Knotenpunkt festgemacht.

Themenvertiefungsräume, d. h. Informationsangebote, die über den Rahmen Hohenschönhausen im engeren Sinne hinausgehen, können im Ausstellungszentrum des Hauptgebäudes untergebracht werden. Bei einigen Themen allerdings, wie z. B. „Die UHA und ihre Umgebung" wäre eine direkte Einbindung in den Rundgang denkbar.

3. Einrichtungen der Gedenkstätte Politische Bildungsarbeit

Über Dokumentation und Ausstellung hinaus werden weitere Bildungsangebote für die Besucheröffentlichkeit geschaffen: Bibliothek, Archiv, Medienraum (Film, Ton und EDV), Wechselausstellungen, Führungen und Seminare, Gesprächskreise, Publikationen (Begleitband zur Ausstellung, Handbuch, Dokumentenband und weitere Informationsmittel).

Der wachsende Bekanntheitsgrrad der Gedenkstätte führt zu einer kontinuierlichen Zunahme der Besucherzahlen. Mit dem steigenden Besucherzustrom wird zugleich die Notwendigkeit eines breiten, differenzierten Bildungsangebotes deutlich, das die Informationsbedürfnisse des breiten Publikums wie auch diejenigen bestimmter Berufs- und Altersgruppen berücksichtigt. Um diesen gruppen- und berufsspezifischen Anforderungen gerecht werden zu können, wird seit September 1996 ein neues Bildungsprogramm realisiert, das neben allgemeinen Führungen auch Schwerpunktführungen und Spezialseminare umfasst. Die Einbindung, von Zeitzeugen im Rahmen der Bildungsarbeit (Gesprächskreise, Führungen) wird auch in Zukunft einen hohen Stellenwert besitzen.

Zeitzeugen-Büro

Der Kontakt zu ehemaligen Inhaftierten des Speziallagers Nr. 3 bzw. Untersuchungsgefängnisses Hohenschönhausen nimmt über die bildungspolitische Arbeit hinaus einen großen Raum in der Arbeit der Gedenkstätte ein. Bereits im Februar/März 1996 wurde das „Zeitzeugen-Büro" der Gedenkstätte gegründet, dessen Ziel es ist, Kontakt zu Zeitzeugen und Betroffenen herzustellen und Erinnerungsberichte zur Geschichte der ehemaligen Lager- und Haftanstalt zu sammeln und zu dokumentieren. Die Angaben der Zeitzeugen sind für die Erarbeitung eines umfassenden Bildes von entscheidender Bedeutung: als authentische persönliche Erinnerung und als grundlegende Informationsquelle (die Verwaltungsakten der Untersuchungshaftanstalt sind in der Wendezeit größtenteils vernichtet worden). Das „ZeitzeugenBüro" bildet ein Kernstück in der Arbeit der Gedenkstätte BerlinHohenschönhausen und wird diese Funktion auch langfristig auszufüllen haben.

4. Kooperationsmöglichkeiten

Eine wichtige Rolle für die künftige Gedenkstätte spielen Austausch und Kooperation mit anderen Forschungs- und Bildungsinstitutionen. So ist die Zusammenarbeit mit anderen Gedenkstätten anzustreben, die mit der Internierungslagerproblematik befaßt sind (z. B. Gedenkstätte Sachsenhausen und Buchenwald, DIZ Torgau) sowie mit Forschungseinrichtungen im universitären und außeruniversitären Bereich (z. B. Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen der Staatssicherheit der ehemaligen DDR, „Forschungsverbund SED-Staat" an der FU Berlin, Forschungsprojekt „MfS und Justiz" an der HU Berlin, Zentrum für zeithistorische Studien an der Universität Mannheim, Institut für Zeitgeschichte Potsdam, Hannah-Arendt-Institut Dresden). Schließlich empfiehlt sich auch eine Kooperation mit Einrichtungen an konkreten Geschichtsorten in Berlin wie der Forschungsstätte Normannenstraße und dem Haus am Checkpoint Charlie. Eine punktuelle Abstimmung in der Konzipierung von Bildungsprogrammen erscheint auf Grund der inhaltlichen Bezugspunkte sinnvoll.

Insbesondere die Dokumentation über den MfS-Apparat (HA IX, Abt. XIV) in Hohenschönhausen ist in enger Abstimmung mit dem Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR zu gestalten.

5. Fremdnutzung

Bei der Entscheidung über künftige Fremdnutzungsmöglichkeiten auf dem Gelände der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen wird die Frage der Gedenkstättenverträglichkeit vorrangig zu beachten sein. Die Entscheidung über künftige Fremdnutzer kann nur mit Zustimmung der Stiftung erfolgen.

In das Vermögen der Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen sollten die im vorliegenden Rundgangkonzept aufgezählten Bestandteile des Geländes gehören. Das Gedenkstättengelände ist als Gesamtdenkmal zu erhalten und sollte in der öffentlichen Hand verbleiben.

Eine anderweitige Nutzung, des Geländes kann nur mit Zustimmung der Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen realisiert werden.

Für die Nutzung durch andere Einrichtungen stehen die Obergeschosse der Haft- und Vernehmergebäude zur Verfügung. Der Zugang kann separat durch die nördlich gelegene Eingangstür des Vernehmerflügels (im Rosenhof) erfolgen. Eine zusätzliche Trennung bzw. Absperrung im Inneren des Gebäudes (Treppenbereich) verhindert eine Störung der Gedenkstättenbesucher. Ein weiterer Separateingang kann im nordöstlichen Bereich geschaffen werden (Übergang vom Ost- in den Nordflügel).

Neben separater Eingänge innerhalb des Geländes ist zudem die Einrichtung neuer Zugänge von außen auf das Gelände möglich (südliche Mauerseite), sodass auch in diesem Punkt eine Störung zwischen Gedenkstättenbetrieb und Fremdnutzung ausgeschlossen werden kann.

Als mögliche Nutzer ­ soweit der Fremdnutzung rechtlich nichts entgegensteht ­ kommen in Betracht: Aufarbeitungsinitiativen und Betroffenenverbände, die Vertretungsbüros einrichten könnten, Projekte aus dem Bereich des Umweltschutzes, der Erwachsenen- und Jugendbildung und der Künstlerförderung.

Außerdem können Räumlichkeiten für die Lagerung von Ausstellungs- und Dokumentationsmaterialien anderer Museen angeboten werden.