Weiterentwicklung der Tarifstruktur im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB)

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung legt nachstehende Mitteilung dem Abgeordnetenhaus zur Besprechung vor:

Das Abgeordnetenhaus hat in seiner Sitzung am 1. Juli 1999

Folgendes beschlossen: „Das Abgeordnetenhaus fordert den Senat auf, sich beim Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) und gegenüber den beteiligten Verkehrsunternehmen dafür einzusetzen, dass das Tarifkonzept des VBB schrittweise weiterentwickelt und in der Benutzung für die Kunden vereinfacht wird. Dabei ist besonderer Wert darauf zu legen, dass das gesamte Fahrausweisangebot bei allen in Berlin tätigen Verkehrsunternehmen flächendeckend erhältlich ist."

Hierzu wird berichtet:

Der flächendeckende Verbundtarif wurde am 1. April 1999 eingeführt und ist ein wichtiges Fundament für das Zusammenwachsen von Berlin und Brandenburg. Der Tarif wurde vom Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) gemeinsam mit den im Verbundgebiet tätigen Verkehrsunternehmen erarbeitet.

Derzeit werden täglich ca. 3,6 Mio. Fahrgäste im Verkehrsverbund befördert, davon nutzen ca. 88 % die BVG und die S-Bahn.

Da auch von den von brandenburgischen Unternehmen beförderten Personen ca. 40 % den ÖPNV im sog. C-Gürtel um Berlin nutzen, ergibt sich, dass ca. 92 % der beförderten Personen im ÖPNV des Berliner Tarifbereich ABC unterwegs sind. Der Verkehrsverbund wird zum Frühjahr 2000 eine Verkehrserhebung im Verbundgebiet veranlassen, um die Wirkung des Verbundtarifs nachzuweisen und die Aufteilung der Einnahmen auf die Verkehrsunternehmen vorzunehmen. Nach Angaben des Verkehrsverbundes ist jedoch schon jetzt die Aussage möglich, dass seit Einführung des VBB-Tarifs im Regionalbahn- und S-Bahnverkehr Fahrgastzuwächse zwischen 5 und 10 % zu verzeichnen sind. Besonders im Regionalverkehr begründen sich diese Zuwächse mit kürzeren Fahrzeiten, verbesserten Anschlüssen, günstigen Zeitfahrausweisen und dem Einsatz von modernem Wagenmaterial.

Bei der Festlegung der Struktur des Verbundtarifes war insbesondere zu berücksichtigen, dass 15 unterschiedliche Tarife sozialverträglich zusammengeführt werden mussten. Vor diesem Hintergrund hat man sich in der Fläche Brandenburgs nach intensiver Diskussion mit den in der Region tätigen Verkehrsunternehmen einschließlich der DB AG und der BVG für die differenzierte Tarifwabenstruktur entschieden. Das Netz wurde dabei so engmaschig ausgelegt und die Tarifstufung so fein gestaffelt, dass die Preissprünge zwischen den Stufen gering ausfallen. Nach Auskunft des Verkehrsverbundes war diese differenzierte, relationsbezogene Tarifstruktur notwendig, da dadurch größere Preiserhöhungen für die Kunden und Durchtarifierungsverluste für die Verkehrsunternehmen weitgehend vermieden werden konnten. Wären größere Tarifbereiche vorgesehen worden, hätten insbesondere die Fahrgäste, die nur eine Station über die festgelegten Tarifbereichsgrenzen hinausfahren, erhebliche Preissprünge hinnehmen müssen. Lässt sich dies im Zeitkartentarif noch gut auffangen, weil nicht jede Einzelfahrt zu betrachten ist, ist dies nach Einschätzung des VBB im Bartarif problematisch. Wenn im Bartarif vertretbare Preissprünge bei gleichzeitig großflächigen Tarifzonen durchgesetzt worden wären, hätten die Verkehrsunternehmen erhebliche Zuschussforderungen bei den Aufgabenträgern geltend gemacht. So mussten zum Beispiel im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) bei der Umsetzung großflächiger Tarifgebiete Durchtarifierungsverluste in der Größenordnung von 40 Mio. DM pro Jahr aufgebracht werden. Dem Senat sind andererseits Verkehrsverbünde bekannt, die zu großflächigeren Zonentarifen übergegangen sind, ohne dass zusätzliche Zuschusszahlungen an Verkehrsunternehmen ­ notwendig waren, so z. B. die Verkehrsgemeinschaft Bremen Niedersachsen (VBN) bei ihrer Tarifstrukturreform im April 1999. Andere Verkehrsverbünde, wie z. B. der Verkehrsverbund Oberelbe, konnten mit der Einführung von Flächenzonentarifen beim Verbundstaat positive Erfahrungen hinsichtlich der Zuwächse bei den Fahrgästen und Einnahmen sammeln. In vielen Fällen konnten Lösungswege gefunden werden, indem Flächenzonentarife für längere Fahrten kombiniert wurden mit Haus- und Kurzstreckentarifen für die lokalen Verkehre.

Zu dem Tarifsystem des VBB vertritt der Senat die Auffassung, dass dieses Konzept, auch in Bezug auf die Tarifwabenstruktur, vereinfacht werden muss. Innerhalb des Tarifbereichs Berlin ABC ist eine sehr verständliche Tarifstruktur vorhanden. Für Fahrten, die über den Tarifbereich Berlin ABC hinausgehen, gibt es für Zeitkarteninhaber ebenfalls einen übersichtlichen Flächentarif (z. B. Berlin ABC + 1 Landkreis). Für die Kundengruppe der Barzahler kommt allerdings eine sehr komplizierte Tarifstruktur bestehend aus über 1 500 Waben zur Anwendung, die eine aufwendige und teure Vertriebstechnik erforderlich macht und den Zugang zum ÖPNV erschwert. Für den Verkehr zwischen Berlin und den äußeren Gebieten Brandenburgs muss das Tarifkonzept des VBB durch Abbau von Zugangshemmnissen neue ÖPNVKunden gewinnen, die den ÖPNV gelegentlich benutzen (z. B. im Freizeitverkehr). Insofern ist der VBB von uns gebeten worden, Vorschläge zu unterbreiten, wie im Bartarif für die über den Tarifbereich Berlin ABC hinausgehenden Fahrten der Wabentarif durch einen übersichtlichen Flächentarif ersetzt werden kann.

Dabei müssten ebenfalls im Bartarif Anschlussfahrscheine unter Anrechnung von Zeitkarten angeboten werden.

Im zukünftigen Tarifkonzept des VBB sind aber auch weitere intelligente Angebote denkbar. Es fehlen im Verbundtarif z. B. preisgünstige Angebote für die verschiedenen Nutzergruppen.

Zahlreiche Verkehrsverbünde konnten durch die Einführung einer preiswerten Tageskarte für das gesamte Verbundgebiet (gegebenenfalls mit Einschränkungen in der Berufsverkehrsspitze) neue Kunden bei gleichzeitigen Einnahmezuwächsen gewinnen. Diese „Marktlücke" wird derzeit nur von der DB Regio AG mit dem „Berlin-Brandenburg-Ticket" genutzt. Der VBB ist auf der Arbeitsebene Anfang Februar 2000 gebeten worden, hierzu Vorschläge zu prüfen und Realisierungsstrategien vorzuschlagen. Der VBB wird uns gegenüber bis Ende April 2000 Stellung nehmen. Wir werden entsprechend berichten.

Zur umweltpolitischen Förderung der Kombination Fahrrad/ Bahn im Ausflugsverkehr in die Region ist eine preiswerte und unkomplizierte Tagesfahrradkarte erforderlich. Günstige zielgruppenorientierte Tarife, z. B. für Familien mit Kindern sollten eingeführt bzw. weiter verbessert werden. Daneben muss das Tarifsystem im Verbundgebiet harmonisiert werden, indem Sonderregelungen und unterschiedliche Geltungsbestimmungen abgebaut werden.

Die von Berlin angestrebten Änderungen können jedoch nur im Einvernehmen mit dem Land Brandenburg und den Landkreisen vorgenommen werden und bedürfen einer intensiven Abstimmung unter der Regie des Verbundes.

Für das Frühjahr 2000 plant der VBB von sich aus, durch mehrere konkrete Tarifmaßnahmen (z. B. Umwegkarte, Wegfall Durchmesserfahrschein) im Bereich des C-Gürtels um Berlin, den Vertrieb zu erleichtern. Dazu wurden eine Vielzahl von Änderungen an der Tarifmatrix vorgenommen, die zum 1. April 2000 umgesetzt werden sollen.

Zum Vertrieb ist festzustellen, dass von den in Berlin tätigen Verbundverkehrsunternehmen der Verbundtarif wie folgt erhältlich ist:

- Die DB Regio AG vertreibt über DB-Reisezentren und DB-Vertragsbüros das gesamte Sortiment des Verbundtarifs.

Die Automaten sind nur in der Lage, Fahrausweise am Standort auszugeben.

- Die S-Bahn Berlin GmbH verkauft an derzeit 69 Verkaufsstellen und 7 Kundenzentren das gesamte Tarifangebot des Verbundes. Alle S-Bahnhöfe sind mit Fahrausweisautomaten ausgerüstet. Davon sind 40 Automaten für das Tarifangebot des VBB (ab Standort) und 475 Automaten für das Sortiment des Berliner ABC-Bereiches und 250 weitere Relationen im Umland ausgerüstet.

- Die BVG wird nach einem Update ihrer eingesetzten Software an 23 BVG-Verkaufsstellen den VBB-Tarif in vollem Umfang anbieten. Zudem verkaufen die zur Zeit 572 privaten Vertriebsagenturen der BVG Zeitfahrausweise für den Tarifbereich Berlin ABC + 1 Landkreis sowie das Gesamtnetz.

Der Senat geht davon aus, dass zumindest mittelfristig in diesen Vertriebsagenturen das vollständige VBB-Sortiment angeboten wird. Im Abonnement bei der BVG sind neben dem Tarifbereich Berlin ABC Zeitkarten für den Tarifbereich Berlin ABC + 1 Landkreis, den Tarifbereich Berlin ABC + 2 Landkreise bzw. Berlin ABC + 1 Landkreis + 1 kreisfreie Stadt sowie das Gesamtnetz erhältlich.

Nach Ansicht der BVG entsprechen die bei der BVG erhältlichen Fahrausweise weitestgehend den Kundenwünschen. Am Beispiel des Vertriebsweges Abonnement stellt die BVG exemplarisch dar, dass die Nachfrage nach Fahrausweisen, die über den Tarifbereich Berlin ABC hinausgehen, marginal ist. Danach betrug im Zeitraum von April bis Juli 1999 der Anteil der im Abonnement verkauften Wertmarken, die über den Tarifbereich Berlin ABC hinausgehen, bei Monatskarten 0,1 % und bei Jahreskarten 0,19 %.

Eine weitergehende Verdichtung des Vertriebes würde die Neubeschaffung bzw. grundlegende Umrüstung der BVG-Fahrausweisautomaten und der Fahrscheindrucker in den BVG-Bussen erforderlich machen. Von der BVG werden die Kosten für die Umrüstung ihrer Automaten und Fahrscheindrucker auf das gesamte VBB-Tarifangebot mit 105 Mio. DM beziffert. Diese Investition wäre nach Auffassung des Senats zum einen wegen der äußerst geringen Nachfrage nach Fahrausweisen, die über den Tarifbereich Berlin ABC hinausgehen, und zum anderen angesichts des zur Zeit durchgeführten Feldversuches für die Einführung des elektronischen Ticketing weder sachgerecht noch wirtschaftlich vertretbar.

Wir bitten, den Beschluss damit als erledigt anzusehen.