Absicherung des Trägers „Sonnenuhr"

„Der Senat wird aufgefordert, die Kulturprojekte des Trägers Sonnenuhr ab dem Jahr 2000 auf eine solide Finanzierungsgrundlage zu stellen. Zur Überbrückung der Finanzierungslücke, die durch das Auslaufen von ABM- und SAM-Finanzierungen in der zweiten Jahreshälfte 1999 für Sonnenuhr entsteht, stellt das Abgeordnetenhaus aus Kapitel 0100, Titel 971 01 (pauschale Mehrausgaben) bis zu 300 000 DM zur Verfügung."

Der Hauptausschuß hat in seiner 93. Sitzung vom 16. Juni 1999 die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur aufgefordert, darüber zu berichten, „wie die Förderung der Kulturprojekte des Trägers Sonnenuhr im Haushaltsplan 2000 berücksichtigt worden ist und wie sie gegebenenfalls gesichert werden soll, falls der Haushaltsplan 2000 zu Anfang des nächsten Jahres noch nicht beschlossen sein sollte."

Im Beschlussprotokoll zu der 1. Sitzung des Hauptausschusses vom 19. Januar 2000 ist festgehalten: „StS Dr. Lange (WissKult) sagt zu, rechtzeitig zur 1. Lesung des Einzelplans 17 (Hh2000) eine Konzeption zur Absicherung des Trägers Sonnenuhr e.V. vorzulegen und darzustellen, welches Modell die Stadt Hamburg zur Absicherung von Projekten entwickelt hat."

Hierzu wird berichtet:

Im Folgenden wird die vom Hamburger Senat praktizierte Förderung von Arbeitsplätzen für Menschen mit Behinderung im kulturellen Bereich erläutert. Wir weisen darauf hin, dass für die Förderung ausschließlich die Hamburger Senatsverwaltung für Arbeit, Gesundheit und Soziales zuständig ist. Die Hamburger Kulturbehörde ist nicht befasst.

Im „Bericht zur Entwicklung der sozialen und beruflichen Rehabilitation" der Freien und Hansestadt Hamburg, Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Hamburg 1999, wird dazu ausgeführt: „Im Rahmen der rehabilitationspolitischen Zielsetzung des Senats, und um heutigen Anforderungen an die Qualität beruflicher Rehabilitation und Integration Rechnung zu tragen, sind außer dem Fachdienst Hamburger Arbeitsassistenz kleine Arbeits- und vernetzte Integrationsprojekte verbunden mit individueller Arbeitsbegleitung geschaffen worden, zwei von ihnen als Modellprojekte teilfinanziert durch den Europäischen Sozialfonds (ESF) (...), die das vorhandene Angebot ergänzen.

Sie bieten solchen behinderten Menschen, die zwar leistungsfähig aber in einem so hohen Maße unangepaßt oder seelisch behindert sind, dass eine Beschäftigung in einer Werkstatt bereits einmal gescheitert ist oder die Betroffenen selbst eine Arbeit in einer Werkstatt ablehnen, individuell zugeschnittene Arbeitsmöglichkeiten und individuelle Arbeitsbegleitung zur Vermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt an. Zugrundegelegt wurden bezüglich der Aufnahmevoraussetzungen, der Entlohnung und des Rechtsverhältnisses dieselben Konditionen, die denjenigen der Werkstattmitarbeiterinnen und -mitarbeiter in Werkstätten für Behinderte entsprechen. Die für diese Projekte in Frage kommenden behinderten Menschen sind gem. § 2 Sozialgesetzbuch IV sozialversichert.

Die Strukturen und Konzeptionen der bestehenden Einrichtungen orientieren sich an den unterschiedlichen Anforderungen verschiedener Zielgruppen.

Für die Projektierung der individuellen Angebote bestehen folgende Grundsätze:

Zielgruppe sind prinzipiell werkstattfähige behinderte Menschen,

Zielsetzung ist deren Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt sowie die

Vernetzung mit bestehenden Einrichtungen.

Die Finanzierung dieser Projekte durch Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz ist grundsätzlich kostenneutral, da von den hier beschäftigten behinderten Menschen sonst Werkstattplätze in Anspruch genommen werden müssten bzw. erheblich höhere Kosten für tagesstrukturierende Betreuung entstünden." (S. 140)

In diesem Zusammenhang fördert die Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales der Freien und Hansestadt Hamburg seit 1993 „Die Schlumper" als Arbeitsprojekt. Träger ist der Verein „Freunde der Schlumper e. V." Zielgruppe des Arbeitsprojekts sind „Behinderte oder von Behinderung bedrohte, die wegen Art und Schwere ihrer Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig werden können, die zum Personenkreis der Behinderten nach § 39 BSHG gehören, in der Eingliederungshilfe ­ Verordnung zu § 47 BSHG genannt sind, und die Anspruch auf Leistungen nach den §§ 40, 41 BSHG haben, die aus unterschiedlichen Gründen in einer Werkstatt für Behinderte nicht arbeiten können oder wollen, aber dennoch in der Lage sind, eine verwertbare Arbeitsleistung zu erbringen, die künstlerisch begabt sind." (Freie und Hansestadt Hamburg: Leistungsbeschreibung Arbeitsprojekt Schlumper nach § 93 BSHG, Blatt 1) „Die Schlumper" sind eine Gruppe geistig behinderter Malerinnen und Maler, die seit ihrer Gründung im Jahre 1984 künstlerische Anerkennung über Hamburgs Grenzen hinaus gefunden haben. Der Name der Gruppe ist durch den Standort Am Schlump in Eimsbüttel entstanden. Die „Leistungsträger" dieser Gruppe, insgesamt 20, sind Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Arbeitsprojektes. „Bundesweit einmalig in dieser Form wird hier künstlerische Tätigkeit geistig behinderter Menschen als Arbeit anerkannt. Für die rund 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Arbeitsprojekt bedeutet dies, Kunst zu kreieren, die verkauft wird und deren Erlöse anteilig an sie zurückfließen." (Bericht zur Entwicklung der sozialen und beruflichen Rehabilitation, a. a. O., S. 142)

Inzwischen gibt es in Hamburg ein weiteres Arbeitsprojekt dieser Art, eine Theatergruppe mit dem Namen „Eisenhans".

In einem Schreiben an die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur Berlin vom 2. März 2000 teilt der zuständige Mitarbeiter der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales der Freien und Hansestadt Hamburg mit: „Wir streben für die Schlumper, aber auch für die anderen Arbeitsprojekte, ab 2000 die Integration in einen Werkstattverbund nach § 15 Werkstattverordnung bei Aufrechterhaltung möglichst großer Eigenständigkeit der Projekte an. Handlungsleitend ist dabei für uns, die Möglichkeit der Erstattung der Rentenbeiträge nach dem § 179 SGB VI und bei § 1 SGB VI die Versicherungspflicht nach § 1 Nr. 2 a) und nicht nach Nr. 2 b) SGB VI ausgestalten zu können, da die dort normierte 1/5 Leistungsfähigkeit eines voll erwerbsfähig Beschäftigten eine zu große Hemmschwelle darstellt. Ferner bietet der Rechtsrahmen Werkstatt ein breiteres Förderungsspektrum auch in Richtung von Leistungen nach dem SGB III. Ich möchte aber betonen, dass wir auch dann das Projekt die Schlumper weiter auf der Basis von § 41 BSHG als sonstige Beschäftigungsstätte fördern werden, wenn sich ein Werkstattverbund nicht herstellen lässt."

Der zuständige Mitarbeiter der Hamburger Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales ist gerne bereit, mündlich weitere Erläuterungen zu dem Fördermodell der Stadt Hamburg zu geben, wenn dies gewünscht wird.

Dazu nimmt die zuständige Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen wie folgt Stellung:

Entsprechend dieser tragenden Gedanken des „Hamburger Modells" strebt auch „Sonnenuhr" eine Förderung von Arbeitsplätzen für Menschen mit geistiger Behinderung analog einer anerkannten Werkstatt für Behinderte in einer Kunstwerkstatt, die Bestandteil eines Gesamtkonzeptes ist, an.

Vergleichend zum Hamburger Modell müssen wir aber einen wesentlichen Unterschied herausstellen:

Nach Aussage von „Sonnenuhr" ist die überwiegende Anzahl der Behinderten bereits in einer anerkannten Werkstatt für Behinderte (WfB) tätig. Ihr Anspruch auf Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben ist damit bereits erfüllt.

Das Angebot von „Sonnenuhr" wird quasi als Freizeitmaßnahme wahrgenommen.

Bei einer Förderung außerhalb einer Werkstattstruktur müsste das Land Berlin bei einem Vorgehen nach dem Hamburger Modell auch all jene Kosten sowohl im investiven Bereich, bei der laufenden Finanzierung als auch der individuellen Förderung übernehmen, für die bei anerkannten WfB andere Kostenträger oder Zuwendungsgeber als das Land Berlin in die Pflicht genommen werden können. Hierzu möchten wir einige Erläuterungen geben:

1. Die Leistungen für das Eingangsverfahren und das Arbeitstraining in anerkannten Werkstätten für Behinderte werden nicht vom Träger der Sozialhilfe, sondern von Trägern der beruflichen Rehabilitation, das sind in der Regel die Bundesanstalt für Arbeit, die Landesversicherungsanstalt oder die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, übernommen.

2. Nach dem SBG VI sind Behinderte in anerkannten WfB versicherungspflichtig in der Rentenversicherung. Die geleisteten Beiträge werden dabei aber vom Bund erstattet. (Durch die Versicherungspflicht und die geleisteten Beiträge erwerben die Behinderten Rentenansprüche. Der Bezug der Rente kann dazu führen, dass bisherige Leistungen des Sozialhilfeträgers entbehrlich werden und somit zu Entlastungen des Haushaltes des Landes führen können).

3. Für investive Maßnahmen wie z. B. Umbauten, Neubauten, Ausstattungen u. a. bei WfB können finanzielle Beteiligungen der Bundesanstalt für Arbeit und des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (Ausgleichsfonds) eingeworben werden. Diese betragen in der Regel fast die Hälfte der Gesamtkosten des Vorhabens. Auch können bei WfB finanzielle Mittel aus der Ausgleichsabgabe bei der Hauptfürsorgestelle in Anspruch genommen werden.

4. Bei Aufträgen (auch des Landes Berlin), die von WfB ausgeführt werden, können nach § 55 SchwbG 50 vom Hundert des auf die Arbeitsleistung entfallenden Rechnungsbetrages auf die Ausgleichsabgabe angerechnet werden.

Die dem Land Berlin aus dem Verzicht auf diese Finanzierung entstehenden Mehrausgaben wären weder mit den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit vereinbar noch würde der aktuellen Haushaltssituation des Landes Berlin Rechnung getragen.

Die Überlegung der Stadt Hamburg, das breite Förderspektrum einer anerkannten Werkstatt für Behinderte auch bei den „Schlumpern" anzustreben, ist als Ergebnis einer kritischen Wertung des „Hamburger Modells" zu verstehen. Damit nähert sich Hamburg unserer seit 1995 bestehenden Auffassung, „Künstlerische Projekte" in denen Behinderte tätig sind, in Werkstattstrukturen zu etablieren.

Nach dem Hamburger Modell vorzugehen würde zu erheblichen finanziellen Mehrbelastungen des Landes Berlin führen, da auf das breite Förderspektrum einer WfB verzichtet wird. Im Land Berlin kann auf Angebote zurückgegriffen werden, die auch unter Werkstatt-Bedingungen bereits künstlerisch-kreative Anforderungen beinhalten und seit Jahren erfolgreich praktiziert werden.

Die im Land Berlin gelungene Integration insbesondere des Theaterprojekts Thikwa in eine WfB, aber auch anderer künstlerisch-kreativer Angebote sprechen dafür, dass den individuellen (insbesondere künstlerischen) Fähigkeiten von Menschen mit Behinderungen auch unter Werkstattbedingungen Rechnung getragen werden kann.

Inzwischen hat auch „Sonnenuhr" wieder Kontakte zu einer anerkannten Werkstatt für Behinderte aufgenommen.

Folgende Materialien stehen Interessierten in der Bibliothek des Abgeordnetenhauses zur Verfügung:

- Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Der Ratgeber ­ Behinderungen, Integration, Rehabilitation. Hamburg 1998

- Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Lebenssituation behinderter Menschen in Hamburg. Bericht zur Entwicklung der sozialen und beruflichen Rehabilitation. Hamburg 1999

- Leistungsbeschreibung (gem. § 93 BSHG neu) für das Arbeitsprojekt „Schlumper"

- Vereinbarung zwischen der Sozialbehörde Hamburg und dem Verein „Freunde der Schlumper e. V." über Inhalt, Umfang und Qualität der Leistung. 1993

- Satzung des Vereins „Freunde der Schlumper"

- Muster eines Arbeitsprojektvertrags zwischen dem Verein „Freunde der Schlumper e. V." und einer/einem Beschäftigten

- „Schlumper von Beruf", Artikel aus „Die Tageszeitung" vom 29.