Aussetzung der Abschiebung und Bitte um Bleiberecht aus humanitären Gründen für Herrn E. M.

Der Petitionsausschuss hat die Eingabe nach § 7 Abs. 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe c des Petitionsgesetzes überwiesen.

Auf Grund der Empfehlung ist Folgendes veranlasst worden:

Die aufenthaltsrechtliche Angelegenheit des Herrn E. M. ist nochmals überprüft worden.

Der Empfehlung des Petitionsausschusses, ihm ein Bleiberecht bei seinen hier lebenden Eltern einzuräumen, kann aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden. Es bleibt daher bei der bestehenden Ausreiseverpflichtung.

Der tschechische Staatsangehörige E. M., geb. 23. Februar 1975, ist infolge eines angeborenen „grauen Stares" erblindet und schwerstbehindert. Er reiste am 2. Februar 1998 ohne Visum nach Deutschland ein, um hier bei seinen Eltern zu leben. Sein Vater besitzt als anerkannter Vertriebener die deutsche Staatsbürgerschaft und lebt seit vielen Jahren in Berlin, seine Mutter ist seit November 1997 im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung. Die Mutter ist seit ca. 1992 erblindet, der Vater ist ebenfalls auf Pflege angewiesen.

Die vom Sohn am 3. Februar 1998 beantragte Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung zum Familiennachzug wurde von der Ausländerbehörde mit Bescheid vom 11. August 1998 wegen Verletzung der Einreisebestimmungen abgelehnt und er wurde zur Ausreise aufgefordert. Ein Rechtsschutzantrag vor dem Verwaltungsgericht Berlin blieb ohne Erfolg. Das Gericht bestätigte in seinem Beschluss vom 20. Juli 1999 ausdrücklich unter Berücksichtigung des schweren Schicksals des Antragstellers die Versagung eines Aufenthaltsrechts und bewertete die Einhaltung des Sichtvermerksverfahrens als zumutbar. Damit ist rechtskräftig entschieden, dass Herr M. zur Ausreise verpflichtet ist (§ 55 Abs. 4 AuslG). Das Bundesverwaltungsamt lehnte am 25. November 1999 die Durchführung eines Aufnahmeverfahrens als Spätaussiedler ab.

Die rechtlichen Möglichkeiten einer Aufenthaltsgewährung sind wiederholt geprüft worden, von der gesetzlich zwingenden Einhaltung des Sichtvermerksverfahrens kann jedoch nicht abgesehen werden.

Herr M. ist nicht mit einem Visum zur Familienzusammenführung eingereist. Ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Rahmen des Familiennachzugs gemäß § 23

AuslG besteht nicht, weil er bereits volljährig ist. Eine nachträgliche Heilung des Sichtvermerksverstoßes kommt somit nicht in Betracht. Die Aufenthaltserlaubnis kann auch nicht gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 3 DVAuslG nachträglich eingeholt werden, weil die eine außergewöhnliche Härte begründenden Umstände nicht erst während des Aufenthaltes hier eingetreten sind.

Ein Familiennachzug zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte kann deshalb nur im Wege des Ermessens nach § 22

AuslG zugelassen werden. Härtefallbegründend sind danach solche Umstände, aus denen sich ergibt, dass entweder der im Bundesgebiet lebende oder der nachzugswillige Familienangehörige auf die familiäre Lebenshilfe angewiesen ist, die sich nur im Bundesgebiet erbringen lässt (z. B. infolge einer besonderen Betreuungsbedürftigkeit). Ob ein derartiger Härtefall vorliegt, wird im Rahmen eines Sichtvermerksverfahrens geprüft, das vor der Einreise bei der zuständigen deutschen Auslandsvertretung beantragt werden muss. In dem Verfahren würde geprüft werden, ob die Erblindung des Sohnes tatsächlich eine Betreuung durch die ebenfalls behinderten Eltern erforderlich macht und keine anderen Betreuungsmöglichkeiten durch Verwandte, Bekannte oder Fürsorgeeinrichtungen im Heimatland bestehen.

Bei der Anwendung des § 22 AuslG sind in jedem Fall jedoch die Regelversagungsgründe des § 7 Abs. 2 AuslG zu berücksichtigen. Danach muss u. a. der Lebensunterhalt gesichert und ausreichender Krankenversicherungsschutz vorhanden sein. An dieser Voraussetzung fehlt es. Die Familie bestreitet ihren Lebensunterhalt nicht nur vorübergehend aus Sozialhilfemitteln. Auf den Grund des Sozialhilfebezugs kommt es nicht an. Die Voraussetzungen für die Anwendung der allgemeinen Härtefallklausel nach § 30 Abs. 2 AuslG liegen wegen des Fehlens eines rechtmäßigen Aufenthalts ebenfalls nicht vor. Auch die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung einer Aufenthaltsbefugnis erfüllt Herr M. nicht. Weder ist er unanfechtbar ausreisepflichtig (§ 30 Abs. 3 AuslG) oder bereits seit mindestens zwei Jahren unanfechtbar ausreisepflichtig (§ 30 Abs. 4 AuslG) noch stehen seiner freiwilligen Ausreise und seiner Abschiebung Hindernisse entgegen, die er nicht zu vertreten hat.

Auch für die Duldung des weiteren Aufenthalts ist nichts ersichtlich. Der Erteilung einer (vorübergehenden) Duldung aus dringenden humanitären Gründen nach § 55 Abs. 3 AuslG steht § 55 Abs. 4 AuslG entgegen. Nach der o. a. Entscheidung des VG Berlin über die Rechtmäßigkeit der Abschiebung könnte eine Duldung nur erteilt werden, wenn die Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist oder nach § 54

AuslG ausgesetzt werden soll. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Die Augenerkrankung stellt auch kein Abschiebungshindernis wegen Reiseunfähigkeit dar.

An der Ausreiseverpflichtung des Herrn M. muss deshalb aus Rechtsgründen festgehalten werden. Die Ausreise ist ihm in Begleitung zuzumuten. Es steht ihm frei, im Heimatland einen entsprechenden Einreiseantrag zur Familienzusammenführung zu stellen.