Vollstreckungsbeschränkung

Hält der Schuldner die im Zusammenhang mit der Vollstreckungsbeschränkung getroffenen Vereinbarungen, wie z. B. Ratenzahlungen, nicht ein und lässt sich das Finanzamt immer wieder durch erneute Zahlungsversprechen hinhalten, erhöht sich die Gefahr, dass ursprünglich vorhandene Pfändungsmöglichkeiten durch das Finanzamt nicht mehr genutzt werden können und die Forderungen uneinbringlichwerden.

Bestehen bei Gewerbetreibenden keine Beitreibungsmöglichkeiten mehr oder versprechen die vereinbarten Ratenzahlungen in absehbarer Zeit keine Tilgung der Rückstände, sollte das Finanzamt gleichzeitig mit der Niederschlagung unverzüglich prüfen, ob ein Insolvenzverfahren beantragt werden soll. Es kann nicht hingenommen werden, dass uneinsichtige Schuldner durch zurückhaltende Maßnahmen der Vollstreckungsstellen ihre Rückstände nicht tilgen oder sogar weitere Rückstände verursachen. Die zu großzügige Gewährung von Vollstreckungsaufschub kann dazu führen, dass Unternehmen am Markt bleiben, die durch Nichtzahlung von Steuern den Wettbewerb verzerren. Solche Unternehmen und damit Steuerquellen und Arbeitsplätze sind nicht um jeden Preis zu erhalten.

Niederschlagung und Gewerbeuntersagungsverfahren:

- Um das Ansteigen von Steuerrückständen zu vermeiden, kann die Einleitung eines Gewerbeuntersagungsverfahrens in Betracht kommen. Die Ausübung eines stehenden Gewerbes ist von der nach Landesrecht zuständigen Dienststelle, in Bremen ist es das Stadtamt, ganz oder teilweise zu untersagen, wenn der Gewerbetreibende unzuverlässig ist (§ 35 Gewerbeordnung). Die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit kann u. a. auch aus steuerrechtlicher Unzuverlässigkeit hergeleitet werden. Für die Einleitung und Durchführung des Gewerbeuntersagungsverfahrens ist die zuständige Verwaltungsbehörde auf die Mitwirkung anderer Dienststellen, u. a. auch der Finanzämter, angewiesen. Einer Offenbarung steuerlicher Verhältnisse steht das Steuergeheimnis nicht entgegen, soweit ein zwingendes öffentliches Interesse besteht (§ 30 Abs. 4 Nr. 5 AO).

- Die Vollstreckungsstellen haben in der Vergangenheit nur zögerlich Gewerbeuntersagungsverfahren angeregt. Vollstreckungsschuldner konnten über Jahre hinaus ihr Gewerbe weiter ausüben, obwohl beizeiten für die Vollstreckungsstellen hätte erkennbar sein müssen, dass Rückstände nicht würden ausgeglichen werden können, sondern eher noch anwachsen würden. In diesem Zusammenhang ist es zu erheblichen Niederschlagungen gekommen.

Ging dagegen der Anstoß für die Einleitung eines Gewerbeuntersagungsverfahrens vom Stadtamt aus, haben die Vollstreckungsstellen die Anfragen über die steuerliche Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden nur zögerlich und zurückhaltend beantwortet. Im Ergebnis scheiterten durch das Verhalten der Vollstreckungsstellen Gewerbeuntersagungsverfahren. Außerdem benötigten die Verfahren einen nicht vertretbar hohen Zeitaufwand.

Niederschlagung wegen unzureichender rechtlicher Möglichkeiten der - Vollstreckungsschuldner versuchen immer wieder, sich dem Zugriff der Steuerbehörden durch Verlagerung ihres Vermögens bzw. ihrer Einkünfte und durch Flucht ins Ausland zu entziehen. Die Vollstreckungsstellen sind in diesen Fällen auf die Amtshilfe der ausländischen Finanzbehörden angewiesen.

Steuerforderungen können im Ausland nur dann eingezogen werden, wenn und soweit dies zwischenstaatlich vereinbart ist. Vereinbarungen bestehen in Form von Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und in Amts- und Rechtshilfeabkommen. Außer den völkerrechtlichen Vereinbarungen gilt im Verhältnis der EU-Staaten untereinander das EG-Beitreibungsgesetz. Dieses Gesetz hat die EGBeitreibungsrichtlinie vom 15. März 1976 i. d. F. der Änderungsrichtlinie vom 6. Dezember 1979 und die dazu ergangenen Ausführungsbestimmungen der EG-Kommission vom 4. November 1977 und vom 24. September 1986 in innerstaatliches Rechtumgesetzt.

Die EG-Beitreibungsrichtlinie bietet nur eine begrenzte Möglichkeit, Steuerschulden im Ausland beizutreiben. Sie bezieht sich neben Abgaben, die von Bundesfinanzbehörden verwaltet werden, nur noch auf die Umsatzsteuer einschließlich der Nebenleistungen. Die übrigen direkten Steuern, die von den Landesfinanzbehörden verwaltet werden, fallen nicht hierunter. Das führt dazu, dass Steuerforderungen, abgesehen von der Umsatzsteuer, innerhalb der EU nur auf der Grundlage von Doppelbesteuerungsabkommen oder von Amts- und Rechtshilfeabkommen realisiert werden können. Die meisten Abkommen lassen dies aber nicht zu.

Der Rechnungshof hat festgestellt, dass diese eingeschränkten Zugriffsmöglichkeiten von zahlreichen Steuerpflichtigen ausgenutzt werden. Er ist der Auffassung, dass die bestehenden vertraglichen und gesetzlichen Regelungen ergänzungsbedürftig sind.

Rechtzeitiges Eingreifen der Vollstreckungsstelle bei Auslandsaufenthalt:

- Der Flucht von Schuldnern und der Verlagerung des Vermögens in ein Land, in dem die Steuerrückstände nicht beigetrieben werden können, geht in der Regel eine längere Auseinandersetzung des Schuldners mit der Finanzverwaltung voraus. Das Vollstreckungsverfahren wird durch Anträge auf Fristverlängerung, durch Vollstreckungsaufschub, durch Einlegung von Rechtsbehelfen und durch weitere Maßnahmen immer wieder hinausgezögert. Diese Zeit nutzt der Schuldner, um sein Vermögen vor dem Zugriff des Fiskus zu sichern. Bei Stichproben hat der Rechnungshof in vier Fällen festgestellt, dass durch Vermögensverlagerungen ins Ausland Abgaben von insgesamt 6.927 TDM (Steuern einschl. Nebenleistungen) nicht vollstreckt werden konnten und niederzuschlagen waren. Trotz erkennbarer Anzeichen für eine Flucht der Schuldner ins Ausland wurde versäumt, die Steueransprüche rechtzeitig zu sichern.

Prüfungen vor Ablauf der Zahlungsverjährungsfrist:

- Die Vollstreckungsstellen haben die Niederschlagungen i. d. R. zu überwachen.

Insbesondere bei größeren Rückständen sind vor dem Eintritt der Verjährung die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Schuldners stichprobenweise zu prüfen, ggf. die Verjährung durch Maßnahmen zu unterbrechen und die Vollstrekkung fortzusetzen. Auf eine Überwachung kann verzichtet werden, sobald feststeht, dass mit einer künftigen Realisierung der Ansprüche mit Sicherheit nicht mehr zu rechnen ist (z. B. Nachlassinsolvenzverfahren oder aufgelöste Gesellschaft ohne Haftungsschuldner).

- Die Vollstreckungsstellen sind bei der Auswahl der zu überprüfenden Niederschlagungsfälle in der Vergangenheit unterschiedlich verfahren. Während sich die Mehrzahl der Vollstreckungsstellen auf stichprobenweise Prüfungen beschränkt hat, sind von der Zentralen Vollstreckungsstelle alle Überwachungsfälle vor Ablauf der Verjährungsfrist aufgegriffen worden. Dabei hat der Rechnungshof aber den Eindruck gewonnen, dass die Überprüfung nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erfolgte. Insbesondere war die Sachverhaltsermittlung nicht immer ausreichend.

3 Würdigung und Stellungnahme des Ressorts:

- In einem Teil der vom Rechnungshof untersuchten Fälle war es für die Vollstreckungsstellen von vornherein unmöglich, die Steuern erfolgreich beim Schuldner beizutreiben, insbesondere dann, wenn im Rahmen von Steuerstrafverfahren erhebliche nicht versteuerte Einnahmen festgestellt wurden und der Schuldner den Verbleib des Vermögens erfolgreich verschleiern konnte. Das gleiche gilt auch für die zahlreichen Konkurs- bzw. Insolvenzfälle, bei denen die negative wirtschaftliche Entwicklung eines Unternehmens innerhalb einer verhältnismäßig kurzen Zeit aus den verschiedensten Gründen zu einer Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit geführt haben, ohne dass die Vollstreckungsstellen mit Einziehungs- oder Sicherungsmaßnahmen rechtzeitig reagieren konnten. Andererseits hat der Rechnungshof bei seiner Prüfung Bearbeitungsmängel festgestellt. Er ist der Auffassung, dass die Qualität der Arbeit in den Vollstreckungsstellen verbesserungsbedürftigist.

Der Rechnungshof hält es für dringend geboten, die Zusammenarbeit der Vollstreckungsstellen mit den übrigen Stellen der Finanzverwaltung zu intensivieren. Die Sachgebietsleiter sollten künftig verstärkt darauf hinweisen, dass die Grundlagen für eine Niederschlagung sorgfältig zu ermitteln und sämtliche Informationsquellen auszuschöpfen sind. Ggf. sollte auch mit Betriebsprüfern und Steuerfahndern rechtzeitig Kontakt aufgenommen werden. Für die Bearbeitung des Steuerfalles bedeutsame Informationen über die in dem jeweiligen Verfahren erlangten Erkenntnisse sollten regelmäßig ausgetauscht werden.

Auch Erkenntnisse aus Vermögensverzeichnissen sind effektiver zu nutzen. In Fällen, in denen Zweifel daran bestehen, dass das vorgelegte Vermögensverzeichnis vollständig und wahrheitsgemäß ist, sollten die Vollstreckungsstellen die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verlangen. Die nicht nur strafbewehrte, sondern auch mit einer Eintragung in das beim Amtsgericht geführte Schuldnerverzeichnis verbundene eidesstattliche Versicherung ist in diesen Fällen das angemessene Mittel zur Aufdeckung zuvor eventuell verborgen gebliebener Vermögenswerte des Vollstreckungsschuldners und kann zur Vermeidung ungerechtfertigter Niederschlagungen führen. Selbst wenn man unterstellt, dass der Schuldner eine strafrechtliche Verfolgung nicht fürchtet, da er glaubt, seine Vermögenswerte oder Einkünfte sicher verborgen zu haben, kann allein die Vorladung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung dazu führen, dass er seine Angaben korrigiert und zur Zahlung bereit ist. Die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis wirkt sich nämlich negativ auf die Kreditwürdigkeit und das geschäftliche Ansehen des Schuldners aus. Der Rechnungshof erwartet von den Mitarbeitern, dass sie zukünftig Vermögensverzeichnisse zeitnah anfordern, darin gemachte Angaben nicht kritiklos akzeptieren, sondern diese mit vorhandenen Erkenntnisquellen konsequent abgleichen.

Der Rechnungshof hat u. a. anlässlich von Gesprächen mit den Mitarbeitern der Vollstreckungsstellen festgestellt, dass diesen die Bedeutung eines umfassenden Informationsflusses nicht hinreichend bewusst ist. Er hält es für erforderlich, entsprechende Fortbildungsveranstaltungen durchzuführen. Dabei sollte den betroffenen Mitarbeitern ggf. anhand praktischer Beispiele die Bedeutung einer funktionierende Kooperation nahe gebracht werden.

Der Rechnungshof erwartet, dass die Vollstreckungsstellen zukünftig frühzeitiger als bisher alle Möglichkeiten nutzen, um Forderungen zu sichern. Dazu gehört, dass Vollstreckungsaufschub oder Vollstreckungsbeschränkung in der Regel nur gegen entsprechende Sicherheiten eingeräumt wird. Werden Zahlungsvereinbarungen nicht eingehalten, ist der Aufschub zu widerrufen, und bereits gegebene Sicherheiten sind zu verwerten.

Die Vollstreckungsstellen sollten ­ eher als bisher geschehen ­ von sich aus die Einleitung von Insolvenz- bzw. Gewerbeuntersagungsverfahren anregen und die zuständige Verwaltungsbehörde bei laufenden Untersagungsverfahren wirksamer unterstützen.

Die Finanzverwaltung darf die Versuche der Schuldner, ihr Vermögen ins Ausland zu verlagern, nicht hinnehmen, sondern hat stärker als bisher mit allen ihr abgabenrechtlich zur Verfügung stehenden Mitteln die Steuerforderungen einzuziehen. Hat der Schuldner die erkennbare Absicht, sich ins Ausland abzusetzen, kann die Vollstreckungsstelle in geeigneten Fällen die Passbehörde darüber informieren und anregen, dass ein passrechtliches Verfahren eingeleitet wird. Dadurch kann z. B. die Ausreise des Schuldners in ein Land, für das die Vorlage eines Passes erforderlich ist, verhindert oder die Rückkehr ins Inland veranlasst werden. Der Rechnungshof hat gebeten, die Mitarbeiter auf die Möglichkeiten des passrechtlichen Verfahrens hinzuweisen.

Der Bundesrechnungshof hat sich bereits im Jahr 1995 mit der Problematik der zwischenstaatlichen Amtshilfe im Steuererhebungsverfahren auseinandergesetzt.

Der Rechnungshof unterstützt den Vorschlag des Bundesrechnungshofs, unabhängig von einer auf europäischer Ebene anzustrebenden gemeinsamen Lösung eine Regelung über die gegenseitige Amtshilfe in Beitreibungsangelegenheiten in das OECD-Musterabkommen aufzunehmen.

Der Rechnungshof hält die Regelung, Prüfungen vor dem Eintritt der Verjährung der Steueransprüche auf Stichproben zu begrenzen, aus arbeitsökonomischen Gründen für sinnvoll und im Allgemeinen für ausreichend. Ausgenommen von der Stichprobenregelung sollten jedoch Großrückstände sein. In diesen Fällen sollten in jedem Fall vor Eintritt der Verjährung die Einkommens- und Vermögensverhältnisse überprüft werden. Bei Schuldnern, die sich dem Zugriff der deutschen Steuerbehörden durch Flucht ins Ausland entzogen haben, sollten Niederschlagungen grundsätzlich überwacht werden. Vor Ablauf der Zahlungsverjährungsfrist sollten sie überprüft werden, weil nicht auszuschließen ist, dass Steuerschuldner in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehren.