Jugendhilfeleistungen an die Berufsberatung des Arbeitsamtes

Beim Jugendamt Schöneberg wurde der Bruder unter Hinweis auf die Nachrangigkeit von Jugendhilfeleistungen an die Berufsberatung des Arbeitsamtes verwiesen. Dort bot man ihm ein Vorbereitungsjahr als Maler an, konnte ihm allerdings einen entsprechenden Ausbildungsplatz nicht zusagen. Inzwischen hatte jedoch ein Augenarzt bei dem Jugendlichen eine Farbschwäche diagnostiziert, sodass eine Berufsausbildung zum Maler ohnehin nicht mehr in Betracht kam. Daraufhin bot ihm das Arbeitsamt ein Schnupperjahr im Bildungswerk Neukölln an, konnte ihm aber nicht sagen, wie es danach weitergehen würde. Zu dem Angebot des Werkhofes Zehlendorf, das nach wie vor bestand, verwies der Sachbearbeiter des Arbeitsamtes an das Jugendamt Schöneberg, das „grünes Licht" geben müsse. Eine erneute Vorsprache beim Jugendamt verlief jedoch wiederum enttäuschend.

Dort war man der Auffassung, das Arbeitsamt müsse ebenfalls zustimmen und außerdem sei die Ausbildung zu teuer.

Um dem jungen Mann ein weiteres Hin und Her zwischen den Behörden zu ersparen und ihm die Chance für einen baldigen Start in das Berufsleben entsprechend seinen Wünschen nicht zu verbauen, bat der Ausschuss das Jugendamt Schöneberg, sich doch selbst mit dem Arbeitsamt in Verbindung zu setzen und das verständliche Anliegen zufrieden stellend zu lösen. Das Jugendamt ist dieser Anregung gefolgt und hat dann nach Rücksprache mit dem Arbeitsamt Südwest entschieden, im vorliegenden Fall einen Anspruch auf Jugendhilfe anzuerkennen. Der Bruder der Petentin konnte dadurch noch im September 2000 den einjährigen Berufsvorbereitungslehrgang zum Stukkateur im Werkhof Zehlendorf beginnen, worüber sich der Ausschuss sehr freute.

Behindertenfreundliche Entscheidungen über Ferienbetreuung

Besonders behindertenfreundlich zeigten sich zwei Berliner Sozialämter. Die Väter von zwei jungen behinderten Erwachsenen wandten sich hilfesuchend an den Petitionsausschuss, da die Sozialämter die Anträge ihrer Söhne auf Beihilfen zu den Kosten für eine Ferienbetreuungsmaßnahme bzw. eine sozialpädagogische Gruppenreise für Behinderte abgelehnt hatten.

Maßnahmen der örtlichen Ferienbetreuung für Schüler mit einer körperlichen oder geistigen Behinderung gehören zur Eingliederungshilfe für Behinderte nach dem Bundessozialhilfegesetz. Volljährige, unverheiratete, behinderte Hilfesuchende sind jedoch verpflichtet, sich an den Kosten im zumutbaren Umfang zu beteiligen. Hierzu sind auch die gegenüber Sozialhilfeleistungen vorrangig in Anspruch zu nehmenden Leistungen nach dem Pflegeversicherungsgesetz einzusetzen, das die Durchführung von Kurzzeitpflege ausdrücklich vorsieht. Auf Grund der eindeutigen gesetzlichen Vorgaben lehnte das mit Einsetzen der Volljährigkeit des Betroffenen zuständige Sozialamt den Antrag ab, während das bis zur Volljährigkeit zuständige Jugendamt die Leistungen auf Grund günstigerer gesetzlicher Bestimmungen für Minderjährige immer gewährt hatte.

Nach Eingang der Eingabe und auf Empfehlung der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen entschied das Sozialamt vornehmlich aus pragmatischen Gründen unter Hintanstellung möglicher rechtlicher Bedenken zur Freude des Ausschusses, die offenen Kosten doch noch einmal zu übernehmen. Das Sozialamt verwies aber gleichzeitig darauf, dass aus dieser Entscheidung keine Verpflichtung zur entsprechenden Leistungsgewährung für die Zukunft erwachsen kann. Hierfür sind von dem jungen Mann dann vorrangig die Leistungen nach dem Pflegeversicherungsgesetz in Anspruch zu nehmen.

Im Rahmen der Eingliederungshilfe für Behinderte nach dem Bundessozialhilfegesetz können die Kosten für sozialpädagogische Gruppenreisen übernommen werden, wenn behinderte Erwachsene nicht sozialpädagogisch in Wohneinrichtungen und/oder tagesstrukturierten Einrichtungen betreut werden. Dies trifft zum Beispiel für Besucher von Werkstätten für Behinderte zu, die daneben keine der vorher genannten Einrichtungen besuchen. Behinderte, welche sich nur im häuslichen Bereich aufhalten und keine Eingliederungsmaßnahmen erhalten, sind ebenfalls berechtigt, auf Kosten des Sozialamtes an sozialpädagogischen Reisen teilzunehmen.

Da der Sohn des Petenten eine Fördergruppe besuchte, bei der es sich um eine tagesstrukturierte Einrichtung handelt, konnte das Sozialamt auf Grund der eindeutigen gesetzlichen Bestimmungen, die ihm auch kein Ermessen einräumen, keine positive Entscheidung treffen. Es nahm die Petition aber zum Anlass, zu prüfen, ob besondere Haushaltsmittel aus Zuwendungen der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin für soziale Grenz- und Härtefälle gewährt werden können. Die Prüfung endete begrüßenswerterweise mit einem positiven Ergebnis, sodass die Finanzierung und somit die Teilnahme des Sohnes des Petenten an der Reise auch in diesem Fall doch noch gesichert werden konnte.

4.10 Fragwürdige Entlastung der Verwaltung durch Rechtsanwälte

Einer völlig unerwarteten Gebührenforderung sah sich eine Petentin ausgesetzt, die bei einem Autounfall eine Straßenlaterne leicht beschädigt hatte. Die Petentin hatte sich völlig korrekt verhalten, indem sie selbst die Polizei herbeigerufen hatte. In der Folge meldete sich ein von der damaligen Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen beauftragtes Rechtsanwaltsbüro und machte Aufwendungen für die Behebung des Schadens in Höhe von 158,73 DM geltend. Nachdem die Petentin das Geld kurzfristig überwiesen hatte, erhielt sie ein weiteres Schreiben dieser Anwaltssozietät, mit der diese für ihre Bemühungen eine Gebühr in Höhe von 50,11 DM in Rechnung stellte.

Die vom Petitionsausschuss unter Hinweis auf die nicht notwendige Einschaltung der Rechtsanwälte um Stellungnahme gebetene Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gab zu, dass sie sich generell bei Schadensfällen dieser Art des Anwaltsbüros bedient, und verteidigte dieses Vorgehen damit, dass dem Land Berlin damit Kosten für das andernfalls erforderliche Personal erspart würden. Demgegenüber war der Petitionsausschuss der Auffassung, dass es in diesem Fall keine Rechtsgrundlage für die Geltendmachung der Rechtsanwaltskosten gegenüber der Petentin gab. Er wies die Senatsverwaltung auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs hin, wonach in einem einfach gelagerten Schadensfall für die erstmalige Geltendmachung des Anspruchs gegenüber dem Schädiger die Einschaltung eines Rechtsanwaltes grundsätzlich nicht erforderlich ist und die dadurch entstehenden Kosten nicht vom Schädiger zu ersetzen sind. Es handelte sich hier weder um einen schwierig gelagerten Fall noch war bereits zuvor vergeblich versucht worden, die Petentin zu einer Regulierung des Schadens zu veranlassen. Nach Ansicht des Ausschusses waren die Kosten für die somit entbehrliche Einschaltung der Rechtsanwälte nicht von der Petentin zu ersetzen. Auch wenn sich die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bei ihrer erneuten Prüfung nicht ausdrücklich auf die Argumentation des Ausschusses eingelassen hat, war sie dennoch bereit, in diesem Einzelfall auf die Forderung der Anwaltskosten zu verzichten.

4.11 Unterschrift des verschollenen Ehegatten für Steuerfreistellung gefordert Jedem Steuerpflichtigen steht ein Sparer-Freibetrag für Zinseinkünfte zu. Ehegatten, die zusammenveranlagt werden, erhalten einen gemeinsamen Sparer-Freibetrag, der mit 6 000 DM doppelt so hoch ist wie der für einzeln Veranlagte geltende Freibetrag. In gleicher Höhe kann bei den Banken eine Freistellung vom Steuerabzug auf Kapitalerträge beantragt werden.

Eine alte Dame hatte deswegen Schwierigkeiten bei der Berliner Sparkasse ­ einer Abteilung der Landesbank Berlin ­ und ersuchte deshalb den Petitionsausschuss, darauf hinzuwirken, dass ihr als Kriegshinterbliebene eine Steuerfreistellung für Zinseinkünfte in Höhe von 6 000 DM erteilt wird. Sie berichtete, sie habe ihren seit 1945 als vermisst geltenden Ehemann nicht für tot erklären lassen und gelte deshalb weiterhin als verheiratet. Bis 1991 sei sie dementsprechend mit ihrem Mann gemeinsam steuerlich veranlagt worden.

Welche Personen Ehegatten sind und unter welchen Voraussetzungen sie zusammen veranlagt werden, richtet sich nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch und nach dem Einkommensteuergesetz. Danach müssen die Partner miteinander verheiratet und beide unbeschränkt steuerpflichtig seien, das heißt, grundsätzlich im Inland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben und sie dürfen nicht dauernd getrennt leben. Nach den steuerrechtlichen Regelungen gilt auch ein Steuerpflichtiger, dessen Ehegatte verschollen oder vermisst und nicht für tot erklärt worden ist, als verheiratet und nicht dauernd getrennt lebend.

Außerdem kann bei Kriegsgefangenen und Verschollenen davon ausgegangen werden, dass sie vor Eintritt der Kriegsgefangenschaft oder Verschollenheit einen Wohnsitz im Inland gehabt haben. Deshalb kann, wie die Senatsverwaltung für Finanzen dem Petitionsausschuss bestätigte, auch in diesen Fällen der gemeinsame Sparer-Freibetrag gewährt werden.

Der Petitionsausschuss informierte die Landesbank Berlin über die Rechtslage. Dennoch wollte diese ihr Verfahren zunächst nicht ändern und verwies darauf, Kreditinstitute müssten nach den vom Bundesfinanzministerium vorgegebenen Regelungen darauf achten, dass der Freistellungsantrag bei Ehepaaren von beiden Ehepartnern unterzeichnet ist. Da der Bank nur ein Ehegattenfreistellungsauftrag mit einer Unterschrift vorliege, sei kein gültiger Freistellungsauftrag gestellt worden.

Der Petitionsausschuss bat die Senatsverwaltung für Finanzen erneut um Stellungnahme. Diese teilte daraufhin mit, der vorliegende Fall (Ehegatte verschollen und nicht für tot erklärt) sei hinsichtlich der Unterschrift des anderen Ehegatten auf dem Freistellungsauftrag vergleichbar mit den Fällen, in denen der andere Ehegatte aus den verschiedensten Gründen zu einer Unterschriftsleistung nicht in der Lage sei. So sei z. B. der verwitwete Steuerpflichtige im Jahr des Todes des Ehegatten berechtigt, einen Freistellungsauftrag über den ihm noch zustehenden gemeinsamen Sparer-Freibetrag und den doppelten Werbungskostenpauschbetrag allein zu erteilen. Dann seien anstelle der Unterschrift des verstorbenen Ehegatten Vorname, Name und Todestag des Verstorbenen einzutragen. Entsprechend würden auch Fälle behandelt, in denen der andere Ehegatte z. B. wegen schwerer Krankheit an der Unterschriftsleistung gehindert sei.

Die Kreditinstitute dürften in diesen Ausnahmefällen einen gemeinsamen Freistellungsauftrag auch ohne die Unterschrift des anderen Ehegatten anerkennen. Somit könne die Landesbank Berlin einen Freistellungsauftrag in Höhe des für Ehegatten zulässigen Sparerfreibetrags von 6 000 DM plus Werbungskostenpauschbetrag in Höhe von 200 DM durchaus akzeptieren, wenn die Petentin Name und Vorname ihres Ehegatten angebe und den Nachweis erbringe, dass ihr Ehemann verschollen und nicht für tot erklärt worden sei.

Die Landesbank Berlin wollte immer noch nicht einlenken und erklärte, es sei für die Bank unerlässlich, dass die Senatsverwaltung für Finanzen ein entsprechendes Schreiben unmittelbar an die Landesbank Berlin sende. Erst dann könne der Ehegattenfreistellungsantrag der Petentin auch ohne Unterschrift des verschollenen Ehegatten in der Filiale entgegengenommen werden.

Dieser Bitte ist die Senatsverwaltung für Finanzen nachgekommen und der Petitionsausschuss konnte die Beratungen zu dieser Eingabe nach langem Hin und Her endlich mit einem positiven Ergebnis abschließen.

Allerdings hat es den Ausschuss sehr verwundert, dass bürokratische Hemmnisse bei einer Bank mitunter größer sein können als in der Berliner Verwaltung.

4.12 Große Fische ­ kleine Fische Angeln ist ein weit verbreitetes Freizeitvergnügen, und bei dem vorhandenen Bestand von verschiedenen Fischarten wie Plötze, Barsch und Zander in Berliner Gewässern ist es daher nicht verwunderlich, dass auch viele Berlinerinnen und Berliner diesem Hobby nachgehen. Nicht zuletzt deshalb wird besonderer Wert auf eine qualifizierte Ausbildung der Angler gelegt, um das ökologische Bewusstsein zu stärken und ihnen die notwendige Sachkunde für die Behandlung ihres Fanges abzuverlangen. Aus diesem Grund sah das im April 1995 verabschiedete Landesfischereischeingesetz unter anderem vor, dass Angler, auch wenn sie bei In-Kraft-Treten des Gesetzes bereits über einen Fischereischein verfügten, die Anglerprüfung innerhalb einer Übergangsfrist von fünf Jahren abzulegen hätten. Welche Probleme sich durch eine solche Regelung im Einzelfall ergeben können, zeigt das folgende Beispiel:

Im Oktober 1999 wandte sich ein Berliner Bürger an den Petitionsausschuss. Er sei passionierter Angler und habe bereits vor über 30 Jahren die Fischereiprüfung im Rheinland abgelegt und dieses Hobby seitdem regelmäßig ausgeübt. Der 1990 in seinem damaligen Wohnort im Bundesland Hessen ausgestellte Fischereischein werde nach nunmehr 10 Jahren Gültigkeit in Kürze ablaufen; er habe sich deshalb an das Fischereiamt Berlin mit der Bitte gewandt, diese Erlaubnis umzuschreiben beziehungsweise zu verlängern.

Zu seinem großen Erstaunen hatte ihn das Fischereiamt entsprechend der bestehenden Rechtslage aufgefordert, seine originalen Unterlagen über die seinerzeit abgelegte Prüfung vorzulegen oder, falls dies nicht möglich sei, die erforderliche Sachkunde durch das Ablegen der Anglerprüfung in Berlin unter Beweis zu stellen.

Damit war der Petent nicht einverstanden. Er legte dar, nach mehreren Umzügen und zuletzt einem Wohnungsbrand im Mai 1999 nicht mehr über die Originalunterlagen über die vor so vielen Jahren bestandene Fischereiprüfung zu verfügen. Ermittlungen bei der Gemeinde, in der er seinerzeit die Prüfung abgelegt hatte, hielt der Petent für aussichtslos, denn diese hatte in der Zwischenzeit dreimal den Verwaltungsbezirk gewechselt, was erfahrungsgemäß das Auffinden archivierter Unterlagen nicht immer erleichtert. In dieser Situation wandte er sich an den Petitionsausschuss und bat um Unterstützung.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, der die Aufsicht über das Fischereiamt obliegt, schaffte auf die Nachfrage des Ausschusses prompt Abhilfe. Da der 1990 ausgestellte Fischereischein, so die Senatsverwaltung in ihrer Stellungnahme, nur habe erteilt werden können, weil der hessischen Behörde ein noch gültiger Inlandfischereischein beziehungsweise der Nachweis über das Ablegen einer Fischereiprüfung vorgelegen habe, sei davon auszugehen, dass der Petent die geforderte fischereiliche Sachkunde bei dieser Gelegenheit nachgewiesen hatte. Aus diesem Grund entschied die Senatsverwaltung, ihm den Fischereischein ohne die zunächst geforderte Vorlage eines Anglerprüfungszeugnisses zu erteilen.

Darüber hinaus hat die Senatsverwaltung in ihrer Stellungnahme deutlich gemacht, dass es sich bei der nach dem Gesetz nachzuholenden Anglerprüfung um eine in der Praxis kaum zu bewältigende Vorgabe handelt; aus organisatorischen Gründen erschien es nicht durchführbar, alle 19 000 alterfahrenen Angler in Berlin in dem vorgesehenen Zeitraum dieser Prüfung zu unterziehen. Die Senatsverwaltung nahm deshalb auch die vorliegende Petition zum Anlass, sich für eine Änderung des Landesfischereischeingesetzes mit dem Ziel einzusetzen, auf das Ablegen der im Gesetz geforderten Prüfung für erfahrene und langjährige Angler zu verzichten. Inzwischen ist das Gesetz über den Fischereischein entsprechend angepasst worden; von der Anglerprüfung ist nunmehr unter anderem befreit, wer nachweisen kann, einen Fischereischein bereits vor dem 30. April 1995 besessen zu haben. In diesen Fällen wird nämlich davon ausgegangen, dass der Erwerb eines derartigen Fischereischeines mit der Vorlage eines Anglerprüfungszeugnisses oder einem geeigneten Sachkundenachweis verbunden gewesen ist. Damit wurde nicht nur für den Petenten selbst, sondern auch für viele andere Angler eine vertretbare und praxisgerechte Regelung geschaffen.

4.13 Eine Straße verändert sich

Eine lebendige Stadt wie Berlin verändert kontinuierlich ihr Erscheinungsbild. Diese Entwicklung ist nicht nur auf so markante touristische Anziehungspunkte wie den Potsdamer Platz oder das Gebiet um den Kollwitzplatz beschränkt, sondern vollzieht sich auch an vielen anderen Stellen im Stadtgebiet. Welche Auswirkungen dieser Wandel zum Teil für die dort wohnenden Anwohner mit sich bringt, beschreibt der folgende Fall.

Ein Bewohner der Simon-Dach-Straße in Berlin-Friedrichshain berichtete dem Ausschuss, er sei bereits im Jahre1991 dorthin gezogen, weil ihm die in dieser Straße herrschende Beschaulichkeit und das besondere Fluidum dort sehr zugesagt hätten. Auch als sich nach und nach die ersten Kneipen und Gaststätten in der Straße angesiedelt und gut angenommen worden seien, habe er dies durchaus als Bereicherung empfunden. Inzwischen sei jedoch die Anzahl der Gaststätten erheblich angestiegen; in „seinem" Straßenabschnitt seien mittlerweile 14 gastronomische Einrichtungen hinzugekommen, die jeweils gut besucht seien. Da die Wirte zusätzlich den vor der Gaststätte gelegenen Bürgersteig mit Erlaubnis des Bezirksamtes als Schankvorgarten nutzten, blieben Störungen für die Anwohner nicht aus: In den Nachtstunden sorgten lärmende Gäste und der zunehmende Autoverkehr für Verdruss. Die intensive Nutzung der Gehwegflächen durch die Schankvorgärten bereite dem Petenten auch unmittelbar Probleme. Denn für ihn, der in den letzten Jahren sein Augenlicht nahezu vollständig verloren habe, sei es praktisch nicht mehr möglich, sich seinen Weg um die dicht an dicht aufgestellten Tische und Bänke herum zu bahnen. Er bat deshalb den Petitionsausschuss, sich dafür einzusetzen, die Situation für die Anwohner zu entspannen und den Umfang der genehmigten Schankvorgärten soweit zu reduzieren, dass Fußgängern ­ und insbesondere Behinderten ­ ein ungehindertes Passieren des Gehsteiges möglich wird.

Der vom Petitionsausschuss eingeschaltete Bezirksbürgermeister von Berlin-Friedrichshain bestätigte, dass sich die SimonDach-Straße zu einem für junge Menschen beliebten Treffpunkt entwickelt hat und die „Kneipenszene" dort durch ihre Vielfalt einen touristischen Anziehungspunkt darstellt. Gleichzeitig hat er eingeräumt, dass diese Entwicklung und die neue Situation sicherlich für viele Anwohner eine Umstellung bedeutet, und dem Ausschuss von seinen Bemühungen berichtet, bei der Genehmigungspraxis der Schankvorgärten einerseits den Bedürfnissen der Anwohner und andererseits den Interessen der Gastwirte und der Gäste gerecht zu werden. Hierzu hatte er bereits 1999 ­ vor dem Hintergrund von ähnlichen Beschwerden, die ihn zu diesem Zeitpunkt erreicht hatten ­ Anwohner und Gastwirte eingeladen, die Problematik gemeinsam zu erörtern und einen für alle Beteiligten akzeptablen Kompromiss zu entwickeln. Im Ergebnis wies der Bezirksbürgermeister darauf hin, dass auf Grund der Beschwerden die für den Betrieb der Schankvorgärten geltenden Sperrzeiten vom Bezirksamt permanent überprüft würden; Verstöße hätten sich dabei in der Vergangenheit nicht ergeben. Außerdem seien die Gastwirte aufgefordert worden, die Flächenbegrenzung für die genehmigte Sondernutzung unbedingt einzuhalten und eine Gehwegbreite von mindestens 2,50 m während der gesamten Öffnungszeiten der Gaststätten für Passanten freizuhalten. Die Einhaltung dieser Auflage werde vom zuständigen Tiefbauamt ebenfalls regelmäßig kontrolliert; zusätzliche Genehmigungen für Schankvorgärten könnten auf Grund der örtlichen Gegebenheiten nicht in Aussicht gestellt werden.

Bei seinen Beratungen hat der Petitionsausschuss nachvollziehen können, dass es für Anwohner eine Belastung darstellt, wenn eine zuvor ruhige Wohngegend sich nach und nach zu einem kulturellen Treffpunkt entwickelt und insoweit eine veränderte Nutzungs- und Wohnsituation besteht. Allerdings lassen sich solche Entwicklungen in einer lebendigen Stadt nicht unterdrücken oder verhindern, was auch nicht beabsichtigt ist. Vielmehr kommt es nach Auffassung des Ausschusses darauf an, gemeinsam mit den Beteiligten Lösungen zu entwickeln, die ein gedeihliches Miteinander trotz der veränderten Situation ermöglichen. Der Bezirksbürgermeister hat dies in vorbildlicher Weise getan, als er auf Grund der Beschwerden einen „Runden Tisch" initiiert und gleichzeitig dafür Sorge getragen hat, dass das Bezirksamt die den Gaststättenbetreibern erteilten Auflagen permanent kontrolliert. Daher gab es für den Ausschuss keine Beanstandungen; mit einer ausführlichen Antwort an den Petenten konnte er die Beratungen zu dieser Eingabe abschließen.

4.14 Hilfe für das Hängebauchschwein Pit und andere Bewohner des Schulzoos

Beim Petitionsausschuss waren 25 Eingaben von Schülerinnen und Schülern der Grundschule im Grünen anhängig, die sich alle mit individuellen Schreiben und Zeichnungen sehr eindrucksvoll für den Erhalt des Schulzoos und der Umweltbibliothek ihrer Schule eingesetzt hatten. Auffällig war in den meisten Eingaben das große Interesse an den Tieren des Schulzoos, insbesondere am Hängebauchschwein Pit, das wohl noch nicht so lange zum Schulzoo gehört. Um dessen Zukunft waren die Kinder besonders besorgt und befürchteten, dass es zum Schlachter muss, wenn der Zoo nicht mehr fortgeführt werden kann. Und das nur, weil das Bezirksamt Hohenschönhausen sich außer Stande sieht, weiterhin Personal zur Verfügung zu stellen, das bisher im Rahmen einer Strukturanpassungsmaßnahme (SAM) beschäftigt war und sich (gemeinsam mit den Kindern) um die Pflege und Versorgung der Tiere sowie um die Schulbibliothek kümmerte.

Die Zuschüsse der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen für diese Strukturanpassungsmaßnahme waren nämlich

­ Sparzwängen folgend ­ gestrichen worden.

Den Ausschuss hat das Engagement der Kinder, vor allem ihr Verantwortungsgefühl für die Tiere sehr beeindruckt. Da ihn die vorgetragenen Argumente überzeugt haben und er die mit den Eingaben verbundenen Erwartungen nicht enttäuschen mochte, hat er das Bezirksamt Hohenschönhausen gebeten, alles in seinen Kräften Stehende zu veranlassen, damit der Schulzoo und die Bibliothek der Grundschule im Grünen in bewährter Form weiter betrieben werden können. Der Ausschuss hat u. a. vorgeschlagen, Personal im Rahmen von gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit hierfür abzustellen, also z. B. Sozialhilfeempfänger einzusetzen, die sich dadurch ein kleines Zubrot zu ihrer Sozialhilfe verdienen könnten.

Der Bezirksbürgermeister von Lichtenberg-Hohenschönhausen hat dem Ausschuss hierauf inzwischen geantwortet, der Bezirk habe gemeinsam mit dem Schulverein doch noch erreicht, dass wieder zwei SAM-Stellen für den Zeitraum vom 15. Dezember 2000 bis zum 15. Dezember 2001 bewilligt wurden, weil sie durch Spenden mitfinanziert werden. Darüber hinaus werde sich der Bezirk gemeinsam mit dem Verein und weiteren Sponsoren bemühen, auch über den Dezember 2001 hinaus dieses wichtige Projekt für die Umwelterziehung an der Grundschule im Grünen zu erhalten. Der Einsatz der Kinder für ihren Schulzoo und ihre Umweltbibliothek war somit erfolgreich, und Pit muss nicht den Weg zum Schlachter antreten.

5 Arbeitssplitter ­ oder was den Petitionsausschuss sonst noch beschäftigte

- Regelmäßige Reinigungen in den Umkleidekabinen eines Schwimmbades sind unverzichtbar. Allerdings beklagte sich ein männlicher Badegast darüber, dass dafür häufig älteres weibliches Personal eingesetzt werde. Grund dafür ist nach Auskunft der Berliner Bäder-Betriebe (BBB) die Tatsache, dass Frauen diese Reinigungsarbeiten erfahrener und sorgfältiger ausführen als Männer und dass es wesentlich häufiger Beschwerden von Frauen gibt, wenn Männer die Frauenräume reinigen. Im Übrigen, so die BBB, wird das Personal angehalten, die Reinigung mit großen Fingerspitzengefühl durchzuführen.

- Nicht immer sind es die Kirschen in Nachbars Garten, die die Aufmerksamkeit erregen. In einem Fall befürchtete ein Hausbesitzer, der auf dem Nachbargrundstück stehende Baum könnte bei Sturm abknicken und sein Haus beschädigen. Er plädierte in einem ausführlich begründeten und umfangreichen Schreiben dafür, auch ihm als Nachbarn die Möglichkeit einzuräumen, für diesen Baum einen Antrag auf Fällung nach der Baumschutzverordnung zu stellen. Eine telefonische Nachfrage bei der zuständigen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hätte hier jedoch schon für Klarheit gesorgt: eine solche Möglichkeit besteht ­ wenn auch nur unter bestimmten Voraussetzungen ­ bereits jetzt.

- Eine Geschäftsidee gegen den Durst der Besucher des Reichstagsgebäudes präsentierte ein Petent mit seinem Vorschlag, einen mobilen Getränkeservice anzubieten. Allerdings lehnte das Bezirksamt ab; Möglichkeiten, Durst zu stillen gäbe es bereits ausreichend im Umfeld und außerdem sei es nicht vertretbar, in diesem Gebiet durch den Aufbau kleiner Stände marktähnliche Verhältnisse zu etablieren.

- Bisher konnte man während einer langweiligen U-Bahnfahrt nur lesen, sich unterhalten, dösen oder Ähnliches. Jetzt kann man sogar fernsehen. Gegen den Betrieb der Bildschirme in der U-Bahn wandte sich eine Petentin, denn sie befürchtete, dass die „Berieselung" zu sehr stören und ablenken würde.