Barrierefreiheit

Abgeordnetenhaus von Berlin 14. Wahlperiode Drucksache 14/1194 7.2.2.2. Zugänglichkeit von öffentlichen Gebäuden

Im Zusammenhang mit der angestrebten Zugänglichkeit von öffentlichen Gebäude wurden im Berichtszeitraum folgende Gesetze, Verordnungen und Ausführungsvorschriften novelliert: Bauordnung von Berlin (BauO Bln) § 34 Abs. 6 Mit Art. III (Änderung der Bauordnung für Berlin) des zu Artikel 11 der Verfassung von Berlin vom 17.05.1999 wird der Einbau von Aufzügen jetzt bereits ab dem 4. Vollgeschoss vorgeschrieben.

§ 45 Abs. 2 Mit Art. III (Änderung der Bauordnung von Berlin) des Gesetztes zu Artikel 11 der Verfassung von Berlin wurde festgelegt, dass bei Wohnhäusern mit mehr als 2 Vollgeschossen die Wohnungen im untersten Vollgeschoss über den üblichen Hauseingang barrierefrei erreichbar und mit dem Rollstuhl zugänglich sein müssen.

Ausführungsvorschriften zu § 48 Absatz 1 (AV Stellplätze)

Im Zuge einer Deregulierung des § 48 wurde die allgemeine Stellplatzpflicht für Wohn- und öffentliche Gebäude abgeschafft. Für öffentliche Gebäude wurde allerdings die Verpflichtung zur Vorhaltung von Stellplätzen für behinderte Besucher ­ in einer ausreichenden Anzahl - ausdrücklich festgeschrieben. Sie sollen in Gebäudenähe und möglichst an behindertengerechten Zugängen angelegt werden.

§ 51

Durch die zum 1.01.1996 in Kraft getretene Novellierung des § 51 BauO Bln wurde der Grundstein für eine sukzessive Verbesserung bei der behindertengerechten Zugänglichkeit aller öffentlichen und öffentlich zugänglichen Gebäude gelegt. Jetzt wurde erstmalig zwingend der behindertengerechte Zugang bei Neubauten vorgeschrieben; darüber hinaus wurde aber auch die Herstellung der behindertengerechten Zugänglichkeit im Altbaubestand möglich.

Mit Art. III (Änderung der Bauordnung von Berlin) des Gesetzes zu Artikel 11 der Verfassung von Berlin wurde festgelegt, dass die oben geforderte behindertengerechte Zugänglichkeit nun über den Haupteingang erfolgen muss (was auch für wesentliche bauliche Änderungen bei bestehenden baulichen Anlagen gilt). Ausnahmen bei Nutzungsänderungen bestehender baulicher Anlagen sind nunmehr bei schwierigen Geländeverhältnissen oder ungünstiger vorhandener Bebauung zugelassen.

§ 75 Abs. 1 Mit Art. III (Änderung der Bauordnung von Berlin) des Gesetzes zu Artikel 11 der Verfassung von Berlin wurde es erstmalig möglich, Verstöße seitens des Bauträgers gegen die § 34, 48 und 51 BauO Bln durch eine Geldbuße zu ahnden.

DIN 18 024 Teil 2 als Technische Baubestimmung

Es ist vorgesehen, Anfang 2001 die für das barrierefreie Bauen in öffentlich zugängigen Gebäuden und Arbeitsstätten maßgebende DIN-Norm 18 024 Teil 2 (Stand November 1996) als Technische Baubestimmung in Berlin einzuführen.

Zwischenzeitlich wurde von einem Lenkungsgremium des Deutschen Instituts für Normung beschlossen, einen neuen Normenausschuss zu berufen. Dieser soll neben einer erneuten Aktualisierung eine Zusammenfassung der bestehenden Normen zu den Themenbereichen des „Barrierefreien Bauens" erarbeiten. Verordnung über die Evakuierung von Rollstuhlbenutzern (EvakVO)

Die EvakVo vom 15.06.2000, die die Behindertenrettungswege-Verordnung (BeRettVo) abgelöst hat, brachte eine deutliche Verbesserung und Flexibilisierung bei der zugelassenen Anzahl von Rollstuhlbenutzern bei Veranstaltungen in öffentlichen Gebäuden.

Konkret gilt jetzt:

Bei öffentlich zugänglichen baulichen Anlagen, die durchschnittlich von Rollstuhlbenutzern besucht werden (d.h. Bevölkerungsanteil 1 v.H. bezogen auf die Besucher, mind. aber 3 Rollstuhlbenutzer) sind keine zusätzlichen baulichen Maßnahmen erforderlich. Betriebliche Maßnahmen, die eine Rettung mittels fremder Hilfe gewährleisten, sind ausreichend.

Falls im Einzelfall die durchschnittliche Nutzung durch Rollstuhlbenutzer überschritten wird, können vom Betreiber für diesen Fall Regelungen für das Verhalten des Betriebspersonals im Gefahrenfall bzw. Regelungen für Begleitpersonen getroffen werden.

In Versammlungsstätten mit fester Bestuhlung oder Stufenreihen, z. B. Kinos müssen jetzt 1 v.H. der Besucherplätze (mindestens jedoch zwei Plätze) für Rollstuhlbenutzer und deren Begleiter vorgehalten werden.

Verordnung zur Ausführung des Gaststättengesetzes (Gaststättenverordnung ­ GastV -) § 3 und § 6

Mit Art. XI (Änderung der Gaststättenverordnung) des Gesetzes zu Artikel 11 der Verfassung von Berlin wurde festgelegt, dass die dem Gewerbe dienenden Räume für jeden leicht zugänglich sein müssen. Das hat zur Folge, dass bei jedem Betreiberwechsel im Bereich der Gaststätten erneut die Möglichkeit zur Herstellung der behindertengerechten Zugänglichkeit und Nutzbarkeit, z. B. der Einbau einer behindertengerechten WC-Anlage, der jeweiligen Gaststätte geprüft werden muss. In Berlin gibt es jährlich ca. 4.000 bis 5.000 Betreiberwechsel.

§ 4:

Darüber hinaus wurde mit dem Art. XI des Gesetzes zu Artikel 11 festgelegt, dass bei Neubauten von Beherbergungsbetrieben (Hotels) mindestens 10 v.H. der Schlaf- und Nebenräume barrierefrei zugänglich sein müssen. Damit wird das Defizit bei behindertengerechten Übernachtungsmöglichkeiten in Berlin in den nächsten Jahren ausgeglichen werden können.

Zum Vollzug dieser Rechtsverordnung hat die zuständige Senatsverwaltung ein Rundschreiben erlassen.

Denkmalschutzgesetz Berlin § 11 (neuer) Abs. 5 Hiermit wurde festgelegt, dass die Denkmalbehörden die Belange mobilitätsbehinderter Personen bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen haben.

Insbesondere vor dem Hintergrund des großen Altbaubestandes im Bereich der öffentlichen Gebäude ist die mit Art. IV (Änderung des Denkmalschutzgesetzes Berlin) des Gesetzes zu Artikel 11 der Verfassung von Berlin erfolgte Gesetzesänderung von Bedeutung.

Sportfördergesetz § 10 Abs. 2 Mit Art. VI (Änderung des Sportfördergesetzes) des Gesetzes zu Artikel 11 der Verfassung von Berlin wurde festgelegt, dass öffentliche Sportanlagen jetzt auch im passiven Bereich für Behinderte nutzbar sein müssen und neue Sportanlagen generell für den Behindertensport geeignet sein müssen. Im bereits laufenden Sportanlagensanierungsprogramm ist die Herstellung der behindertengerechten Zugänglichkeit schon vorgesehen. Krankenhausbetriebs-Verordnung § 4 (neuer) Abs. 2 und § 26 Abs. 4 Satz 2 Mit Art. XII (Änderung der Krankenhausbetriebs-Verordnung) des Gesetzes zu Artikel 11 der Verfassung von Berlin müssen die für Patienten und Besucher bestimmten Räumlichkeiten einschließlich der Umkleidekabinen für Patienten bei Neu- und Umbauten von Krankenhäusern auch für Mobilitätsbehinderte geeignet sein.

Darüber hinaus muss auf jeder Etage eine behindertengerechte Toilette und je Funktionsstelle mindestens eine behindertenfreundliche Toilette vorhanden sein.

Die Zugänglichkeit wurde generell dadurch verbessert, dass nun auch Barrierefreiheit für Türen, die unmittelbar ins Freie führen, vorgeschrieben wird.

Eine Quantifizierung der konkreten Auswirkungen der vorstehend genannten rechtlichen Verbesserungen wäre mit einem erheblichen Aufwand verbunden.

Eine Erfassung der behindertengerechten Zugänglichkeit von öffentlich zugänglichen Einrichtungen wird durch ein Projekt des Vereins Movado mit dem Ziel der Information der Behinderten geleistet.

Vor dem Hintergrund des immensen Altbaubestandes in Berlin muss allerdings grundlegend festgestellt werden, dass die nachträgliche Herstellung der behindertengerechten Zugänglichkeit häufig mit einem erheblichen finanziellen Mehraufwand verbunden ist, so dass bis zum heutigen Zeitpunkt immer noch ein großer Teil der öffentlichen Gebäude für Mobilitätsbehinderte nicht oder nur mit fremder Hilfe zugänglich ist und sich diese Situation auch künftig im Altbaubestand nur sukzessive verbessern wird. Dies trifft u.a. auf eine Vielzahl von öffentlichen Einrichtungen für Kinder und Familien, Arztpraxen, kulturellen Veranstaltungsorten, Sportstätten, Schulen und Universitäten zu.

Im Rahmen der Ausgestaltung des Gesetzes zu Artikel 11 der Verfassung von Berlin sieht sich der Senat von Berlin grundsätzlich in der Pflicht, die Bedingungen für die uneingeschränkte Teilnahme Behinderter am gesellschaftlichen Leben herzustellen bzw. zu verbessern.

Öffentliches Straßenland Grundlage für die im Berichtszeitraum vorgenommenen Änderungen von Vorschriften waren die Ergebnisse des Modellprojekts „Kant- / Neue Kantstraße" (KNK-Projekt). In diesem Projekt wurden erstmalig über einen Zeitraum von vier Jahren ­ in Zusammenarbeit mit Vertretern unterschiedlicher Behinderungsarten ­ der Versuch unternommen, die oft gegensätzlichen Anforderungen an eine behindertengerechte Gehweggestaltung zu harmonisieren.

Die in diesem Projekt entwickelte Modellkreuzung ­ mit abgesenkten Bordsteinen, Rillenplatten und blindengerechter Lichtzeichenanlage wurde 1994 bei der Änderung der Ausführungsvorschrift zu § 7 des Berliner Straßengesetzes (AV Geh- und Radwege) berücksichtigt und bildete die Grundlage für die Gestaltung der Gehwege.

Berliner Straßengesetz § 7 Abs. 2 und (neuer) Abs. 3 Mit Art. V (Änderung des Berliner Straßengesetzes) des Gesetzes zu Artikel 11 der Verfassung von Berlin wurden die bis dahin nur in der o.a. Ausführungsvorschrift festgelegten Ausstattungsmerkmale für Mobilitätsbehinderte, wie auf 3 cm abgesenkte Bordsteinkanten und kontrastreiche und taktile Orientierungshilfen erstmalig auch im Gesetz festgeschrieben.

Neben der behindertengerechten baulichen Gestaltung des Straßenlandes ist die blindengerechte Ausstattung der Lichtzeichenanlagen ein weiterer wichtiger Baustein auf dem Weg zur behindertengerechten Stadt.

Der in den 1992 erstellten Leitlinien zum Ausbau Berlins als behindertengerechte Stadt enthaltenen Forderung, dass Neu- und Ersatzbauten von Lichtzeichenanlagen blindengerecht ausgestattet werden müssen, wird heute ­ nach einem längeren Diskussionsprozess ­ entsprochen.