Die Senatsverwaltung für Inneres teilt unsere Auffassung zu den Voraussetzungen für die Ausschreibung nach Art

Bericht des Beauftragten für Datenschutz und Akteneinsicht Stellungnahme des Senats im Einzelfall die Erforderlichkeit einer Verlängerung der Ausschreibung zu prüfen und gegebenenfalls die Gründe für eine Verlängerung der Ausschreibung in der Ausländerakte des Betroffenen zu vermerken.

Die Senatsverwaltung für Inneres teilt unsere Auffassung zu den Voraussetzungen für die Ausschreibung nach Art. 96 SDÜ. Unserer Empfehlung, die Ausschreibungsvoraussetzungen und -praxis, der Bitte des BMI und dem Beispiel anderer Länder (z. B. Nordrhein-Westfalen, Hessen) folgend, in einer verbindlichen Arbeitsanweisung gegenüber der Ausländerbehörde zu regeln, ist die Senatsverwaltung jedoch nicht gefolgt.

Wie in dem Bericht zutreffend ausgeführt wird, teilt der Senat die Auffassung des BlnBDA, dass eine Ausschreibung im SIS zur Einreiseverweigerung gemäß Art. 96 Abs. 3 SDÜ nur bei Ausweisung, Abschiebung oder Zurückschiebung zulässig ist. Die Ausländerbehörde verfährt seit Aufnahme des Wirkbetriebes des SIS im Frühjahr 1995 auf der Grundlage von Arbeitsanweisungen der Senatsverwaltung für Inneres dementsprechend.

Dokumentation von Ausschreibungen

Im vergangenen Jahr64 haben wir über einen Einzelfall berichtet, in dem wir eine Speicherung zur Einreiseverweigerung im SIS überprüft haben. In der Ausländerakte des Betroffenen befand sich lediglich ein Hinweis auf eine INPOL-, nicht jedoch auf eine SISAusschreibung. Die Ausländerbehörde teilte dazu mit, dass mit Aufnahme des Wirkbetriebes des SIS eine Vielzahl von Ausschreibungsvorgängen, die bis dahin im INPOL-Verfahren erfassten waren, retrograd in den Datenbestand des SIS übernommen wurden, ohne dass im Einzelfall die Ausschreibungsvoraussetzungen überprüft wurden. Wir hatten empfohlen, diese Fälle - angesichts der Vielzahl - „anlassbezogen" (z. B. bei einem Antrag auf Auskunft bzw. Löschung) einer Einzelfallprüfung hinsichtlich der Ausschreibungsvoraussetzungen und -fristen zu unterziehen und das Ergebnis nachvollziehbar in der Akte zu dokumentieren.

Die Senatsverwaltung für Inneres sah keine rechtliche Verpflichtung zu dieser Vorgehensweise und bat, die Empfehlung näher zu begründen. „Der Sinn der Aktenaufbewahrung ist, dass man Verwaltungsvorgänge und Regierungsentscheidungen nachvollziehen kann - und zwar nicht nur das Ergebnis der Entscheidungen, sondern auch den Entscheidungsprozess. Man muss alle Elemente verifizieren können, die dazu beigetragen haben, eine solche Entscheidung zu Stande zu bringen.". Diese Aussage des Präsidenten des Bundesarchivs gilt in besonderem Maße bei Entscheidungen, die den betroffenen Bürger belasten. Die Ausschreibung zur Einreiseverweigerung nach Art. 96 SDÜ bedeutet für den Betroffenen einen erheblichen Eingriff, der nicht nur sein informationelles Selbstbestimmungsrecht berührt.

Hinsichtlich Neuausschreibungen ergibt sich das von der Ausländerbehörde einzuhaltende Verfahren aus den Ziffern 45.0.10.1.1 und 49.3.1.1 der bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften zum Ausländergesetz (VwV AuslG). Hiernach hat die Ausländerbehörde im Falle von Ausweisung oder Abschiebung die „für die Dateneingabe zuständige Polizeidienststelle zum Zweck der Ausschreibung in INPOL und im SIS (Einreiseverweigerung nach Artikel 96 Abs. 3 SDÜ)" zu unterrichten. Eine darüber hinausgehende Dokumentationspflicht sehen die Verwaltungsvorschriften nicht vor. Diese Regelung ist nicht zu beanstanden, gehen doch die Voraussetzungen für Ausweisung und

JB 1999, 4.2.3

Hartmut Weber, Präsident des Bundesarchivs, „Die Welt" vom 29. Juni 2000, S. 2

Bericht des Beauftragten für Datenschutz und Akteneinsicht Stellungnahme des Senats

Eingriffe in das informationelle Selbstbestimmungsrecht sind nur zulässig, wenn sie auf eine normenklare Regelung gestützt werden können. Artikel 96 SDÜ lässt die Speicherung von Einreiseverweigerungen im SIS zu. Daran anknüpfende Individualrechte (z. B. Auskunfts-, Löschungsansprüche) kann der Betroffene jedoch nur dann geltend machen bzw. durchsetzen, wenn die entscheidungserheblichen Umstände ausreichend dokumentiert sind. Nur so ist nachvollziehbar, dass und auf welcher Rechtsgrundlage die Entscheidung für eine Weiterspeicherung getroffen wurde, welchen Inhalt sie hat und in welchem Ausmaß und für welchen Zeitraum sie Wirkung entfaltet.

Die Aktenführung und -verwaltung öffentlicher Stellen und Behörden hat sich an den Prinzipien der Klarheit und Wahrheit zu orientieren. Dies ergibt sich aus dem Gebot der Transparenz von Verwaltung in einem demokratischen Rechtsstaat. Nur so ist das Handeln der Verwaltung durch parlamentarische und andere Kontrollen, z. B. im Rahmen der Dienst-, Fachaufsicht, durch den Rechnungshof, den behördlichen Datenschutzbeauftragten oder durch den Beauftragten für Datenschutz und Akteneinsicht, überprüfbar.

Durch die umfassende Dokumentation von Verwaltungsvorgängen und -entscheidungen werden auch Zwecke des Mitarbeiterschutzes erfüllt. Eine interne Rechenschaftslegung hat den Effekt der Selbstkontrolle. Sie nötigt dem handelnden Verwaltungsmitarbeiter eine Reflektion über die Gründe und das Ausmaß seiner Entscheidung ab. Des Weiteren schützen Transparenz und Nachprüfbarkeit seines Vorgehens den Mitarbeiter vor unberechtigten disziplinar-, schadensersatz- oder strafrechtlichen Konsequenzen.

Abschiebung aus entsprechenden schriftlichen Verwaltungsakten, insbesondere Ausweisung und Abschiebungsandrohung hervor.

Ungeachtet dessen wird die Ausländerbehörde im Juni diesen Jahres damit beginnen, bei jedem Ausschreibungsersuchen eine Verfügung zur Ausländerakte zu nehmen, die inhaltlich dem vollständig ausgefüllten, an die für die Dateneingabe zuständige Polizeidienststelle gesandten Vordruck für das Ausschreibungsersuchen entspricht.

Hinsichtlich der zwischen dem 01.01.1994 und dem 26.03.1995 retrograd aus dem INPOL-System in das SIS übernommenen Daten ist zunächst festzustellen, dass das SIS seit Anfang 1997 im Rahmen mehrerer einmaliger Aktionen bereinigt worden ist.

Bei den ausnahmsweise noch nicht gelöschten Ausschreibungen findet eine „anlassbezogene" Prüfung statt. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen die von Ausweisung oder Abschiebung herrührende Sperrwirkung auf Antrag des Betroffenen aufgehoben oder befristet wird. Bei Aufhebung oder Befristung der Sperrwirkung ist die Ausschreibung nämlich gemäß Ziffer 2.2.2.2 der Anwendungshinweise des BMI zum SDÜ (AAH-SDÜ) zu löschen. Die Veranlassung der Löschung wird in diesen Fällen wie bei anderen „anlassbezogenen" Prüfungen aktenkundig gemacht.

Unabhängig davon ist eine Aktenführung, in der die Entscheidungsprozesse ausreichend belegt sind, zur Fehlerkorrektur notwendig. So kann es bei der Führung von umfangreichen Personendateien wie INPOL und SIS zu Personenverwechslungen kommen. Derartige Fehler lassen sich nur korrigieren, wenn nachprüfbar ist, wessen Daten zu welchem Zweck aus welchen Gründen und für welchen Zeitraum in die Datei eingespeichert wurden.

Die Senatsverwaltung für Inneres sieht die Ausländerbehörde im Fall von Ausweisung oder Abschiebung lediglich in der Pflicht, die für die Dateneingabe zuständige Polizeidienststelle zum Zweck der Ausschreibung in INPOL und im SIS (Einreiseverweigerung nach Art. 96 Abs. 3 SDÜ) zu unterrichten. Eine darüber hinausgehende Dokumentationspflicht sei nicht gegeben. Die Voraussetzungen für die Ausweisung und Abschiebung würden sich aus den entsprechenden Verwaltungsakten ergeben. Die Überwachung der Prüffristen würde nicht der Ausländerbehörde, sondern der Deutschen Kontaktstelle (SIRENE) obliegen.

Bericht des Beauftragten für Datenschutz und Akteneinsicht Stellungnahme des Senats

Der von uns im vergangenen Jahr überprüfte Einzelfall belegt, dass diese Maßnahmen nicht geeignet sind, den Schutzinteressen der Betroffenen in der Verwaltungspraxis ausreichend Rechnung zu tragen. Die Unterrichtung der für die Dateneingabe zuständigen Stellen erfolgt mit einem Formblatt, auf dem die entsprechende Maßnahme anzukreuzen ist. Die Verwaltungsakten benennen in der Regel nur die Rechtsgrundlagen. Die SIRENE Deutschland ist nur für die Überwachung der Prüffristen, nicht jedoch für deren Festsetzung, Verlängerung, Berichtigung, Löschung zuständig. Diese Entscheidungen sind von der einspeichernden Stelle zu treffen. Wir halten daher an unserer Auffassung fest, dass die Ausländerbehörde bei der Ausschreibung nach Art. 96 SDÜ in jedem Einzelfall eine ausreichende Dokumentation der Entscheidungsvoraussetzungen, -gründe für die Speicherung und der Ausschreibungsdauer in der Ausländerakte des Betroffenen vorzunehmen hat. Für die in den Jahren 1994 und 1995 retrograd aus dem INPOLSystem in das SIS übernommenen Daten ist die erforderliche Einzelfallprüfung „anlassbezogen" nachzuholen und das Ergebnis aktenkundig zu machen.

Verkehr Identitätsausweis in Taxen

Von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wurden wir darüber infomiert, dass in die nächste Neufassung der Berliner Taxenordnung eine Regelung zur Mitführung eines Identitätsausweises durch die Taxifahrer aufgenommen werden soll. Diese Pläne würden unabhängig davon bestehen, dass auf Bundesebene beabsichtigt sei, eine entsprechende Vorschrift in der Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr (BOKraft) zu schaffen.

Die Verpflichtung der Taxifahrer, während der Berufsausübung ständig einen Ausweis mit Namen und Lichtbild bei sich zu tragen und für Dritte gut sichtbar im Innenraum der Taxen anzubringen, schränkt das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Fahrer erheblich ein. Die Verordnungsermächtigung für den Landesgesetzgeber in § 47 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 Personenbeförderungsgesetz (PBefG) bietet für einen derartigen Eingriff keine ausreichende Rechtsgrundlage.

Bereits der Wortlaut steht einer derartig weiten Auslegung des § 47 PBefG entgegen. Die Vorschrift ermächtigt den Verordnungsgeber lediglich zur Regelung „der Einzelheiten des Dienstbetriebs". Dazu zählt nach § 47 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 PBefG insbesondere der „Fahr- und Funkbetrieb". Zum Fahrbetrieb zählt aber nicht die Einführung einer Ausweispflicht für den Fahrer. Dies folgt auch aus dem Regelungszweck des § 47 PBefG. Dieser besteht allein in der Organisation des technischen Ablaufes des Taxenbetriebes.

Die Darstellung des Berliner Beauftragten für Datenschutz und Akteneinsicht ist zutreffend. Es war ursprünglich beabsichtigt, u.a. die Pflicht zur Mitführung eines Identitätsausweises in Taxen an gut sichtbarer Stelle vorzuschreiben, da nach bundesweiten Erkenntnissen wiederholt Beförderungen ohne den erforderlichen Personenbeförderungsschein durchgeführt werden. Nachdem der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Akteneinsicht auf Anfrage der zuständigen Senatsverwaltung erhebliche Bedenken aus datenschutzrechtlicher Sicht gegenüber einer solchen Regelung geäußert hatte, wurde von der Aufnahme einer entsprechenden Regelung im Entwurf für eine Neufassung der Berliner Taxenordnung Abstand genommen.