Nachforschungsauftrag

Da die Deutsche Post AG hier nicht das Recht auf eine Öffnung der Sendung hatte, weil Absender und Empfänger bekannt waren, ist davon auszugehen, dass die Sendung an einen Verwerter veräußert worden ist.

Aber auch in diesem Fall ist die Einhaltung des Datenschutzes gewährleistet, da der Käufer in § 2 Ziff. des Verwertungsvertrages ebenfalls zur Vernichtung von Inhalten mit personenbezogenen Daten verpflichtet wird. Nach Ziff. 2.4 des Verwertervertrages ist auch der Verkauf der Inhalte an den ursprünglichen Absender oder Empfänger ausdrücklich verboten. Eine Verletzung datenschutzrechtlicher Vorschriften durch die Deutsche Post AG war daher nach den Feststellungen des Bundesbeauftragten verfahrenstechnisch ausgeschlossen.

Ein wirksamer Nachforschungsauftrag hätte im vorliegenden Fall nur durch den Absender der Sendung, also durch den Gutachter unter der Angabe des IdentCodes gestellt werden können. Ist der Ident-Code bekannt, lassen sich Postpakete bis zu zwei Jahren nach der Auslieferung nachweisen. Ein Nachforschungsauftrag ohne Angabe des Ident-Codes kann nicht bearbeitet werden. Die Deutsche Post AG weist darauf hin, dass unter Berücksichtigung des Massenverkehrs im Frachtbereich sie nicht in der Lage ist, den Inhalt unzustellbarer Sendungen zu selektieren und zu bewerten und nach irgendwelchen noch zu erstellenden Bewertungskriterien dem Absender oder dem Empfänger ein zweites Mal zur Auslieferung gegen Zahlung der Gebühr anzubieten oder evtl. andere im Inhalt genannte dritte Personen zu fragen, ob bei ihnen das Interesse besteht, die Sendung für sich zu erwerben. Diese Möglichkeiten verbieten sich auch schon aus datenschutzrechtlicher Sicht.

Die Deutsche Post AG weist deshalb ausdrücklich darauf hin, dass sich das Landessozialgericht Berlin überlegen müsse, ob das Verfahren, generell die Annahme unfreier Paketsendungen zu verweigern, als zweckmäßig angesehen werden kann oder ob die Vertragsgestaltung und die Verfahrensweise bei der Beauftragung und Auswahl von externen Gutachtern nachgebessert werden sollte.

Das Annahmeverbot für unfreie Sendungen wurde inzwischen vom Gericht aufgehoben.

Kindlicher Opferschutz

In einer Kindertagesstätte war ein Kind aufgenommen worden, dessen Vater wegen Kindesmissbrauchs rechtskräftig verurteilt war. Das Urteil war dem Jugendamt bekannt und es wurde befürchtet, dass der Vater sich an anderen Kindern der Kita „vergreifen" würde. Nach einer geraumen Zeit wurde das Kind aus der Kita genommen und in eine andere Kita in einem benachbarten Bezirk eingegliedert.

Die interdisziplinären Arbeitsgruppe „Kindlicher Opferschutz", die aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Jugendverwaltung, von Schulen, der Polizei und der Staatsanwaltschaft besteht, bat um eine rechtliche Beurteilung. Die beim Jugendamt durch die Entscheidungsgründe des Gerichts (Mitteilungspflicht nach Nr. 35 MiStra) bekannt gewordene Straftat hatte dazu geführt, dass dem Vater des Kindes durch die Kita-Leitung aufgegeben worden war, keine anderen Kinder zu sich einzuladen. Dies war eine vertragliche Aufnahmebedingung, um die anderen Kinder der Kita-Gruppe nicht in Gefahr zu bringen.

Die Frage war, ob andere Eltern über die Straftat hätten informiert werden dürfen, wenn gegen diese Auflage vom Vater verstoßen worden wäre. Eine weitere Frage betraf die Befugnis, das Wissen um die Straftat von der abgebenden Kita an die neue Kita dieser Familie zu übermitteln.

Da mit der Zustimmung des Betroffenen zur Datenübermittlung wohl nicht gerechnet werden kann, wäre zu fragen, ob auch ohne dessen Mitwirkung eine Übermittlung möglich ist. Für die Datenübermittlung ohne Mitwirkung ist auf § 64 Abs. 1 Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) abzustellen, der zugleich auch eine Nutzungsbefugnis enthält. Sozialdaten dürfen nach § 64 Abs. 1 KJHG zu dem Zweck übermittelt und genutzt werden, zu dem sie erhoben worden sind.

Also ist auf die Datenerhebungsvorschrift in § 62

KJHG zurückzugreifen. Die Voraussetzungen der Datenerhebung sind also mit denjenigen für die Datenübermittlung identisch. Die Datenerhebung gemäß § 62 Abs. 2 SGB VIII (KJHG) ist zwar primär beim Betroffenen durchzuführen. Jedoch kann sie auch ohne den Betroffenen erfolgen, wenn die „Aufgabe ihrer Art nach eine Erhebung bei anderen erfordert" (§ 62 Abs. 3 Nr. 2 SGB VIII (KJHG)). Es ist also auch bei der Datenübermittlung darauf abzustellen, ob die „Aufgabe ihrer Art nach" eine Übermittlung erfordert.

Bei der krisenbezogenen Arbeit der Jugendhilfe ist diese Beurteilung ausschließlich auf das „Kindeswohl" zu beziehen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz fordert bei der Anwendung dieser Rechtsvorschriften, dass dabei täterbezogene Daten immer nur zur Abwehr konkreter Gefährdungslagen erhoben, übermittelt und genutzt und nicht unabsehbar auf Vorrat erhoben und gespeichert bzw. übermittelt werden dürfen. Der Umfang der zu übermittelnden Daten muss auf das unabdingbar Erforderliche begrenzt werden.

Die Ausführungen des Berliner Beauftragten für Datenschutz und Akteneinsicht stellen die rechtlichen Erwägungen zur Vereinbarkeit des individuellen Datenschutzes mit der krisenbezogenen Arbeit der Jugendhilfe dar. Der Senat teilt die Auffassung des BlnBDA, wonach bei der Abwägung, ob Daten übermittelt werden dürfen, „ausschließlich auf das Kindeswohl" abzustellen ist.

Im Ergebnis war hier die Weitergabe von Daten grundsätzlich zulässig. Jedoch ist es keineswegs erforderlich, den ganzen Tatkomplex in allen Einzelheiten und Gründen zu übermitteln oder gar den Eltern in einer Kita bekannt zu geben. In der Regel dürfte ein Hinweis auf eine allgemeine Gefährdungslage für einen bestimmten Personenkreis ausreichen.

Dies gilt erst recht, wenn die Verdachtsmomente gegen eine Person zwar stark sein mögen, jedoch kein Strafurteil vorliegt. Oft erhalten die Jugendämter lange vor der Verurteilung Hinweise von Nachbarn oder der Polizei (z. B. nach § 44 ASOG oder § 18 Abs. 1 letzter Satz AG KJHG oder nach § 38 JGG i. V. m.

§ 50 AG KJHG). Datensicherheit beim Berliner Sozialhilfe-System BASIS

Für die Verarbeitung personenbezogener Daten bei der Gewährung von Sozial- und Jugendhilfe wird seit Mitte der neunziger Jahre das Berliner Automatisierte Sozialhilfe-Interaktions-System (BASIS I) auf der Grundlage des Standardprogramms PROSOZ eingesetzt. Das Verfahren besteht aus unterschiedlichen Modulen für verschiedene Formen bei der Gewährung sozialer Unterstützung durch den Staat.

BASIS I wurde ursprünglich für die Verwendung unter dem Betriebssystem MS-DOS oder einem dazu kompatiblen Betriebssystem konzipiert. Diese inzwischen längst veralteten Betriebssysteme können den parallelen Ablauf von mehreren Programmen nicht unterstützen, wie es z. B. bei Betriebssystemen wie UNIX oder Windows NT der Fall wäre. Das Sicherheitskonzept wurde daher auch speziell für den Betrieb in einer DOS-Umgebung entwickelt. Mit der teilweisen Einführung von Windows 3.11 bzw. Windows NT in den Sozialämtern, mit der die Arbeitsbedingungen am BASIS-I-System verbessert werden sollten, entstanden neue Probleme hinsichtlich der informationstechnischen Sicherheit bei der Anwendung, wie bereits 1999 eine Reihe von Kontrollen in verschiedenen Bezirksämtern ergab.

Die alte DOS-Version von BASIS I speichert alle Verfahrensdaten in einem bestimmten Verzeichnis.

Der Zugriffsschutz wird durch das Anwendungsprogramm realisiert. Wenn ein Zugriff unter Umgehung des Anwendungsprogramms möglich ist, so kann der vorhandene Zugriffsschutz unterlaufen werden, so dass die BASIS-Daten unbefugt gelesen werden können. Ein Zugriffsschutz, der über die vom modernisierten Serverbetriebssystem zu erteilenden Dateirechte realisiert wird, ist nur sehr eingeschränkt möglich, da alle BASIS-Nutzer pauschale Schreibrechte für die BASIS-Daten benötigen und damit auch pauschale Leserechte erhalten. Eine Differenzierung auf bestimmte Fälle oder Datenbereiche ist auf dieser Ebene nicht möglich. Sie ist aber erforderlich, denn den Sachbearbeitern ist die Kenntnisnahme von Daten, die nicht in ihrem Zuständigkeitsbereich liegen, zu verwehren.