Angestrebte Änderung der rechtlichen Grundlagen für die Landesbank Berlin aufgrund einer Verständigung mit der Europäischen Kommission

Zum Hintergrund:

In Deutschland sind Landesbanken und Sparkassen typischerweise als Anstalten des öffentlichen Rechts organisiert. Das mit dieser Rechtsform bislang verbundene Haftungssystem ist gekennzeichnet durch die Begriffe Gewährträgerhaftung und Anstaltslast. Gewährträgerhaftung bedeutet dabei die unmittelbare Haftung des Trägers einer Sparkasse oder Landesbank für die Verbindlichkeiten der Anstalt, soweit die Gläubiger nicht aus deren Vermögen befriedigt werden können. Die Anstaltslast verpflichtet den Anstaltsträger, die wirtschaftliche Basis der Anstalt zu sichern und diese für die Dauer ihres Bestehens funktionsfähig zu halten.

Gegen diese Haftungsgrundlagen der Anstaltslast und Gewährträgerhaftung der Landesbanken und Sparkassen hat die Europäische Bankenvereinigung im Jahre 1999 bei der Europäischen Kommission Beschwerde eingereicht. Die Europäische Kommission hat das deutsche Haftungssystem als eine mit dem EG-Vertrag nicht zu vereinbarende Beihilfe bewertet, weil die Haftung des Trägers die Kreditwürdigkeit der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute erhöhe und so ihre Finanzierungsbedingungen verbessere.

Unter Beilegung des Wettbewerbsstreits konnte die deutsche Bund-Länder-Delegation mit Wettbewerbskommissar Monti am 17. Juli 2001 in Brüssel eine Verständigung erzielen, in der die wesentlichen Grundsätze im Hinblick auf eine Änderung des Systems von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung vereinbart sind.

Die deutschen Behörden haben darin bestätigt, dass alle Landesbanken und Sparkassen einschließlich ihrer öffentlich-rechtlichen Tochterunternehmen sich dem so genannten „PlattformModell" anschließen werden, das in einer Abschaffung der Gewährträgerhaftung und einer Modifizierung der Anstaltslast gemäß den folgenden Grundsätzen besteht:

a) Die finanzielle Beziehung zwischen dem öffentlichen Eigner und dem öffentlichen Kreditinstitut darf sich nicht von einer normalen marktwirtschaftlichen Eigentümerbeziehung unterscheiden, so wie der zwischen einem privaten Anteilseigner und einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder Aktiengesellschaft.

b) Jegliche Verpflichtung des öffentlichen Eigners zu wirtschaftlicher Unterstützung des Kreditinstituts und jeglicher Automatismus wirtschaftlicher Unterstützung durch den Eigner zugunsten des öffentlichen Kreditinstituts ist ausgeschlossen. Es besteht keine unbeschränkte Haftung des Eigners für Verbindlichkeiten des Kreditinstituts. Es ergeht keine Absichtserklärung oder Garantie, den Bestand des öffentlichen Kreditinstituts sicherzustellen.

c) Die öffentlichen Kreditinstitute werden den gleichen Regeln für den Insolvenzfall wie private Kreditinstitute unterworfen.

Ihre Gläubiger werden denen privater Kreditinstitute gleichgestellt.

d) Diese Grundsätze gelten unbeschadet der Möglichkeit des Eigners, wirtschaftliche Unterstützung gemäß den Beihilferegelungen des EG-Vertrags zu gewähren.

Eine weitere wesentliche Regelung sieht vor, dass in allen Gesetzen über öffentliche Kreditinstitute in Deutschland, die sich dem „Plattform-Modell" angeschlossen haben, ausdrückliche Gesetzesänderungen gemäß den obigen Grundsätzen vorzunehmen sind unabhängig davon, ob Anstaltslast in diesen Gesetzen derzeit ausdrücklich festgeschrieben ist oder nicht.

In der Übergangsregelung ist vereinbart worden, dass Verbindlichkeiten, die am 18. Juli 2001 bestehen, bis zum Ende ihrer Laufzeit von Gewährträgerhaftung gedeckt sind. Für eine Übergangszeit bis zum 18. Juli 2005 kann das System von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung in seiner gegenwärtigen Form aufrechterhalten bleiben. Mit Ende dieser Übergangszeit wird jede bis dahin bestehende und nach dem 18. Juli 2001 begründete Verbindlichkeit weiterhin von Gewährträgerhaftung gedeckt sein unter der Bedingung, dass ihre Laufzeit nicht über den 31. Dezember 2015 hinausgeht.

Umsetzung durch Deutschland:

Die deutschen Behörden haben sich in der Verständigung verpflichtet, ihren jeweiligen Gesetzgebungsorganen spätestens zum 31. Dezember 2001 Vorschläge für die notwendigen rechtlichen Maßnahmen zur Umsetzung der niedergelegten Grundsätze zu unterbreiten und spätestens zum 31. Dezember 2002 eine Verabschiedung herbeizuführen.

Zwischenzeitlich ist im Arbeitskreis der Länder „Sparkassen, Girozentralen, Landesbausparkassen" eine Abstimmung der Formulierungsvorschläge zu den notwendigen Änderungen der jeweiligen Landesgesetze erfolgt. Die Ergebnisse dieser Abstimmung sind der EU-Kommission durch das Bundesministerium der Finanzen (BMF) zur Billigung vorgelegt worden. Die EU-Kommission sieht diesbezüglich weiteren Klärungsbedarf.

Vor diesem Hintergrund sehen die Länder gewisse Probleme, ihren Gesetzgebungsorganen bis zum Jahresende 2001 entsprechend ausformulierte Gesetzentwürfe zuzuleiten. Der Länderarbeitskreis hat das BMF auf diese Schwierigkeiten hingewiesen und gebeten, die EU-Kommission darüber zu informieren, dass die Länder möglicherweise bis Jahresende 2001 noch keine Gesetzentwürfe fertig stellen können. In jedem Fall werde alles getan, was erforderlich ist, um die zwischen Deutschland und der EU-Kommission erzielte Verständigung bis zum Jahresende 2002 in Gesetzesform umzusetzen.

Umsetzung in Berlin:

Damit ist es auch für das Land Berlin notwendig, die entsprechenden Gesetzesänderungen vorzunehmen. Dementsprechend ist das Gesetz über die Errichtung der Landesbank Berlin ­ Girozentrale ­ in der Fassung vom 3. Dezember 1993 (GVBl. S. 626), zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. Oktober 1999 (GVBl. S. 546) ­ LBB-Gesetz ­ in einzelnen Vorschriften gemäß den von der Kommission vorgegebenen Grundsätzen zu ändern. Zusätzlich wird auch eine Änderung der Satzung der Landesbank Berlin und die Änderung des Staatsvertrages zwischen dem Land Berlin und dem Land Niedersachsen über die Zusammenführung der Landesbausparkasse Berlin mit der LBS Norddeutsche Landesbausparkasse, Hannover, erforderlich.

Im LBB-Gesetz wird neben der Ersetzung des Begriffs „Gewährträger" ­ teilweise in Wortverbindungen ­ im Wesentlichen eine Ergänzung des § 4 (Grundsätze der Geschäftspolitik) um eine der Verständigung entsprechende Formulierung zur Anstaltslast und eine Änderung des § 5 (Gewährträger) zur Gewährträgerhaftung notwendig. Dabei würde es sich anbieten, in § 5 auch die Übergangsregelungen zur Haftung aufzunehmen.

Hinsichtlich des In-Kraft-Tretens ist eine gesonderte Regelung erforderlich, da Verabschiedung des Gesetzes und Wirksamwerden der Änderungen zeitlich auseinander fallen.

Der Senat ist sich der Verpflichtung zur Umsetzung der Verständigung bewusst und auch willens, dieser nachzukommen.

Allerdings gibt es in Berlin derzeit einige Sonderfaktoren, die die Vorlage von Vorschlägen an das Gesetzgebungsorgan bis zum Jahresende 2001 erschweren:

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt erscheint es in Anbetracht der anstehenden Neustrukturierung des Konzerns der Bankgesellschaft Berlin AG nicht sinnvoll, unabhängig von der weiteren Entwicklung des Konzerns eine unter Umständen schon in Kürze überflüssige oder unvollständige Gesetzesänderung zu betreiben.

Der genaue Inhalt des gesetzlichen Anpassungsbedarfs des Landes Berlin hängt grundsätzlich von dem Zukunftskonzept für die Bankgesellschaft ab, insbesondere der Entscheidung für eine öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Rechtsform der Landesbank.

Ein solches Konzept ist auch der EU-Kommission bis Ende Januar 2002 vorzulegen, um die Genehmigung der der Bankgesellschaft Berlin AG im Sommer dieses Jahres vom Land Berlin gewährten Rettungsbeihilfe als Strukturbeihilfe zu erlangen.

Die Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie hat sich daher in Abstimmung mit der Senatsverwaltung für Finanzen an das BMF gewandt, um der Europäischen Kommission diese besonderen Umstände zu erläutern, und gebeten, die vorliegende Vorlage zur Information des Abgeordnetenhauses als ausreichend entsprechend der Verpflichtung, bis zum 31.Dezember 2001 den Gesetzgebungsorganen Vorschläge zur Umsetzung der Verständigung zu unterbreiten, zu erachten.

Die angeführten Gesetzesänderungen werden unverzüglich, spätestens jedoch im Zusammenhang mit der beihilferechtlichen Genehmigung der Strukturbeihilfe zu Gunsten der Bankgesellschaft Berlin AG, in das Abgeordnetenhaus eingebracht werden.

Rechtsgrundlage: Art. 59 Abs. 2 der Verfassung von Berlin Kostenauswirkungen:

Eine Gesetzesänderung hat unmittelbare Auswirkungen lediglich bei den betroffenen Kreditinstituten, für die zukünftig keine Gewährträgerhaftung mehr besteht, sodass lediglich die Institute mit ihrem Vermögen für Verbindlichkeiten haften.