Explizit ist es die Angelegenheit der Jugendhilfe hier vorzubeugen und zu intervenieren

Während Väter und Mütter vermutlich gleichermaßen an der Vernachlässigung von Kindern beteiligt sind, ist die Relation gewalttätiger Mütter zu gewalttätigen Vätern etwa 1 : 2. Sexuelle Gewalt ist fast ausschließlich ein männliches Delikt (BMFSFH 1998, S. 111­113). Hinzu kommen Traumatisierungen von Kindern durch männliche Gewalt gegenüber der Mutter.15) Gewalt und Vernachlässigung stellen für Kinder eine enorme Gefahr dar. Sie führen, insbesondere während der ersten Lebensjahre, zu physischen Schädigungen, psychischen Problemen und sozialen Auffälligkeiten der Kinder. Drogenkonsum, Kriminalität und psychische Erkrankungen im Jugend- und Erwachsenenalter bewirken Kosten, die für die USA auf Milliarden von Dollar geschätzt werden (Dornes 1997, S. 243).16) Für die Bundesrepublik müsste eine solche Modellrechnung erstellt werden.

Explizit ist es die Angelegenheit der Jugendhilfe, hier vorzubeugen und zu intervenieren. Sie unterstützt Familien in vieler Hinsicht: vom gut ausgebauten System der Kindertageseinrichtungen über Beratungsangebote zu ambulanten und stationären Hilfen. Allerdings nehmen Eltern ärmerer Schichten wie auch Eltern mit Migrationshintergrund das Angebot von Erziehungsberatungsstellen nicht entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil wahr (BMFSFJ 1998, S. 245). Ähnliches gilt für die Angebote der Familienbildung. Jedes Angebot, bei dem Eltern der ärmeren Schichten ihre Probleme Professionellen der Mittelschichten erklären müssen, weist sie auf die eigenen Defizite hin und macht ihnen ihre Marginalisierung bewusst. Deshalb werden diese Angebote stärker von den Mittelschichten genutzt. Hingegen bilden „Multiproblemfamilien", also Familien, bei denen soziale, ökonomische und innerfamiliale Probleme kumulieren, bei der Familienhilfe und bei stationären Hilfen zur Erziehung die überwiegende Mehrheit (a. a. O., S. 246 ff.).17) Die eingesetzten Maßnahmen kommen jedoch meistens zu spät, nämlich dann, wenn die Misshandlung schon jahrelang dem Kind Schaden zugefügt und es in seiner Entwicklung behindert hat. Außerdem werden die ökonomischen und sozialen Ursachen der Kindesmisshandlung in den armen Familien nicht berücksichtigt.

Neben der fehlenden Berücksichtigung und Interventionsmöglichkeit im Hinblick auf die ökonomische Situation ist die Jugendhilfe in allen Bereichen davon gekennzeichnet, dass es vorwiegend die Mütter sind, die Beratung und Hilfe suchen.

Auch in Familienbildung und Elternarbeit sind es vorwiegend Frauen, die sich bilden und beraten lassen. Die fehlende Repräsentanz des Familiensystems durch Männer hat ihren Grund in der Hartleibigkeit traditioneller Bilder von Geschlechtsunterschieden. Soziale Aufgaben, vor allem aber die Erziehung der Kinder, sind demnach Frauensache. In Oberschichten ist dies kein Problem, weil dem gut verdienenden Vater immer Respekt gezollt wird. Männer der unteren Schichten, die die Versorgerrolle nicht oder nur unzureichend wahrnehmen (können), erleiden jedoch eine zusätzliche Beeinträchtigung ihres Selbstwertgefühls, wenn sie weiblichen Professionellen in den sozialen Diensten und in Institutionen für Kinder wie Kita und Schule begegnen. Dies stellt eine zusätzliche Schwierigkeit dar, sie zur Mitarbeit zu gewinnen. Die vorwiegend auf Frauen bezogene Beratung, Familienbildung und Elternarbeit ist teilweise kontraproduktiv, was den Erhalt der Partnerschaften und das Verhältnis der Väter zu ihren Kindern betrifft. Im familiären System können nur dann Veränderungen erreicht werden, wenn die Väter einbezogen werden.

Da gerade von ihnen zumeist die Gewalt in der Familie ausgeht, ist die fehlende Interaktion mit ihnen ein verhängnisvoller Strukturfehler sämtlicher Institutionen, die sich mit den Problemen von Kindern befassen.

15) Vgl. Anm. 5 und 6.

16) Auch das Leben von Kindern auf der Straße und Kinderprostitutio sind häufig Folgen häuslicher Gewalt.

17) Diese Angaben können aufgrund spezieller Studien, nicht aufgrund der Jugendhilfestatistik, gemacht werden, die den Armutsaspekt vernachlässigt.

Nur für die Familienhilfe lässt sich auch in Berlin die Angabe in der Statistik bestätigen.

In Anbetracht der verheerenden Folgen von Gewalt und Vernachlässigung in armen Familien ist eine grundlegende Neuorientierung der Jugendhilfe und der Schule erforderlich.

Prävention kann z. B. durch einen Ausbau der Aktivitäten des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes schon während der Schwangerschaft und direkt nach der Geburt eines Kindes im Krankenhaus geschehen. Arme Familien müssen dabei auch Angebote zur Veränderung ihrer sozialen und ökonomischen Situation erhalten. Vor allem ist es wichtig, in allen Institutionen, in denen sich Kinder befinden, die Väter mit einzubeziehen. Dazu müssen neue Strategien entwickelt werden, sowohl in der Sozialarbeit, wie in der Kita, wie in der Schule, die in verbindlicher Form väterliche Verantwortung einfordern. Eine wirkungsvolle Prävention würde vielen Kindern unendlich viel Leid ersparen. Darüber hinaus würde sie langfristig die Kosten für Fremdplatzierungen von Kindern drastisch senken.

7 Gesundheit Überdauernde Armut, die familiale Probleme und Einschränkungen im Sozialraum einschließt, hat Auswirkungen auf Lebenserwartung und Gesundheit. Im Gesundheitszustand spiegeln sich die unterschiedlichen Bedingungen in den Berliner Bezirken. Die Lebenserwartung von Männern in Kreuzberg z. B. ist um 3 Jahre niedriger als im Berliner Durchschnitt, die der Frauen um 2 Jahre. Ein Kreuzberger wird im Durchschnitt 71 Jahre alt, ein Zehlendorfer hingegen 76. Die Perinatalsterblichkeit18) liegt in den belasteten Bezirken ebenfalls höher als im Durchschnitt (BA Hohenschönhausen 2000, S. 34­37). Einschulungsuntersuchungen in Brandenburg (MASGF Brandenburg 1999) ergaben gravierende gesundheitliche Unterschiede bei im Durchschnitt sechsjährigen Kindern. Kinder der unteren sozialen Schicht im Vergleich zur höchsten Schicht hatten

- drei Mal so häufig Sprachstörungen und Beeinträchtigungen der geistigen Entwicklung,

- eine 10-mal häufigere Bedrohung von Behinderung,

- knapp halb so häufig kariesfreie Gebisse, mehr als doppelt so häufig behandlungsbedürftige Gebisse (vgl. auch Mielck 2000, S. 120, BA Hohenschönhausen 2000, S. 45),

- doppelt so häufig Unfälle im Verkehr (vgl. auch Mielck, S. 117, 121) und durch Verbrühungen.

Kinder der unteren Sozialschicht wurden im Vergleich zu Kindern der obersten Schicht dreimal so häufig vom Schulbesuch zurückgestellt.

Darüber hinaus gibt es Beeinträchtigungen auf der psychischen Ebene. Kinder aus der untersten Sozialschicht in Brandenburg haben weitaus häufiger als andere Symptome wie Einnässen, Einkoten und psychiatrische Störungen (MASGF 1999). Allgemein leiden Kinder der unteren Sozialschichten häufiger an Nervosität, Schlafstörungen Gefühlen der Hilflosigkeit und Einsamkeit (Mielck 2000:119). Unzufriedenheit und Unsicherheit schlagen sich bei überdauernder Armut in einem höheren Grad von internalisierendem und externalisierendem Problemverhalten nieder (Walper 1999).19) Es ist nicht bekannt, inwieweit diese dramatischen Unterschiede auch durch das höhere Ausmaß an Misshandlungen in armen Familien bedingt sind.

Arme Menschen sind nicht nur kränker, sie sind auch auf Grund ihrer Lebenssituation eher in Gefahr, legale oder illegale Süchte zu entwickeln. Nach Studien unter Arbeitslosen und einkommensarmen Menschen, auch unter arbeitslosen Jugendlichen, erhöht sich der Anteil derer, die Alkohol in gesundheitlich kritischen Mengen konsumieren, im Verlauf der Arbeitslosigkeit signifikant im Vergleich zu Berufstätigen und Studierenden bzw. Schülern (Henkel 1998: 110 f.). Kinder und Jugendliche in Armut sind in überdurchschnittlichem 18) Damit sind Totgeburten und Säuglinge gemeint, die innerhalb der ersten 7 Tage nach der Geburt sterben.

19) Mit internalisierend ist gemeint, dass diese Kinder zu Depressivität und Gefühlen der Hilflosigkeit neigen. Externalisierendes Problemverhalten liegt dann vor, wenn Kinder feindseliges Verhalten zeigen oder aggressiv sind.

Maße in Gefahr, in einer Familie mit einem oder zwei Alkoholikern aufzuwachsen und selbst in diese Sucht „hineinzurutschen". Kinder aus Familien mit suchtkrankem Elternteil gründen häufig selbst wieder Familien, in denen Sucht ein bestimmender Faktor ist.20)

Unter diesen Umständen kommt den Gesundheitsdiensten der Bezirke eine große Bedeutung zu. Der Sozialmedizinische Dienst für Eheberatung, Familienplanung und Schwangerschaft (SMD) hat jedoch seit 1992 eine abnehmende Beratungshäufigkeit. Während 1992 63 % aller schwangeren Frauen hier Rat suchten, waren es 1999 nur 34 % (Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen 2000, S. 195 ff.).

Dabei sind diese Dienste so niedrigschwellig, dass sie auch für Angehörige unterer Schichten attraktiv gemacht werden könnten. Da auch Sozialarbeiter/-innen darin tätig sind, bietet sich in diesen Diensten ­ im Gegensatz zu Arztpraxen ­ die Chance einer frühzeitigen Beratung auch in sozialen Fragen an. Der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst (KJGD) ist ebenfalls eine Einrichtung, die für untere Schichten attraktiv gemacht werden sollte. Hier bietet sich die Chance der Prophylaxe auch bei familiären Schwierigkeiten (siehe oben). 8 Fazit Allgemein sollten politische Maßnahmen daraufhin überprüft werden, inwieweit sie die Spaltungen in der Gesellschaft verstärken oder ob sie den verschiedenen Bevölkerungsschichten Angebote machen füreinander Verständnis zu entwickeln.

Ferner kann jede spezifische Maßnahme für arme Familien daraufhin hinterfragt werden, inwieweit sie die Selbstachtung und das Selbsthilfepotenzial von Eltern und Kindern stärkt.

Neben einer intensiveren Förderung von Erwerbsfähigkeit müssen in den entsprechenden Institutionen für Familien und Kinder Konzepte entwickelt werden, die auch armen Familien Partizipations- und Integrationschancen eröffnen. Daneben muss die präventive Arbeit mit jungen Familien verstärkt werden, wobei neue Konzepte für die Einbeziehung von Vätern zu entwickeln sind.

Probleme, die verdrängt werden, entfalten erst dadurch eine zerstörerische Kraft. Wenn die unterschiedlichen Schichten und die Politik in Berlin sich dem Problem stellen, kann es auch bearbeitet werden. Dazu bedarf es allerdings zum einen einer Öffentlichkeit, in der Arme nicht ausgeblendet werden, zum anderen einer hervorragenden Koordination zwischen den Senatsdienststellen einerseits, und zwischen Senat und Bezirksverwaltungen andererseits.

Familienkosten

Den Einnahmen der Familien stehen die Ausgaben gegenüber.

Auch diese variieren mit der Haushaltszusammensetzung und hängen im hohen Maße vom Einkommen ab. Familienpolitisch interessant ist die Frage, wie hoch die Aufwendungen für die Lebenshaltung der Familien unterschiedlichen Typs und Einkommens sind und welchen Anteil daran die Kosten für die Kinder haben. Die Fragen des Vermögens von Familien werden hier wegen der Schwierigkeiten der Datenbeschaffung nicht untersucht.

Lebenshaltungskosten

Die jährlichen Ausgaben für den „privaten Verbrauch" (Konsumausgaben) umfassen alle Ausgaben für Waren und Dienstleistungen, sofern sie Verbrauchszwecken des Haushalts dienen. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Wohnkosten, Ausgaben für Verbrauchsgüter wie Nahrungsmittel und Haushaltswaren, Anschaffungskosten für Gebrauchsgüter mit mittlerer Nutzungsdauer wie Kleidung und Freizeitartikel und langlebige Güter wie Wohnungseinrichtung, Kraftfahrzeug und elektrische Geräte sowie Aufwendungen für verschiedene Dienstleistungen wie Urlaub, Bildung und Unterhaltung, Telefon, Haushaltshilfe und Reparaturen.

Je höher das Haushaltseinkommen ist, desto mehr Geld wird zwar für den privaten Verbrauch ausgegeben, desto geringer ist aber der dem Konsum gewidmete Einkommensanteil (Konsumquote). Bei Geringverdienenden mit zwei Kindern sind das etwa 95 % des Nettoeinkommens, bei Besserverdienenden mit zwei Kindern jedoch nur 57 %, wobei die Konsumausgaben hier aber absolut gesehen relativ hoch sind. Am höchsten ist die Konsumquote bei Alleinerziehenden. Sie müssen fast ihr gesamtes Einkommen für Lebenshaltungskosten einsetzen (93­94 %).

Im untersten Einkommensbereich sind die laufenden Ausgaben nicht selten sogar höher als das Nettoeinkommen, sodass diese Familien z. B. Ersparnisse auflösen oder Kredite aufnehmen müssen. Dies ist meist der sichere Weg in die Überschuldung. Nicht umsonst stellen Alleinerziehende bundesweit ein Fünftel der überschuldeten Klienten von Schuldnerberatungsstellen, während ihr Anteil an allen Haushalten in der Bevölkerung nur 5 % beträgt. Je mehr Kinder im Haushalt leben, desto höher sind die Konsumausgaben, die Konsumquote bleibt allerdings weitgehend konstant. Alles in allem gaben Haushalte von Ehepaaren mit Kindern je nach Kinderzahl und Landesteil zwischen 69 und 80 % ihres Nettoeinkommens für ihren privaten Verbrauch aus. Deutlich unterscheidet sich auch die Vermögens- und Wohnsituation von Familien mit Kindern von der kinderloser Haushalte.

Ein familienpolitisch bedeutsames Problem stellt die Mietbelastung der Haushalte dar. Nach den Ergebnissen der Zusatzbefragung des Mikrozensus vom April 1998 müssen Hauptmieterhaushalte mit Kindern unter 18 Jahren in Berlin eine durchschnittliche Bruttokaltmiete (Miete unter Berücksichtigung der kalten Betriebskosten) von 879 DM monatlich zahlen. In BerlinOst liegt die Miete mit 788 DM monatlich bei 83,3 Prozent des Niveaus in Berlin-West von 946 DM. Dazu kommen allerdings noch die Kosten für Heizung und Warmwasser.

Nach den Berechnungen des Statistischen Landesamtes lag bei 31,1 Prozent der Hauptmieterhaushalte mit Kindern unter 18 Jahren der Anteil der monatlichen Mietbelastung (Basis Bruttokaltmiete) am Haushaltsnettoeinkommen bei 30 Prozent und darüber. Von den Hauptmieterhaushalten ohne Kinder unter 18 Jahren haben allerdings 33,8 Prozent eine Mietbelastung von 30 Prozent und mehr zu bewältigen. Erhebliche Unterschiede zeigen sich zwischen Berlin-West und Berlin-Ost. Während in BerlinWest 39,3 Prozent der Haushalte mit Kindern eine Mietbelastung von 30 Prozent und darüber zu tragen hatten, waren dies in Berlin-Ost nur 20,0 Prozent. Der Anteil der Haushalte ohne Kinder unter 18 Jahren, der eine Mietbelastung von 30 Prozent und mehr zu verkraften hat, liegt in Berlin-West bei 37,0 Prozent und in Berlin-Ost bei 28,1 Prozent.

Eine relativ günstige Mietbelastung von unter 20 Prozent zum Haushaltseinkommen ist bei 34,9 Prozent der Haushalte mit Kindern zu verzeichnen. Erwartungsgemäß ist dieser Anteil in Berlin-Ost mit 48,9 Prozent viel höher als in Berlin-West mit 28,4 Prozent.

Aufwendungen für Kinder (Kinderkosten)

Eine wichtige Frage für Familien und ihre Zukunftsplanung ist bei aller Freude und persönlichen Befriedigung durch das Leben mit Kinder, die Frage nach den Kosten, die ein Kind verursacht.

Es ist nicht angebracht, vorschnell von zunehmendem Egoismus und abnehmender Verantwortungsbereitschaft zu sprechen. Ob eine Familie eines oder mehrere Kinder haben will, ist eine Entscheidung von weit reichenden wirtschaftlichen Konsequenzen und beeinflusst die Lebensgestaltung aller Beteiligter wesentlich.

Kinderkosten und Unterhalt Grundsätzlich hat jedes Kind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts (§§ 1601 ff. BGB) einen Unterhaltsanspruch gegenüber seinen Eltern. Lebt das Kind bei seinen Eltern, so wird von ihnen der Unterhalt in der Regel durch Betreuung des Kindes geleistet, d. h. durch die tatsächliche Versorgung mit Nahrung, Kleidung, Unterkunft, Erziehung, Pflege und Betreuung usw.

Dieser Unterhalt wird auch Natural- oder Betreuungsunterhalt genannt.

Lebt das Kind von einem Elternteil getrennt, so ist ihm dieser Elternteil grundsätzlich barunterhaltspflichtig. Voraussetzung ist die Unterhaltsbedürftigkeit des Kindes und die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten. Die Höhe des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des Kindes. Es kann den angemessenen Unterhalt fordern. Dieser soll bedarfsdeckend sein (§ 1610 BGB). Da es mithin für die Höhe des angemessenen Unterhalts auf die individuellen Einkommensverhältnisse der Beteiligten ankommt, hat der Gesetzgeber keine starren Sätze festgelegt; die Rechtspraxis richtet sich nach den von den Gerichten entwickelten Tabellenwerken (z. B. Düsseldorfer Tabelle, Berliner Vortabelle Ost). Den jeweiligen individuellen wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechend kann der Unterhaltsanspruch auch über den Betrag der Bedarfsdeckung hinausgehen.

Die Düsseldorfer Tabelle unterscheidet 13 Stufen nach dem Nettoeinkommen des Barunterhaltspflichtigen und weist jeweils für vier Altersstufen gestaffelte monatliche Richtsätze aus. Sie bezieht sich auf einen Unterhaltspflichtigen, der gegenüber einem Ehegatten und zwei Kindern verpflichtet ist. Für andere Familienkonstellationen ist die Tabelle sinnvoll anzupassen. Ferner weist sie den Bedarfskontrollbetrag aus, um den Eigenbedarf (Selbstbehalt) des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen.

Neben dem „normalen" Unterhaltsverfahren (§§ 642 ff. ZPO) gibt es die Möglichkeit des vereinfachten Unterhaltsverfahrens (§§ 645 ff. ZPO). Nach § 1612 a BGB kann ein minderjähriges Kind von einem Elternteil, mit dem es nicht in einem Haushalt lebt, den Unterhalt als Prozentsatz eines oder des jeweiligen Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung verlangen. Ab 1. Januar 2002 gelten folgende zum 8. Mai 2001 veröffentlichten Regelbeträge: Regelbeträge West:

1. Altersstufe: 188 3, 2. Altersstufe: 228 3, 3. Altersstufe: 269 3.

Regelbeträge Ost:

1. Altersstufe: 174 3, 2. Altersstufe: 211 3, 3. Altersstufe: 249 3.

Die Regelbeträge werden alle zwei Jahre zum 1. Juli, also das nächste Mal zum 1. Juli 2003, dynamisiert. Maßstab ist ein eigenständiges Fortschreibungsverfahren auf der Grundlage von Daten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, vgl. § 1612 a Abs. 4 und 5 BGB.

Es besteht unter den Beteiligten Einigkeit darüber, dass die Höhe der Regelbeträge hinter dem Existenzminimum für Kinder zurückbleibt. Dies hat auch der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages festgestellt. Weil die Regelbeträge nicht bedarfsdeckend sind, hat dies zu berechtigter Kritik geführt. Denn jedes Kind hat Anspruch auf bedarfsdeckenden Unterhalt. Die niedrigen Regelbeträge haben ihren Grund darin, dass sie im vereinfachten Unterhaltsverfahren durchgesetzt werden können und für die große Mehrzahl der Unterhaltsverpflichteten ohne weiteres tragbar sein sollen. Das Dilemma liegt darin, dass zahlreiche Unterhaltsverpflichtete auf Grund ihrer Einkommensverhältnisse nicht in der Lage sind, bedarfsdeckenden Unterhalt zu leisten.