Sozialhilfe

Abgeordnetenhaus von Berlin - 15. Wahlperiode Drucksache 15/454

Jahresbericht 2002 83 abzugrenzen. Auch der Personalbedarf der von der Tätigkeit der Bürgerämter betroffenen Fachämter muss überprüft werden. Der Rechnungshof fordert, dass die Stellen nach Kennzahlen je Arbeitsaufkommen und -belastung neu verteilt werden. Zusätzlich sollten Springerkräfte in den Fachämtern für unvorhergesehenen Bedarf bestimmt werden. Nachdem zunächst kein Bezirksamt festgestellt hatte, in welchem Umfang sich der Personalbedarf in den Fachämtern durch die Tätigkeit der Bürgerämter verringern müsste oder ob Dienstkräfte aus den Fachämtern kurzfristig bei Engpässen zusätzlich eingesetzt werden müssten, ist zwischenzeitlich ein Bezirksamt dieser Empfehlung gefolgt und hat 4,5 Stellen wegen der Fallzahlenentwicklung aus den Fachämtern in die Bürgerämter verlagert und Springerkräfte zur Verfügung gestellt. Die Personalausstattung ist nach und nach dem sich verändernden Qualifizierungsstand der Dienstkräfte (T 139) sowie nach Einführung des Start-Informationssystems (T 140) und der damit zu erwartenden kürzeren Bearbeitungs- und Beratungszeit anzupassen.

Für die Bürgerämter wird der allzuständige Sachbearbeiter für ein einheitliches Beratungs- und Dienstleistungsangebot in den Bürgerämtern Berlins angestrebt (T 132). Dies führt jedoch zu Eingruppierungsproblemen bei den Angestellten, da Sachbearbeiter in den bisherigen Meldestellen in VGr. VII/VI b eingruppiert sind, Sachbearbeiter in den Bürgerämtern dagegen der VGr. VI b und VGr. V c zugeordnet werden. Die Eingruppierung in VGr. VII/VI b setzt voraus, dass in der auszuübenden Tätigkeit zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erfordern. In VGr. VI b und VGr. V c müssen mit unterschiedlichem zeitlichem Maß noch selbständige Leistungen hinzukommen. Für eine sachgerechte Bewertung ist daher eine den tariflichen Anforderungen gerecht werdende Beschreibung des Aufgabenkreises (BAK) unerlässlich. Solange dies nicht der Fall ist oder die Arbeitsinhalte sich noch entwickeln, hat sich die Eingruppierung vorläufig nach der Vergütungsgruppe zu bestimmen, der die Tätigkeit mit Sicherheit zuzuordnen ist.

Während der Erprobungsphase wurden die Meldestellenaufgaben im Bürgeramt eines Bezirks bereits mit wahrgenommen. Den dort eingesetzten Mitarbeitern der Meldestellen hat das Bezirksamt mit Billigung der Senatsverwaltung für Inneres eine persönliche Zulage zur Aufstockung ihrer Vergütung nach VGr. V c gezahlt. Dies war zumindest zu diesem Zeitpunkt tariflich nicht gerechtfertigt, da sich die Tätigkeit der Meldestellenbearbeiter bewertungserheblich noch gar nicht geändert haben konnte. Aber auch die Stellenausweisung für Mitarbeiter der Bürgerämter nach VGr. V c war nicht gesichert und beruhte lediglich auf einer großzügigen Bewertungsvermutung.

Um zu einer einheitlichen Bewertung der Aufgabenkreise für Sachbearbeiter mit Allzuständigkeit zu gelangen, hat eine aus Vertretern der Bezirke und der Senatsverwaltung für Inneres gebildete Arbeitsgruppe eine MusterBAK erarbeitet. Diese umfasst 26 Arbeitsvorgänge, von denen lediglich bei vier Arbeitsvorgängen selbständige Leistungen aufgrund der auszuübenAbgeordnetenhaus von Berlin - 15. Wahlperiode Drucksache 15/454

Jahresbericht 2002 84 den Beratungstätigkeit als gegeben angesehen werden. Die Anteile an der Gesamtarbeitszeit sind für die einzelnen Arbeitsvorgänge noch nicht festgelegt und müssen von den zuständigen Organisationseinheiten der Bezirke für eine Bewertung des Einzelfalls noch ermittelt werden. Grundsätzlich wird jedoch von einer Bewertung nach VGr. VI b auszugehen sein. Die Arbeitsgruppe hat allerdings auch auf die Möglichkeit hingewiesen, dass durch eine andere Aufteilung der höherwertigen und geringerwertigen Arbeitsvorgänge sowohl Aufgabenkreise der VGr. V c als auch solche der VGr. VII/VI b entstehen können. Die Umsetzung des Ergebnisses der Arbeitsgruppe obliegt den Bezirken, die nunmehr in eigener Verantwortung die Bewertungsentscheidungen vorzunehmen haben. Dies sollte jedoch nicht dazu verleiten, die Aufgabengebiete etwa so zu schneiden, dass möglichst viele Mitarbeiter in den Genuss einer höheren Vergütung kommen. Der Rechnungshof wird die Bewertungsentscheidungen der Bezirke im Auge behalten.

In elf Bezirken wurden nicht alle 37 Standardaufgaben wahrgenommen.

Die Bezirke Reinickendorf und Steglitz-Zehlendorf wiesen nur Fallzahlen für 27 Standardaufgaben aus. Es fehlten insbesondere die publikumsintensiven Aufgaben aus dem Wohnungswesen, sodass noch nicht von voll funktionsfähigen Bürgerämtern gesprochen werden kann. Unabhängig von den Standardaufgaben boten die Bürgerämter bis zu 68 zusätzliche Aufgaben an. In der Statistik aller Bezirke fehlten weithin fachbezogene Fallzahlen aus den Bereichen Gesundheit, Kultur und Umwelt. Nach dem verfügbaren Datenmaterial verteilte sich das monatliche Fallaufkommen der ersten neun Monate 2001 nach Aufgabenbereichen wie folgt:

Der Hauptanteil der Tätigkeiten fiel bei den Melde- und den Lohnsteuerkartenstellen an, deren Aufgabeninhalte sich nicht verändert haben. Nur ein Drittel der Fälle entfiel auf das Erledigen einfacher, publikumsintensiver Vorgänge und Auskunftsersuchen, mit denen die Fachämter entlastet werden. Ursächlich dafür dürfte die noch unzureichende Akzeptanz der Bürgerämter sein. Die Bezirksämter haben bisher nicht erhoben, welche weiteren Dienstleistungen von Bürgern gleichzeitig nachgefragt werden und möglicherweise auch im Bürgeramt erledigt werden könnten.

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Jahresbericht 2002 85

Der Rechnungshof erwartet, dass die Bezirksämter

· umgehend die im Standardaufgabenkatalog vereinbarten Dienstleistungen in ihren Bürgerämtern bereitstellen,

· mit der Senatsverwaltung für Inneres prüfen, ob der Standardaufgabenkatalog mit dem Ziel erweitert werden sollte, vergleichbare Leistungen in allen Bürgerämtern anzubieten, und

· einheitliche Arbeitsstatistiken führen, auswerten und die sich daraus ergebenden Maßnahmen umsetzen.

In den Bürgerämtern sollen alle Anliegen im so genannten Front-OfficeBetrieb bearbeitet werden. Soweit noch immer nach dem Markthallenprinzip verfahren wird, müssen von den Besuchern für die drei Aufgabenfelder Meldestellen, Lohnsteuerkarten und Sonstiges bis zu drei verschiedene Wartenummern gezogen werden. Die Beratung der Bürger wird häufig durch Telefonate unterbrochen. Der Rechnungshof empfiehlt, das Wartenummernsystem zu verbessern und den Telefonauskunftsdienst in den Bürgerämtern getrennt von den Beratungsplätzen zu organisieren. Die Projektgruppe BürgerDienste will diesen Empfehlungen folgen.

Wegen der fachlichen Vielfalt der Aufgaben müssen die Mitarbeiter der Bürgerämter umfassend qualifiziert werden. Die Verwaltungsakademie hat auf der Grundlage eines Qualifizierungskonzepts bis zum Sommer 2001 für 1 000 Dienstkräfte 56 Veranstaltungen durchgeführt. Der Rechnungshof hat festgestellt, dass

· 25 v. H. der angemeldeten Dienstkräfte nicht teilgenommen haben,

· in den besonders publikumsintensiven Bereichen Wohnungswesen und Sozialhilferecht lediglich 53 v. H. und 58 v. H. anwesend waren und

· aus dem Bezirk Reinickendorf keine und aus dem Bezirk Mitte nur eine Dienstkraft fortgebildet wurde.

Der Bezirk Reinickendorf verweist auf eigene bezirksinterne Schulungen.

Der Rechnungshof beanstandet, dass einzelne Bezirksämter die zentralen Fortbildungsangebote nicht besser genutzt haben, weil nur durch zentrale Fortbildung einheitliche Verfahrensweisen gefördert werden können.

Der Erledigungsumfang der Aufgaben in den Bürgerämtern ist überwiegend nicht klar geregelt und wird nur in wenigen Bezirken mit einzelnen Fachämtern vereinbart. Er reicht von der einfachen Auskunft über eine qualifizierte Antragsentgegennahme bis - in wenigen Einzelfällen - zur vollständigen Bearbeitung. Dafür wurden unterschiedliche Gründe genannt: