Nach dem Grundsatz sparsamer Haushaltsführung sollten Doppelbelastungen der öffentlichen Hand möglichst vermieden werden

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Jahresbericht 2002 98

B. Inneres

1. Ungerechtfertigte Versorgungsvorteile für Beamte bei Berücksichtigung von Vordienstzeiten als Arbeitnehmer Treffen Versorgungsleistungen eines Beamten aufgrund früherer Tätigkeit im Arbeitsverhältnis mit Renten zusammen, werden diese auf die Versorgungsbezüge nur angerechnet, soweit die Summe den Betrag der Höchstversorgung überschreitet. Die Anrechnung kommt deshalb vielfach nicht zur Anwendung. Um ungerechtfertigte Versorgungsvorteile zu vermeiden, sollten nur noch die im Beamtenverhältnis verbrachten Zeiten als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden. Dadurch ließen sich in den vom Rechnungshof untersuchten Fällen allein schon Einsparungen von jährlich mindestens 1,8 Mio. erzielen; hochgerechnet auf alle Versorgungsfälle Berlins würde die Einsparung ein Vielfaches betragen. Der Senat ist aufgefordert, sich für eine entsprechende Änderung des Beamtenversorgungsrechts einzusetzen.

Nach dem Grundsatz sparsamer Haushaltsführung sollten Doppelbelastungen der öffentlichen Hand möglichst vermieden werden (vgl. BVerfGE 55, 207 ff., 239). Der Rechnungshof ist der Frage nachgegangen, ob und wieweit dieser Grundsatz in Fällen verletzt ist, in denen Beamte neben der Versorgung zusätzlich eine Rente beziehen. Er hat untersucht, inwieweit die gesetzlichen Bestimmungen zur Begrenzung der Gesamtversorgung noch dem Regelungszweck entsprechen (T 168) und wie Tätigkeiten, die sich sowohl ruhegehaltsteigernd als auch rentensteigernd auswirken, die Versorgung beeinflussen (Doppelbemessungszeiten, T 170).

Der Rechnungshof ist zu dem Ergebnis gekommen, dass nach der geltenden Anrechnungsvorschrift Beamte mit zusätzlichem Rentenbezug gegenüber anderen Dienstkräften häufig besser gestellt sind. Die öffentlichen Haushalte werden hierdurch unnötig belastet. Um die Doppelbemessung von Zeiten wirksam zu verhindern, sollten bestimmte Vordienstzeiten nicht mehr als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden. Allein in den für die Prüfung ausgewählten 1 280 Fällen von Ruhestandsbeamten mit Rentenbezug (T 167) würden sich längerfristig Einsparungen von mindestens 1,8 Mio. jährlich ergeben, bezogen auf alle Ruhestandsbeamten mit Rentenbezug würde sich dieser Betrag um ein Vielfaches erhöhen. Der Senat sollte sich im Wege einer Bundesratsinitiative um die dringend gebotene Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes bemühen.

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166 Bei der Berechnung der Versorgung werden neben der im Beamtenverhältnis zurückgelegten Dienstzeit (§ 6 Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG) unter bestimmten Voraussetzungen auch weitere Zeiten (Vordienstzeiten) als ruhegehaltfähig angerechnet. So sollen z. B. nach § 10 BeamtVG Zeiten berücksichtigt werden, in denen ein Beamter nach Vollendung des 17. Lebensjahres vor der Berufung in das Beamtenverhältnis im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis im Dienst eines öffentlichrechtlichen Dienstherrn tätig war und diese Tätigkeit zu seiner Ernennung führte. Hierbei muss es sich um Tätigkeiten handeln, die in der Regel einem Beamten obliegen oder ihm später übertragen werden oder für die Laufbahn des Beamten förderlich sind. Im Hinblick auf den Charakter des § 10 als „Sollvorschrift" hat der Beamte einen Rechtsanspruch auf Anrechnung, sofern keine sonstigen Ausschlussgründe vorliegen, wie z. B. eine Abfindung aus öffentlichen Mitteln. In der Regel werden derartige Zeiten durchweg anerkannt. Sonstige Zeiten im Sinne des § 11 BeamtVG, z. B. als Rechtsanwalt, Notar oder im hauptberuflichen Dienst der Fraktionen der gesetzgebenden Körperschaften, können als ruhegehaltfähig anerkannt werden. Dies gilt auch für die Anrechnung von Ausbildungszeiten sowie für Zeiten einer praktischen Tätigkeit, die für die Übernahme in das Beamtenverhältnis vorgeschrieben ist (§ 12 BeamtVG). 167 Um sich einen Überblick über den Anteil von Vordienstzeiten bei der Versorgung zu verschaffen, hat der Rechnungshof Fälle von Versorgungsempfängern mit Rentenbezug bzw. Rentenanwartschaft untersucht, und zwar die 1 280 Fälle von Versorgungsempfängern, die am Stichtag

1. Juli 2001 zwischen 63 und 67 Jahre alt waren (Altersgruppe insgesamt: 6 556), sowie die 328 Fälle von Versorgungsempfängern, die bis zum 28. August 2001 vor Vollendung des 60. Lebensjahres frühpensioniert wurden. Aus diesen beiden Fallgruppen hat er stichprobenweise insgesamt 309 Versorgungsfälle (etwa 20 v. H.) ausgewertet. Insgesamt wurden hiervon in 185 Fällen (59,9 v. H.) Vordienstzeiten als ruhegehaltfähig angerechnet. Der unterschiedlich hohe Anteil von Vordienstzeiten einzelner Beamtengruppen spiegelt die laufbahnspezifischen Besonderheiten wider.

So fallen z. B. bei allen Lehrern Vordienstzeiten an, da sie zunächst im Angestelltenverhältnis beschäftigt oder Ausbildungszeiten berücksichtigt werden. Ähnliches gilt für Beamte in den Sonderlaufbahnen, z. B. des technischen Dienstes oder des Sozialdienstes. Auch bei 71 v. H. der Justizvollzugsbeamten werden Vordienstzeiten berücksichtigt. Wenige Vordienstzeiten fallen hingegen beim Polizeivollzugsdienst an. Da eine Rentenanwartschaft erst nach einer fünfjährigen beitragspflichtigen Wartezeit

- ohne Ausbildungszeiten - besteht, wurden nur die 75 Fälle (41 v. H. der 185 Anrechnungsfälle) mit Vordienstzeiten von über fünf Jahren berücksichtigt: Abgeordnetenhaus von Berlin - 15. Überversorgung, zu vermeiden, die durch das Zusammentreffen von Versorgung mit einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder aus einer zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung für Angehörige des öffentlichen Dienstes entstehen kann, ist nach § 55 BeamtVG eine Kürzung der Versorgungsbezüge vorgesehen, indem diese nur bis zu einer Höchstgrenze gewährt werden. Diese beträgt bei einem Ruhestandsbeamten, der bereits den Höchstruhegehaltssatz erreicht hat, 75 v. H. bzw. seit dem 1. Januar 2002 (Versorgungsänderungsgesetz 2001) 71,75 v. H. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird ein fiktives Ruhegehalt als Berechnungsgrundlage gebildet. Durch eine großzügige Pauschalierung der Berechnungsgrundlage wird in der Regel auch hier eine Höchstgrenze von 75 v. H., künftig 71,75 v. H., zugrunde gelegt. Vereinfacht dargestellt, wird durch § 55 Abs. 2 BeamtVG die gesamte Zeit vom vollendeten 17. Lebensjahr bis zum Eintritt des Versorgungsfalls berücksichtigt. Dabei spielt es keine Rolle, ob überhaupt bzw. in welchem Rechtsverhältnis eine Tätigkeit ausgeübt wurde. Sofern Versorgung und Rente zusammen die Höchstgrenze überschreiten, wird die Versorgung entsprechend gekürzt, die Rente bleibt unangetastet. Diese im Wesentlichen seit 1965 (§ 160 a Bundesbeamtengesetz

- BBG - a. F.) bestehende Regelung war erforderlich geworden, weil durch die erhebliche Erweiterung früherer Bestimmungen inzwischen nahezu alle Vordienstzeiten (T 166) bei der Versorgung berücksichtigt wurden. Dies hatte zur Folge, dass ein Ruhestandsbeamter mit zusätzlichem Rentenanspruch zum Teil eine höhere Gesamtversorgung erhalten konnte als ein Ruhestandsbeamter, der von Beginn seines Arbeitslebens an ausschließlich im Beamtenverhältnis tätig war.

§ 55 BeamtVG wird jedoch dem allein auf die Verhinderung der Überversorgung gerichteten Regelungszweck nicht mehr gerecht. Konnte noch vor fast 40 Jahren bei Schaffung der Vorgängervorschrift (T 168) grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der Beamte einen Ruhegehaltssatz von 75 v. H. erreicht, ist dies jetzt nicht mehr die Regel.