Steuer

Abgeordnetenhaus von Berlin - 15. Wahlperiode Drucksache 15/454

Jahresbericht 2002 167 stehen würde. Zumindest beim Überschreiten der Wertgrenze nach Nr. 7 AV § 55 LHO ist im Einzelfall nachzuweisen, dass der Aufwand einer öffentlichen Ausschreibung im Missverhältnis zum erreichbaren Vorteil steht. Die Baudienststellen verkennen, dass die beschränkte Ausschreibung oder die freihändige Vergabe im Rahmen der Wertgrenzen Ausnahmen vom Regelfall der öffentlichen Ausschreibung sind. Ausnahmeregelungen dürfen aber nur in dem Maße in Anspruch genommen werden, dass der gesetzliche Grundsatz der öffentlichen Ausschreibung gewahrt bleibt.

Der Rechnungshof beanstandet, dass durch das Fehlverhalten von Baudienststellen Bauleistungen häufig unwirtschaftlich vergeben worden sind. Er erwartet, dass die Baudienststellen die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit ihres Vergabeverhaltens verbessern. Bei der Vergabe von Bauleistungen müssen sie

· den Grundsatz der öffentlichen Ausschreibung strikt beachten, insbesondere die unzulässige Aufteilung von Bauleistungen und unwirtschaftliche freihändige Vergaben durch „Kettenaufträge" zu den Bedingungen von Rahmenverträgen unterlassen,

· sorgfältiger planen, damit Nachtragsangebote möglichst vermieden werden,

· Leistungsverzeichnisse grundsätzlich selbst aufstellen,

· beim Vergabeverfahren das Gebot der Geheimhaltung strikt einhalten und

· systematische und einheitliche Aufzeichnungen über das Vergabeverhalten führen und auswerten, um Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten zu erkennen.

5. Gebotener Wirtschaftlichkeitsvergleich bei der Entscheidung über eine getrennte oder zusammengefasste Vergabe von Fachlosen Bauleistungen sind in der Regel getrennt nach Fachlosen zu vergeben. Liegen technische oder wirtschaftliche Gründe vor, nach denen im Ausnahmefall eine zusammengefasste Vergabe mehrerer oder sämtlicher Fachlose in Erwägung gezogen werden kann, sind die Bauleistungen so auszuschreiben, dass sie entweder getrennt nach Fachlosen oder zusammengefasst nach mehreren Fachlosen bis hin zur Zusammenfassung aller Fachlose vergeben werden können. Die Entscheidung über eine geAbgeordnetenhaus von Berlin - 15. Wahlperiode Drucksache 15/454

Jahresbericht 2002 168 trennte oder zusammengefasste Vergabe von Fachlosen ist erst nach Prüfung und Wertung aller Angebote zu treffen.

Bauleistungen verschiedener Handwerks- oder Gewerbezweige sind gemäß § 4 Nr. 3 VOB/A in der Regel getrennt nach Fachgebieten oder Gewerbezweigen (Fachlose) zu vergeben. Eine zusammengefasste Vergabe mehrerer Fachlose bis zur Vergabe aller Fachlose an einen Generalunternehmer kommt nur dann in Betracht, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls wirtschaftliche oder technische Gründe es rechtfertigen, von der als Regelfall gebotenen, nach Fachlosen getrennten Vergabe abzusehen.

Der Vorrang der nach Fachlosen getrennten Vergabe ist in der traditionell gewachsenen, weitgehend klein- und mittelständischen Struktur der Bauwirtschaft begründet, wodurch neben zusätzlichen Beschäftigungschancen für fachkundiges Stammpersonal auch eine breite Wettbewerbsbasis gewährleistet wird. Die Erhaltung und Förderung dieser Struktur ist eine Verpflichtung Berlins aufgrund seiner wirtschaftlichen Verantwortung als öffentlicher Auftraggeber. Dementsprechend hat auch das Abgeordnetenhaus den Senat aufgefordert, der kleinteiligen und gewerkeweisen Vergabe den Vorrang einzuräumen (Auflagenbeschluss Nr. 62 aus Anlass der Beratung des Haushaltsplans 2001, Plenarprotokoll 14/20). Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung führt dazu aus, dass dem Vorrang der kleinteiligen und gewerkeweisen Auftragsvergabe schon seit längerer Zeit durch die Regelung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung vom 26. August 1998 und durch eigene Rundschreiben Rechnung getragen werde.

Baudienststellen haben sich trotz des allgemeinen Vorrangs der getrennten Vergabe häufig ohne ausreichende wirtschaftliche oder technische Rechtfertigung für die zusammengefasste Vergabe von Fachlosen entschieden.

Die Baudienststellen haben die zusammengefasste Vergabe von Fachlosen bis hin zur Generalunternehmervergabe zumeist allgemein mit der Erwartung wirtschaftlicher Vorteile, wie Entlastung von Koordinierungsaufgaben, höherer Kosten- und Terminsicherheit oder einer einheitlichen Gewährleistung begründet. Aufgrund dieser allgemeinen Erwartung einer größeren Wirtschaftlichkeit und ohne hinreichende Untersuchung und Prüfung des Einzelfalls wurde oftmals schon vor Beginn des Vergabeverfahrens entschieden, die Bauleistungen an einen Generalunternehmer zu vergeben. Den tatsächlichen Nachweis der Wirtschaftlichkeit einer solchen Vergabe haben die Baudienststellen zumeist nicht erbracht.

Bei der Zusammenfassung von Fachlosen entstehen nicht nur Einsparungen, z. B. durch geringeren Koordinationsaufwand, sondern auch Mehrkosten, z. B. dadurch, dass Auftragnehmer die ihnen zufallenden Koordinationsleistungen und -risiken in ihre Angebotspreise einkalkulieren. Den Mehrkosten, die im Mittel etwa 10 v. H., teilweise bis über 20 v. H. betragen, stehen nicht immer entsprechende Einsparungen gegenüber. Dies zeigt auch das nachstehende Beispiel.

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306 Eine Baudienststelle A hatte einen Architekten mit der Planung einer Sporthalle und der Erstellung der Bauplanungsunterlagen beauftragt. Aufgrund des gleichen Bedarfs hatte eine Baudienststelle B diese Planung und die Bauplanungsunterlagen übernommen. Unabhängig voneinander und im Abstand von nur wenigen Monaten hatten beide Baudienststellen die Bauleistungen für den Bau ihrer jeweiligen Sporthalle nach demselben Architektenentwurf und denselben Bauplanungsunterlagen vergeben. Die Baudienststelle B hatte die Bauleistungen - von einer Ausnahme abgesehen - getrennt nach Fachlosen vergeben. Die Baudienststelle A hatte sich in Erwartung eines wirtschaftlicheren Ergebnisses frühzeitig für eine zusammengefasste Vergabe der Bauleistungen an einen Generalunternehmer zu einem Pauschalpreis entschieden, ohne sich eine getrennte Vergabe der Fachlose vorzubehalten.

Weil die Ausschreibungen der Bauleistungen für beide Sporthallen nach denselben Bauplanungsunterlagen fast zu gleicher Zeit begannen, beide Sporthallen auch fast zeitgleich fertiggestellt wurden und darüber hinaus ähnliche Standortbedingungen aufweisen, bot sich ein Vergleich der Ergebnisse der beiden Vergabeverfahren an. Hierfür hat der Rechnungshof zunächst die Angebotspreise der Bauleistungen der Kostengruppen 300

Bauwerk - Baukonstruktion - und 400 Bauwerk - Technische Anlagen gemäß DIN 276 für beide Sporthallen verglichen. Die Höhe der auf der Grundlage der Angebotspreise erteilten Aufträge für die von der Baudienststelle B getrennt nach Fachlosen vergebene Sporthalle betrug 1,77 Mio.. Die von der Baudienststelle A zusammengefasst an den Generalunternehmer vergebene Sporthalle wies bereits bei der Auftragserteilung Angebotspreise von 2,10 Mio. (+ 18,6 v. H.) auf.

In einem weiteren Vergleich hat der Rechnungshof die tatsächlich ausgegebenen Mittel nach der Fertigstellung auf der Grundlage der Abrechnungspreise sowie unter Berücksichtigung der Nachträge für beide Sporthallen gegenübergestellt. Der Unterschied zwischen der überwiegend nach Fachlosen getrennten Vergabe und der Generalunternehmervergabe ist bei diesem Vergleich noch größer geworden. Unter Berücksichtigung der geringfügigen Abweichungen in der Ausführung, der Technik und des Standards ergeben sich für die getrennt nach Fachlosen vergebene Sporthalle Kosten von 1,59 Mio.. Für die zusammengefasst an den Generalunternehmer vergebene Sporthalle betrugen die Kosten 2,13 Mio. (+ 34,0 v. H.).

Die erwartete Wirtschaftlichkeit der Vergabe an einen Generalunternehmer war auch in diesem Fall mit Einsparungen beim Koordinations- und Steuerungsaufwand begründet worden. Deshalb hat der Rechnungshof die Kostengruppe 700 - Baunebenkosten - gemäß DIN 276 in den Vergleich einbezogen. Bei diesem Vergleich betrugen die Kosten für die überwiegend getrennt nach Fachlosen vergebene Sporthalle 1,62 Mio.. Die zusammengefasst an den Generalunternehmer vergebene Sporthalle weist Kosten von 2,17 Mio. (+ 34,0 v. H.) aus. Auch der Vergleich, der die Baunebenkosten einbezieht, zeigt, dass die Entscheidung der Baudienststelle A für eine zusammengefasste Vergabe an einen Generalunternehmer nicht