Finanzamt

Abgeordnetenhaus von Berlin - 15. Wahlperiode Drucksache 15/454

Jahresbericht 2002 197

Geschäftsführer/Vorstandsmitglieder und für Aufsichtsratsmitglieder abgeschlossen haben.

Der Rechnungshof erwartet, dass die Senatsverwaltung für Finanzen als Beteiligungsverwaltung auf die städtischen Wohnungsbaugesellschaften bzw. die Vertreter Berlins in deren Aufsichtsgremien mit dem Ziel einwirkt, dass überhöhte Grundvergütungen bereits bei den Nachverhandlungen reduziert, der von der Betriebsgrößenklasse abhängige Vergütungsrahmen künftig strikt eingehalten und neben den erfolgs- und leistungsabhängigen Komponenten nach den Zielvereinbarungen keine weiteren Prämien oder Sonderzahlungen mehr gewährt werden. Darüber hinaus unterstützt der Rechnungshof die Senatsverwaltung für Finanzen in ihrer Absicht, die Kosten für die Directors & Officers-Versicherungen - soweit sie für Geschäftsführer/ Vorstandsmitglieder abgeschlossen worden sind - auf die Höhe der jeweiligen Bezüge anrechnen zu lassen, und erwartet, dass die Senatsverwaltungen für Finanzen und für Stadtentwicklung den in dieser Angelegenheit eingeleiteten Abstimmungsprozess zügig beenden.

3. Unzureichende Rechtsbehelfsbearbeitung durch drei Finanzämter

Die bei drei Finanzämtern bereits seit längerer Zeit anhängigen Rechtsbehelfsverfahren sind von langen - teilweise mehrjährigen - ungerechtfertigten Bearbeitungspausen gekennzeichnet.

Dies hat in einem Einzelfall dazu geführt, dass Anteilseigner einer aus Abschreibungsgesellschaften bestehenden Unternehmensgruppe über Jahre hinweg in den Genuss von Steuervorteilen von bis zu 50 Mio. gekommen sind, die ihnen aufgrund eines bisher nicht rechtskräftigen finanzgerichtlichen Urteils nicht zugestanden haben. Zudem haben weitere Bearbeitungsunzulänglichkeiten zu vermeidbaren Verfahrenskosten von 120 000 geführt. Die unterlassene Festsetzung von Aussetzungszinsen hat endgültige Einnahmeausfälle von 193 300 zur Folge.

Das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren ermöglicht dem Steuerpflichtigen, im Wege des Einspruchs gegen seiner Auffassung nach unzutreffende Entscheidungen der Finanzämter vorzugehen. Durch die Einlegung eines Einspruchs wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes grundsätzlich nicht gehemmt. Auf Antrag oder von Amts wegen soll die Vollziehung angefochtener belastender Verwaltungsakte - unter Umständen gegen Sicherheitsleistung - ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes Abgeordnetenhaus von Berlin - 15. Wahlperiode Drucksache 15/454

Jahresbericht 2002 198 bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Bei den Veranlagungsstellen aller Berliner Finanzämter gehen im Jahr durchschnittlich fast 160 000 Rechtsbehelfe ein. Um die Qualität und Quantität der Rechtsbehelfsbearbeitung zu verbessern, hat die Verwaltung bereits zu Beginn der 80er Jahre bei den für die Besteuerung natürlicher Personen zuständigen Finanzämtern zentrale Rechtsbehelfsstellen eingerichtet. Die Bearbeitung der Rechtsbehelfe obliegt auch weiterhin zunächst der festsetzenden Stelle. Zeichnet sich jedoch ab, dass zur Erledigung eines Rechtsbehelfs schwierige Rechtsfragen zu klären sind oder dem Begehren des Steuerpflichtigen voraussichtlich nicht entsprochen werden kann, wird der Rechtsbehelf der Rechtsbehelfsstelle zur Entscheidung zugewiesen. Diese hat im Falle eines anschließenden finanzgerichtlichen Verfahrens alle Aufgaben wahrzunehmen, die dem Finanzamt als Beteiligtem obliegen. Nach Eintritt der Bestands- bzw. Rechtskraft der Entscheidungen hat die Rechtsbehelfsstelle die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheides zu widerrufen und Aussetzungszinsen festzusetzen, soweit der Rechtsbehelf endgültig keinen Erfolg hatte. Diese Aufgabenverlagerung auf die Rechtsbehelfsstelle hat zu einer deutlichen Arbeitsentlastung der festsetzenden Stelle geführt.

Eine zügige Rechtsbehelfsbearbeitung liegt insbesondere im Interesse des Steuerpflichtigen. Sie dient der Rechtssicherheit im Besteuerungsverfahren und trägt auch dazu bei, dass ausgesetzte Steuerbeträge, die dem Steuergläubiger zustehen, zeitnah vereinnahmt werden können.

Der Rechnungshof hat die unterschiedlich organisierte Rechtsbehelfsbearbeitung bei drei Berliner Finanzämtern untersucht:

· Das Finanzamt Reinickendorf, welches für die Besteuerung natürlicher Personen zuständig ist, hat von Beginn an eine zentrale Rechtsbehelfsstelle eingerichtet.

· Das für die Besteuerung juristischer Personen zuständige Finanzamt für Körperschaften I hat erst seit Sommer 1997 eine zentrale Rechtsbehelfsstelle eingerichtet, der allerdings nur die Bearbeitung der seit diesem Zeitpunkt beim Finanzamt eingehenden Rechtsbehelfe obliegt. Die Bearbeitung der zuvor eingegangenen Rechtsbehelfe nimmt regelmäßig noch die festsetzende Stelle vor.

· Beim Finanzamt für Körperschaften IV, welches u. a. zentral für die Besteuerung aller Berliner Personengesellschaften in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG zuständig ist, werden die Rechtsbehelfe noch ausschließlich von der festsetzenden Stelle bearbeitet; eine Rechtsbehelfsstelle hat dieses Finanzamt nicht eingerichtet.

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374 Zum 31. Dezember 2000 waren bei allen Berliner Finanzämtern 143 600 Rechtsbehelfe unerledigt; hiervon waren 50 300 Verfahren länger als drei Jahre anhängig (Alt-Rechtsbehelfe). Auf das Finanzamt für Körperschaften IV entfielen 38 900 der unerledigten Rechtsbehelfe und mit 31 600 sogar 63 v. H. aller Alt-Rechtsbehelfe, die häufig seit über zehn Jahren anhängig waren. Diese im Vergleich zu den übrigen Finanzämtern überaus hohe Fallzahlenbelastung - so entfielen auf die übrigen 21 Berliner Finanzämter durchschnittlich jeweils nur 890 Alt-Rechtsbehelfe - hängt mit dessen Sonderzuständigkeit für die Besteuerung von Gesellschaften in der Rechtsform der GmbH & Co. KG zusammen. Diese Rechtsform hatten in den 70er und 80er Jahren Initiatoren großer Abschreibungsgesellschaften bevorzugt. Bei solchen Personengesellschaften, an denen oftmals sehr viele Gesellschafter beteiligt sind, können unter bestimmten Voraussetzungen mehrere Gesellschafter unabhängig voneinander in derselben Sache und aus denselben Gründen gegen einen die Gesellschaft betreffenden Gewinnfeststellungsbescheid Einspruch einlegen. Dies hat zur Folge, dass gegen nur einen Bescheid eine Vielzahl von Einsprüchen vorliegen können, über die das Finanzamt entscheiden muss.

Die drei Finanzämter haben neu eingehende Rechtsbehelfe ganz überwiegend innerhalb von zwölf Monaten nach deren Eingang erledigt.

Dieses positive Bild bei der Bearbeitung neu eingegangener Einsprüche trifft jedoch auf die Bearbeitung der Alt-Rechtsbehelfe nicht zu. Stichprobenweise Untersuchungen haben in einer Vielzahl von Fällen teilweise mehrjährige ungerechtfertigte Bearbeitungspausen aufgezeigt. Im Vergleich zu den übrigen zwei untersuchten Finanzämtern ist die Situation beim Finanzamt für Körperschaften IV aufgrund seiner Sonderzuständigkeit besonders problematisch.

Bei diesem Finanzamt betreffen allein 24 000 der dort vorhandenen 31 600 Alt-Rechtsbehelfe die Streitigkeiten einer Unternehmensgruppe, bestehend aus verschiedenen Verlustzuweisungsgesellschaften, an der sich 2 500 - überwiegend im übrigen Bundesgebiet ansässige - Personen beteiligt hatten. Das Finanzamt hatte Verluste der Gesellschaften hauptsächlich aus den Jahren 1977 bis 1982 über insgesamt 156 Mio. nicht zum Abzug zugelassen. Über die von den Verlustzuweisungsgesellschaften Anfang der 90er Jahre erhobenen Einsprüche hat das Finanzamt im Falle einer Gesellschaft Mitte 1996 entschieden und diese als unbegründet zurückgewiesen. Die gegen diese Entscheidung erhobene Klage hat das Finanzgericht Berlin im April 2000 ebenfalls als unbegründet zurückgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision haben die Kläger Beschwerde eingelegt, über die noch nicht entschieden ist. Mithin ist derzeit nicht abzusehen, wann Rechtssicherheit eintritt. Durch die finanzgerichtliche Entscheidung bestehen aber zumindest keine ernstlichen Zweifel mehr an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Feststellungsbescheide. Dennoch hatte das Finanzamt die Aussetzung der Vollziehung zum damaligen Zeitpunkt nicht aufgehoben. Hierdurch sind den Beteiligten die Steuervorteile von bis zu 50 Mio., die ihnen nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht zustehen,